# taz.de -- Pro und Contra Equal Pay: Gleiches Geld für alle? | |
> Vor der Frauen-WM in Frankreich forderten Fußballerinnen Gewinnprämien in | |
> Höhe der Bezahlung für Männer. Ist das richtig? | |
Bild: Mehr als der Kampf um den Ball: Fußballerinnen fordern die Gleichstellun… | |
## Ja | |
Die Antworten mancher Fragen drängen sich durch ihre Umkehrung auf. Warum | |
gleiche Bezahlung? Nun, warum sollten Fußballerinnen, die ihr Land | |
vertreten, kürzer gehalten werden als Fußballer? Weil sie schon immer nur | |
Almosen, einen Bruchteil der Beträge überwiesen bekommen, welche ihre | |
männlichen Kollegen einstreichen? Weil Manuel Neuer, Marco Reus & Co. mehr | |
Geld einspielen als Almuth Schult, Dzenifer Marozsán und Co.? Weil zu | |
Länderspielen der Frauen trotz großzügiger Freikartenausgabe selbst die | |
kleinen Stadien sehr luftig besetzt sind? | |
Meist sind es ökonomische Argumente, die gegen eine Gleichbehandlung ins | |
Feld geführt werden. Bei Klubteams, die wie freie Wirtschaftsunternehmen | |
sich an dem Prinzip von Angebot und Nachfrage orientieren, leuchtet eine | |
solche Sichtweise ein. Denn aus welchem Wirtschaftskreislauf sollte das | |
Geld abgezweigt werden, um den Frauen und Männern bei Bayern München den | |
gleichen Lohn zukommen zu lassen? Das wäre nur mit autoritärer Verbands- | |
oder Staatspolitik durchzusetzen. | |
Derlei Einwände sind aber irreführend, [1][weil bei der Equal-Pay-Debatte] | |
nicht alles in einen Topf geworfen werden sollte. Noch nie wurde von | |
Spielerinnen die Forderung erhoben, im Verein müssten die Gehälter dem | |
Männerniveau angepasst werden. Profivereine können sich frei entscheiden, | |
ob sie den Frauenfußball fördern wollen oder nicht. | |
Die nationalen Fußballverbände haben diese Freiheit nicht. Sie stehen in | |
der Verantwortung, gegen die strukturellen Ungleichheiten für die sie | |
mitverantwortlich sind, etwas zu unternehmen. Der Frauenfußball ist | |
ökonomisch auch deshalb so mickrig, weil er mit Verboten und vielen anderen | |
Widrigkeiten zu kämpfen hatte und hat. | |
Das darf kein Grund sein, den Frauenfußball weiter klein zu halten. Der | |
norwegische Fußballverband hat nach einer verpatzten EM seiner Frauen seine | |
Unterstützung nicht zurückgefahren, sondern aufgestockt. Das | |
Frauennationalteam erhält seit 2018 die gleichen Pauschalen überwiesen wie | |
die Männerauswahl. Die Gleichbehandlung der Nationalteams versteht sich in | |
Norwegen auch für die Männer von selbst, die dafür Kürzungen akzeptierten. | |
Ein ähnliches Entgegenkommen wäre bei den deutschen Männern bei der | |
WM-Prämienregelung angebracht. Die Frauen würden beim WM-Gewinn in | |
Frankreich jeweils 275.000 Euro weniger bekommen, als den Schützlingen von | |
Bundestrainer Joachim Löw im vergangenen Jahr bei der Weltmeisterschaft in | |
Aussicht gestellt wurden. | |
Dass durch eine Angleichung bei den Geschlechtern neue Ungleichheiten | |
innerhalb des Systems des Frauenfußballs entstehen werden, darf nicht Grund | |
sein, die Ungleichbehandlung beizubehalten. Das wäre die Fortsetzung der | |
Praxis: Ihr seid so klein, deshalb halten wir euch klein. | |
Johannes Kopp | |
## Nein | |
Die Fußballerinnen leben in zwei verschiedenen Welten. Werden sie nach | |
technischem Vermögen und Spielfluss bewertet, dann heißt es reflexhaft von | |
den Sachwaltern des Kicks: Frauenfußball ist doch eine ganz andere | |
Sportart, was habt ihr Nölärsche bloß? Wie könne man denn Äpfel mit Birnen | |
vergleichen? | |
Eine Nähe zu den Männern wird als Zumutung empfunden, weil, so die | |
Promotoren, die Eigenständigkeit des Frauenfußballs dadurch geleugnet | |
werde. Außerdem müsse man die Randständigkeit der Fußballerinnen, also ihre | |
ungleich schlechteren, sprich weniger professionellen Ausgangsbedingungen | |
ins Kalkül ziehen. | |
Geht es allerdings um finanzielle Belange, dann könnte die Nähe zu den | |
Männern nicht größer sein. Kickerinnen fordern, dass männliche Standards | |
eins zu eins auch für sie gelten. Es sind nicht nur Aktivistinnen, die bei | |
Turnieren und überhaupt gleiche Bezahlung fordern, sondern auch immer mehr | |
Aktive. Jetzt geht es nicht mehr um Äquidistanz zu den Balltänzen der | |
Ronaldos, Messis und Salahs, sondern um den Griff in die gefüllten | |
Schatullen der Verbände, ob sie nun Fifa, Uefa oder DFB heißen. Das ist | |
auch völlig legitim, wenn es nicht diese Doppelstandards gäbe. | |
Die Equal-Pay-Fraktion müsste sich halt mal darüber klar werden, ob sich | |
der Frauenfußball nicht in allen Belangen an den Männern messen lassen | |
will, vor allem in Sachen Unterhaltungswert und Spektakel, den einzig | |
