# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Weißrussland: Kandidatin aus dem Nichts | |
> Swetlana Tichanowskaja will bei der Präsidentschaftswahl antreten. Zuvor | |
> stoppte Machthaber Lukaschenko die Kandidatur ihres Mannes. | |
Bild: Hat ihre Kinder zur Sicherheit bereits ins Ausland geschafft: Swetlana Ti… | |
BERLIN taz | Wer dem belarussischen autokratischen Langzeitherrscher | |
[1][Alexander Lukaschenko] die Stirn bietet und noch dazu eine Frau ist, | |
lebt besonders gefährlich. Das bekommt jetzt auch Swetlana Tichanowskaja zu | |
spüren. Die 37-Jährige tritt bei der Präsidentschaftswahl am 9. August | |
gegen [2][Lukaschenko] an. | |
Vorsichtshalber hat sie diese Woche erst einmal ihre beiden Kinder, die | |
vier und zehn Jahre alt sind, mit deren Großmutter in ein sicheres EU-Land | |
geschickt. Zuvor war sie anonym mehrfach davor gewarnt worden, was mit | |
ihrer Familie so alles passieren könne, sollte sie ihre Kandidatur nicht | |
zurückziehen. | |
Solche unverhohlenen Drohungen sind in Belarus durchaus ernst zu nehmen. | |
Dass Oppositionelle reihenweise ins Gefängnis wandern, ist unter | |
Lukaschenko ohnehin an der Tagesordnung. In der Vergangenheit wurde | |
Regimekritiker*innen, die sich allzu lautstark bemerkbar machten, als | |
zusätzliche Disziplinarmaßnahme gern auch mal der Nachwuchs weggenommen und | |
in ein staatliches Waisenhaus gesteckt. | |
Noch bis vor Kurzem war Swetlana Tichanowskaja jeglicher politischer | |
Ambitionen unverdächtig. 1982 im Dorf Mikaschevischy im Brester Gebiet | |
geboren, studierte sie Pädagogik mit dem Schwerpunkt Englisch und Deutsch. | |
Danach arbeitete sie als Übersetzerin für verschiedene Organisationen – | |
unter anderem für Chernobyl Life Line mit Sitz in Irland. | |
Präsidentschaftskandidatin aus dem Nichts | |
Am 15. Mai dieses Jahres wurde Tichanowskaja aufgrund besonderer Umstände | |
quasi aus dem Nichts auf die politische Bühne katapultiert: An diesem Tag | |
stoppte die Zentrale Wahlkommission die Ambitionen ihres Mannes Sergei. | |
Eigentlich hatte der regimekritische Blogger bei der Präsidentschaftswahl | |
Lukaschenko herausfordern wollen. Doch die Kommission lehnte die | |
Registrierung seiner Unterstützer*innengruppe ab. Derartige Teams müssen | |
mindestens 100.000 Unterschriften sammeln, damit ein Kandidat | |
beziehungsweise eine Kandidatin bei der Abstimmung zugelassen wird. | |
Tichanowskaja trat die Flucht nach vorne an und reichte kurzerhand | |
Dokumente für ein eigenes Team ein. Dessen Leitung übernahm ihr Mann. Der | |
sitzt mittlerweile jedoch in Haft – genau wie zwei weitere | |
Oppositionskandidaten. Dafür wächst offensichtlich der Zuspruch für | |
Tichanowskaja. In Minsk und anderen Städten bildeten sich an den Tischen | |
der Wahlhelfer*innen lange Schlagen, um für sie zu unterschreiben. In der | |
vergangenen Woche wurde sie offiziell als Kandidatin registriert. | |
In einem Interview mit dem Ersten Kanal des belarussischen Rundfunks vor | |
wenigen Tagen fand Tichanowskaja wenig schmeichelhafte Worte für | |
Lukaschenko. Sie fragte, ob der denn allen Ernstes glaube, Menschen dazu | |
zwingen zu können, ihn zu lieben, [3][wenn er sie verprügeln, bestrafen und | |
ins Gefängnis werfen lasse.] | |
Zu ihren programmatischen Forderungen gehören die Freilassung von | |
politischen Gefangenen sowie die Abhaltung erneuter Wahlen unter freien und | |
fairen Bedingungen. Es ist nicht vorstellbar, dass Lukaschenko das zulassen | |
wird. | |
23 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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