# taz.de -- Petition von Wagenknecht und Schwarzer: Zwei wie Pech und Schwefel | |
> Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer bilden eine überraschende Allianz. | |
> Sie fordern Verhandlungen im Ukraine-Krieg. Ihr Plan ist erwartbar | |
> schräg. | |
Bild: Friedlich vereint: Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer | |
BERLIN taz | Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben zusammen eine | |
[1][Petition mit dem Titel „Manifest für Frieden“] gestartet und für den | |
25. Februar – auf den Tag fast genau ein Jahr [2][nach Russlands Angriff | |
auf die Ukraine] – zu einer Demonstration am Brandenburger Tor aufgerufen. | |
Bereits Mittwochnacht hatte Wagenknecht im Polit-Talk [3][bei Sandra | |
Maischberger] appelliert, es brauche jetzt neue Friedensinitiativen, um | |
Russland an den Verhandlungstisch zu bringen. | |
Unerwartet ist diese Allianz zwischen Links-Solistin Wagenknecht und | |
Alt-Aktivistin Schwarzer schon. Doch auf den zweiten Blick ergibt sie Sinn. | |
Beide gehörten in den letzten Monaten zu den prominentesten Stimmen in der | |
deutschen Öffentlichkeit, [4][die sich gegen Waffenlieferungen und für | |
Verhandlungen mit Putin] positioniert haben. | |
Für ihre Petition haben sie zudem eine wilde Mischung prominenter | |
Erstunterzeichner hinter sich versammelt. Unter ihnen finden sich Satiriker | |
und EU-Parlamentsmitglied Martin Sonneborn, [5][Zeitungsverleger Holger | |
Friedrich], Theologin Margot Käßmann und Publizist und [6][Politiker Jürgen | |
Todenhöfer]. | |
In ihrem Petitionstext auf change.org weisen beide zwar – gerade für | |
Wagenknecht'sche Verhältnisse – überraschend deutlich darauf hin, dass | |
Russland die ukrainische Bevölkerung „brutal überfallen“ hat und dass die | |
Menschen dort Solidarität brauchen. Auch warnen sie vor der Gefahr eines | |
maximalen Gegenschlags Putins. | |
## Was bedeutet Frieden? | |
Doch es bleibt weiterhin die suggerierte Ähnlichkeit Russlands und der | |
Ukraine. Schon in der Maischberger-Sendung sagte Wagenknecht, es kämpfe | |
„der russische Oligarchen-Kapitalismus gegen den ukrainischen | |
Oligarchen-Kapitalismus.“ Im Petitionstext wird nun nebulös formuliert, es | |
sei Selenskis Ziel, Russland „auf ganzer Linie zu besiegen“. Meinen sie | |
damit lediglich eine komplette Zurückeroberung ukrainischer Gebiete? Es | |
mutet eher so an, als wäre die Formulierung extra undeutlich gewählt, um | |
auch die Interpretation zuzulassen, der ukrainische Präsident wolle | |
Russland erobern, „auf ganzer Linie“ eben. | |
Das ist stellvertretend für das Grundproblem, das so vielen | |
Friedensforderungen in der öffentlichen Debatte der letzten Monate | |
innewohnt. Die explizite Forderung nach Verhandlungen kann niemals | |
verwerflich sein. Doch sind es vor allem die Zwischentöne, die sich | |
implizit in den Ausführungen Wagenknechts, Schwarzers und anderer | |
Gleichgesinnter verstecken und Haltungen transportieren, die kontrafaktisch | |
und ideologisch anmuten. | |
Sogar wenn man diese Zwischentöne nicht wahrnimmt und sich auf Sachebene | |
mit den formulierten Zielen auseinandersetzt, bleiben altbewährte | |
Widersprüche in Wagenknechts und Schwarzers Logik offen. Wie kann man sich | |
in Verhandlungen auf Putin verlassen, nachdem er jahrelang immer wieder | |
gelogen und Abmachungen gebrochen hat? Inwiefern kann man „Schaden vom | |
Volke wenden“, wenn man Kriegstreiber Putin mit Appeasement-Politik stärkt? | |
Ein Frieden im Sinne eines Einfrierens der Frontlinien, wie es Wagenknecht | |
so häufig gefordert hat, würde wohl lediglich Russland stärken und wie | |
schon in Verhandlungen nach der Krim-Annexion 2014 weitere Konflikte in die | |
Zukunft verlagern. | |
10 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.change.org/p/manifest-f%C3%BCr-frieden | |
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[3] https://www.ardmediathek.de/video/maischberger/gerhart-baum-und-sahra-wagen… | |
[4] /Warnung-vor-weiterer-Kriegseskalation/!5851654 | |
[5] /Redaktionen-der-Berliner-Zeitung/!5833599 | |
[6] /Parteigruender-Juergen-Todenhoefer/!5798118 | |
## AUTOREN | |
Dariusch Rimkus | |
Tanja Tricarico | |
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