# taz.de -- Protest gegen Kohleabbau in NRW: Großaufgebot für Lützerath | |
> Mit hunderten Beamten will die Polizei ab Mittwoch das besetzte Dorf | |
> räumen. Der Verfassungsschutzpräsident erwartet „gewalttätige Krawalle�… | |
Bild: Lützerath am Sonntag: Die Räumung des besetzten Dorfes soll am Mittwoch… | |
BERLIN taz | In [1][Lützerath] braut sich einer der größten Polizeieinsätze | |
der jüngsten Zeit zusammen. Ab Mittwoch kann die Polizei das dort besetzte | |
Dorf neben dem RWE-Kohletagebau räumen. Mehrere hundert Beamte aus fast | |
allen Bundesländern werden erwartet – eine genaue Zahl nennt die | |
Einsatzführung aus taktischen Gründen nicht. Der zuständige [2][Aachener | |
Polizeipräsident Dirk Weinspach] sprach am Montag von einem „schwierigen, | |
herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken“. Und | |
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte der taz, er erwarte | |
„gewalttätige Krawalle“. | |
Weinspach erklärte, am Dienstag wolle die Polizei noch eine | |
Informationsveranstaltung in Erkelenz abhalten, ab Mittwoch dann sei mit | |
einer Räumung „jederzeit“ zu rechnen. Er appellierte an Protestierende, | |
friedlich zu bleiben. Dass am Sonntag [3][Steine geflogen seien] und auch | |
bürgerliche Demonstrierende mit an Barrikaden bauten, sei aber | |
beunruhigend. Man werde auf Deeskalation setzen, aber wohl „auch | |
gewaltbereiten Straftätern gegenüberstehen“. | |
Einsatzleiter Wilhelm Sauer warnte vor Barrikaden und Gräben, die in | |
Lützerath derzeit angelegt würden. Dazu kämen Mono- und Tripods, von | |
Aktivist:innen besetzte Pfahlkonstrukte, die aufwendig zu räumen seien. | |
Auch wisse man nicht, ob nicht auch in den besetzten Gebäuden Fallen | |
warteten. Zudem habe man Steinkatapulte entdeckt, was „die Grenze jedes | |
hinnehmbaren Szenarios“ überschreite. Gleiches gelte für Anschläge auf | |
Logistikfirmen, die die Polizei oder RWE unterstützten. | |
Letztlich müsse man das gesamte Braunkohlerevier im Blick behalten, weil | |
Aktivist:innen überall Aktionen starten könnten, um Polizeikräfte zu | |
binden, so Sauer. Die Polizei werde mit „Zurückhaltung bis zum äußerst | |
Machbaren“ vorgehen. „Aber ich werde nicht zulassen, dass meine Beamten zur | |
Zielscheibe roher Gewalt werden.“ | |
## Initiative kritisiert Eskalation der Polizei | |
Die Initiative „Lützerath lebt“, die den weiteren Kohleabbau verhindern | |
will, wirft der Polizei dagegen vor, zu eskalieren und zuletzt rabiat gegen | |
eine friedliche Menschenkette vorgegangen zu sein. Die folgenden Steinwürfe | |
hatten Aktivist:innen laut Beobachter:innen vor Ort mit „Keine | |
Steine“-Rufe quittiert. | |
Für die [4][Initiative] selbst haben nach eigener Auskunft „alle | |
Aktionslevel ihren grundsätzlichen Daseinszweck“. Auf dem Szeneportal | |
Indymedia gibt es offenere Aufrufe, den Preis für die Räumung | |
hochzutreiben. Angeregt wird auch, dezentral Tagebaueinfahrten zu | |
blockieren, Bagger zu besetzen oder Pumpen „abzuschalten“. | |
Verfassungsschutzchef Haldenwang sagte der taz, friedliche Proteste seien | |
in einer Demokratie legitim. „Die Protestbewegungen in Lützerath sind | |
allerdings sehr heterogen.“ Relevant werde der Protest für den | |
Verfassungsschutz, wenn Linksextremisten versuchten, friedliche | |
demokratische Proteste zu unterwandern und instrumentalisieren. „Versuche | |
nehmen wir bereits wahr“, so Haldenwang. „Wir sehen, dass bundesweit auch | |
gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich | |
bereits vor Ort sammeln. Teils wird zu militanten Aktionen aufgerufen.“ | |
Haldenwang verwies auf die Proteste im [5][Hambacher] und [6][Dannenröder] | |
Forst, wo es „ein brutales Vorgehen gegen die Räumung“ gegeben habe. | |
„Insofern erwarte ich auch in Lützerath gewalttätige Krawalle.“ | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte sich bisher nicht zu der | |
Räumung äußern und verwies auf das zuständige NRW. Der dortige | |
Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem ZDF, die meisten Protestierenden | |
in Lützerath seien „vernünftige Menschen, die ein echtes Anliegen haben“. | |
Nur eine Minderheit neige zu Gewalt. Gegen diese müsse die Polizei | |
vorgehen. | |
## Die Linke in Berlin kritisiert Entsendung von Polizeieinheiten | |
Die [7][Grünen-Bundeschefin Ricarda Lang] forderte am Montag eine | |
„Deeskalation aller Beteiligten“. RWE habe einen Rechtsanspruch auf die | |
Räumung in Lützerath. Sie habe aber auch „Verständnis für Menschen, die | |
jetzt dort demonstrieren, für Frust und vor allem auch für Druck für mehr | |
Klimaschutz“. Entscheidend sei der bundesweite Ausstieg aus der Kohle. | |
Die Linke stellt sich dagegen klar gegen die Räumung. Parteichefin Janine | |
Wissler kündigte an, sich an den Protesten zu beteiligen. Die Räumung sei | |
ein „Frontalangriff auf den Klimaschutz“ und „Wahnsinn“. Die | |
NRW-Landeschefin Kathrin Vogler zog bereits ins Protestcamp ein. | |
In Berlin kritisierte die mitregierende Linke, dass auch die Hauptstadt | |
Polizeieinheiten nach NRW entsendet, wie ein Polizeisprecher der taz | |
bestätigte. „Diese Räumung ist sinnlos und längst zum Symbol für die | |
verfehlte Klimapolitik geworden“, sagte Innenpolitiker Niklas Schrader der | |
taz. „Wir haben als Land Berlin da eine andere Linie. Insofern sollte sich | |
Berlin daran nicht beteiligen.“ | |
9 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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