# taz.de -- Weltkriegsgedenken in Weißrussland: Wie ein Festmahl zu Pestzeiten | |
> Corona sei nur eine Psychose, gegen die Wodka helfe, sagt Präsident | |
> Lukaschenko. Die Parade zum Kriegsende findet deshalb wie geplant statt. | |
Bild: Militärs üben in Minsk für die Feierlichkeiten am 9. Mai | |
BERLIN taz | Alexander Lukaschenko will es wieder einmal wissen: Allen | |
Widrigkeiten, wie zum Beispiel der Corona-Pandemie zum Trotz, ist | |
Weißrusslands autokratischer Dauerherrscher auch an diesem 9. Mai, dem Tag | |
des Sieges der Roten Armee im „Großen Vaterländischen Krieg“ vor 75 Jahre… | |
entschlossen zu feiern. Schon seit Tagen üben Militäreinheiten in der | |
Hauptstadt Minsk und jenseits der Stadtgrenzen für ihren großen Auftritt. | |
Zwar ist noch nicht klar, wie viele BesucherInnen zugelassen werden. Zudem | |
wurde Veteranen nahegelegt, doch lieber zu Hause zu bleiben. Gleichzeitig | |
berichtet die Nichtregierungsorganisation „[1][Nasch Dom]“ (Unser Haus) | |
jedoch, dass die Staatsmacht potenzielle Gäste dazu aufgefordert habe, ohne | |
Schutzmasken zu erscheinen. | |
„Wir können die Parade nicht absagen“, teilte Lukaschenko am vergangenen | |
Wochenende vor Regierungsvertretern mit. Er habe lange überlegt. Aber diese | |
Sache sei zu emotional und zutiefst ideologisch. | |
Weniger Gedanken verschwendet Lukaschenko offensichtlich [2][an das | |
tödliche Virus]. Corona sei eine Psychose, verkündet er und empfiehlt | |
Wodka, Saunagänge sowie Feldarbeit als [3][wirksame Gegenmittel]. In den | |
Fußballstadien wird vor Publikum gekickt wie eh und je, auch das normale | |
Alltagsleben läuft wie immer. Es sei besser aufrecht zu sterben, als auf | |
Knien zu leben, sagte Lukaschenko zur Begründung, warum in Weißrussland | |
Restaurants, Geschäfte und Fabriken die ganze Zeit über offen sind. | |
## Zweifelhafte Zahlen | |
Der Trotz Lukaschenkos, den Festakt durchzuziehen, stößt auch in der | |
heimischen Bevölkerung auf Kritik. Offiziellen Angaben zufolge sind bislang | |
19.000 Infektionsfälle in dem Zehn-Millionen-Einwohnerstaat registriert, | |
112 Menschen sollen in Zusammenhang mit Corona gestorben sein. Doch | |
Beobachter und Experten zweifeln diese Zahlen an. | |
Unter dem Hashtag #STOPParade hat Nasch Dom einen Aufruf im Internet | |
veröffentlicht. Angesichts von Covid-19 müsse die Sorge um Sicherheit und | |
Unversehrtheit der Menschen für den Staat Priorität haben. Nur die | |
Erinnerung daran, dass jedes menschliche Leben von unschätzbarem Wert sei | |
und Maßnahmen, die neue Opfer der Pandemie verhinderten, machten es | |
möglich, das Gedenken an den Krieg zu bewahren, heißt es darin. „Die | |
Abhaltung der Parade ist jedoch wie ein Festmahl in Zeiten der Pest“, sagt | |
Olga Karatsch, Leiterin von Nasch Dom. | |
Auch in Moskau, das die Feierlichkeiten abgesagt hat, dürfte sich | |
Lukaschenko mit dem Aufmarsch keine Freunde machen. Ohnehin steht es mit | |
den beiderseitigen Beziehungen nicht zum besten. Seit 1996 existiert eine | |
weißrussische-russische Union, die zu einem gemeinsamen Staatsgebilde | |
führen soll. | |
Doch bislang ist es bei großspurigen Ankündigungen geblieben. Seit Monaten | |
bemüht sich Moskau dieser Totgeburt neues Leben einzuhauchen. Die | |
Unterzeichnung eines entsprechenden Dokuments scheiterte im vergangenen | |
Dezember erneut an Lukaschenko. | |
## Druck aus Moskau | |
Seitdem versucht Moskau auf Weißrussland, das in weiten Teilen | |
wirtschaftlich vom Nachbarn abhängig ist, Druck auszuüben. So wurden | |
Subventionen gekürzt und Öllieferungen zu Vorzugspreisen zurückgefahren. | |
Die Folgen sind spürbar. Laut Angaben des unabhängigen Minsker Instituts | |
für Wirtschaftsforschung hat der weißrussische Rubel 20 Prozent an Wert | |
verloren. Zwar lag die offizielle Arbeitslosenquote vor Corona „nur“ bei | |
4,1 Prozent. Doch bei einer Umfrage des Instituts von Mitte April gab mehr | |
als die Hälfte der Befragten an, dass ihr Einkommen gesunken sei. | |
Für weitere Verstimmungen in den bilateralen Beziehungen sorgte dieser Tage | |
die Entscheidung in Minsk, zwei russischen Journalisten ihre Akkreditierung | |
zu entziehen. Diese hätten in einem Bericht über das Coronavirus in | |
Weißrussland angeblich falsche Informationen verbreitet. | |
Wie um die ganze Situation noch anzuheizen, lud Lukaschenko Mitte dieser | |
Woche die Staatschefs der anderen ehemaligen Sowjetrepubliken an, an der | |
Parade in Minsk teilzunehmen. „Die Parade wird vorübergehen, wir alle | |
werden das überleben und die Welle wird abebben“, sagte Lukaschenko. „Alles | |
wird so sein wie immer.“ | |
9 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://nash-dom.info/60424 | |
[2] /Weissrusslands-Umgang-mit-Corona/!5674822 | |
[3] /Corona-in-der-Ex-Sowjetunion/!5672999 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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