zulässigen Variabeln. Oder ob er eben auf komplette Autonomie setzt – ohne | |
das Referenzsystem Männerfußball. | |
Unter der Saison wird der Wert des Frauenfußballs über die Gesetze des | |
freien Marktes ausgehandelt. Folglich fließen in den Männerfußball | |
Milliarden. Hier wird das große Geld gemacht. Das Wachstum ist | |
exponentiell. Frauenfußball kann in diesem rasanten kapitalistischen Spiel | |
nicht mithalten. Er findet daher meist unter dem Radar statt. Bei einer WM | |
ist das anders. | |
Hier entwickelt der Frauenfußball nicht nur eine gewisse mediale Wirkung, | |
sondern wird auch zum feministischen Projekt, getragen vom | |
[2][gesellschaftspolitischem Wohlwollen in Sachen Equal Pay]. Hier | |
funktioniert die Kraft der Symbolik, weil es sich um einen begrenzten, | |
überschaubaren Zeitraum handelt, in dem die Kräfte des Marktes keine große | |
Rolle spielen. | |
Jede Nationalspielerin, die es in den WM-Kader geschafft hat und, sagen | |
wir, für einen WM-Sieg 350.000 Euro bekäme, darf sich als glücklicher | |
Mensch fühlen, der unverhofft unter dem Füllhorn einer Captatio | |
benevolentiae steht. Aber wie gerecht ist das im Vergleich zu einer | |
Vereinskollegin, die mickrige 1.300 Euro im Monat verdient und nur knapp | |
den Sprung ins Nationalteam verpasst hat? Ein WM-Equal-Pay würde eine | |
Diskriminierung beseitigen – und eine neue schaffen. | |
Markus Völker | |
9 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-Urteil-zum-Gender-Pay-Gap/!5567588 | |
[2] /Gastkommentar-Equal-Pay-Day/!5578458 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Equal Pay | |
Pro und Contra | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-Fußball-WM 2023 | |
WM | |
Gender Pay Gap | |
Fußball | |
Fußball | |
Kolumne Frühsport | |
Frauenfußball | |
Serge Gnabry | |
Equal Pay | |
Fußball | |
Schwerpunkt Sport trotz Corona | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-WM 2019 | |
Elke Holst | |
Gender Pay Gap | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fußball-Nationalmannschaft der Frauen: Der lange Weg zu Equal Pay | |
Martina Voss-Tecklenburg bleibt Bundestrainerin bis 2025 – und die | |
Bezahlung der Spielerinnen unter jener der Männer. | |
Equal-Pay-Debatte setzt DFB unter Druck: Revolutionäre Rechnung | |
Frauenerfolge sind so viel wert wie Männererfolge, behaupten immer mehr | |
Fußballverbände in Europa. Sie lassen den DFB verdammt vorgestrig | |
erscheinen. | |
Prekäre Verhältnisse im Frauenfußball: Profis mit Hungerlohn | |
Die spanischen Erstligafußballerinnen streiken, weil viele trotz des | |
zunehmenden Interesses mit 300 bis 500 Euro im Monat abgespeist werden. | |
EM-Qualifikationsspiel gegen Niederlande: Deutschland nicht ganz dicht | |
Die DFB-Elf verblüfft bei der 2:4-Niederlage gegen die Niederlande mit | |
ihrer defensiven Ausrichtung. Instabil ist sie dennoch. | |
Gerechte Bezahlung im Spitzensport: Turn- und Geldbeutel | |
In den USA liegt ein Gesetzentwurf zum Equal Pay vor: Gelder für die | |
Männer-Fußball-WM 2026 nur, wenn Frauen gleich bezahlt werden. | |
Kommentar #MeToo im Fußball: Das Problem sind die Verbände | |
Im Fußball ist die MeToo-Debatte nicht richtig angekommen. Die | |
Funktionärsebene hat keinen Anreiz zur Aufklärung. | |
Kolumne Frauen-WM: Das hat doch mit Sport nichts zu tun | |
Giulia Gwinn schoss ihre Mannschaft beim WM-Auftakt zum Sieg. Die | |
Boulevardpresse kürt sie zum „DFB-Hottie“ und gerät zu Recht in einen | |
Shitstorm. | |
WM-Mitfavorit England: Freiheit im Ausdruck | |
Der Turnierfavorit England versemmelt zwar zu viele Chancen, zeigt sich | |
aber schon in vielversprechender WM-Form. | |
Erstes WM-Spiel der Deutschen: Erhörte Gebete | |
Beim Auftaktspiel gegen China läuft nicht alles rund. Verpasste Chancen und | |
verletzte Spielerinnen sind das Resultat. Zum Sieg reicht es trotzdem. | |
Eröffnungsspiel der Fußball-WM: Die blaue Stunde von Paris | |
Das Publikum feierte, denn Frankreichs Frauen gewannen gegen Südkorea mit | |
4:0. Doch sind sie damit ihrer Favoritenrolle gerecht geworden? | |
Fußballerinnen fordern Gleichstellung: Nicht mit mir! | |
Die Fifa veranstaltet ihr Prestige-Turnier und die Beste bleibt zu Hause: | |
Weltfußballerin Ada Hegerberg boykottiert die WM. | |
DIW-Expertin Holst in Rente: Ohne Zahlen geht die Elke nicht | |
Die Forschungsdirektorin für Gender Studies beim DIW ist sachlich, | |
rhetorisch stark und eine Faktenfetischistin. Jetzt hört sie auf. | |
Gehaltsunterschiede und „Equal Pay Day“: Frauen verdienen mehr | |
Der Equal Pay Day markiert den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten. | |
Frauen bekommen im Schnitt 21 Prozent weniger Lohn als Männer. |