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# taz.de -- Jahrestag des russischen Angriffskriegs: Das ist keine Solidarität
> Eine Friedensbewegung, die ukrainische Stimmen ausblendet, ist nicht viel
> wert. Besser wäre es, Genoss:innen vor Ort ernstzunehmen.
Bild: Vielleicht sollte man erst die Ukrainer:innen fragen, welchen Frieden sie…
Am Freitag wird es genau ein Jahr her sein, seitdem Putin mit seinen
ausgewachsenen Angriffskrieg begann, der ein unvorstellbares Maß an Tod und
Zerstörung über die Ukraine brachte. Doch auch ein Jahr nach Beginn des
Krieges haben viele Linke in Deutschland immer noch Schwierigkeiten, sich
[1][gegenüber Russlands Aggression] zu positionieren. Angesichts des
festgefahrenen Stellungskriegs, der täglich hunderte Tote auf beiden Seiten
fordert, wachsen Zweifel, ob die immer größer werdenden Waffenpakete den
Krieg nicht nur unnötig in die Länge ziehen.
Dementsprechend klingen die Forderungen nach Verhandlungen und einem Ende
der Waffenlieferung, wie sie Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer in ihrem
[2][„Manifest des Friedens“] stellen zunächst einmal verständlich.
Kritisieren sollte man Schwarzer und Wagenknecht nicht, weil sie Frieden
durch Verhandlungen wollen, so realistisch oder unrealistisch das auch sein
mag, sondern weil sie einen anderen kapitalen Fehler begehen: Sie blenden
die ukrainische Stimmen, die die am meisten unter dem Krieg leiden,
komplett aus.
Gerade in geopolitisch unübersichtlichen Situation hilft es, einfach mit
den Genoss:innen vor Ort zu sprechen und auf ihre Einschätzung der Lage
zu vertrauen: „Viele Linke in Westeuropa scheitern daran, eine klare
Position gegen den Aggressor Russland einzunehmen und Solidarität mit den
Menschen in der Ukraine zu zeigen. Forderungen nach einem Stopp der
Waffenlieferungen oder dass,beide Seiten ihre Waffen niederlegen' sollen
sind eine grobe Fehleinschätzung der Umstände des russischen
Angriffskriegs“, heißt es in dem [3][Aufruf des antiimperialistischen und
antikapitalistischen Blocks] der „Full-Scale Freedom“ Solidaritätsdemo des
ukrainischen Diaspora-Vereins [4][Vitsche], die anlässlich des Jahrestages
stattfinden wird.
Gerade [5][linke Aktivist:innen], ethnische Minderheiten und LGBTQI
hätten unter russischer Besatzung alles zu verlieren und seien deshalb
aktiver Teil des Widerstands, den es zu unterstützen gilt, so die
Initiator:innen (Freitag, 24. Februar, 16 Uhr, Karl-Marx-Allee 34).
## Imperialistische Flashbacks
Es ist wenig überraschend, dass es in Wagenknecht und Schwarzers Manifest
in erster Linie um die Sorge der deutschen Bevölkerung über einen möglichen
Atomkrieg geht und wie man diese Gefahr mit territorialen Zugeständnissen
über die Interessen der Ukrainier:innen hinweg abwenden kann. Eine
Friedensbewegung, die ernst genommen werden will, muss mit der ukrainischen
Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.
Russlands imperialistische Ambitionen wecken Erinnerungen an das 19.
Jahrhundert, in dem es für die europäischen Nationalstaaten
selbstverständlich war, sich fremde Territorien durch militärische Gewalt
anzueignen. Einen Höhepunkt dieser Machtspiele stellt die Kongokonferenz
von 1885 in Berlin dar, bei der die Grundlage für die Aufteilung Afrikas
durch die europäischen Kolonialmächte gelegt worden ist. Die koloniale
Unterwerfung des Kontinents war geprägt von Sklavenhandel, Unterdrückung
und Genozid und forderte zahllose Opfer – auch Deutschland war maßgeblich
am kolonialen Projekt beteiligt.
[6][Trotz der unvorstellbaren Gewalt] mit der das Kaiserreich seine Gebiete
beherrschte, findet diese Epoche kaum Beachtung in der deutschen
Erinnerungskultur. Das Komitee für ein Afrikanisches Denkmal in Berlin
(KADIB) ruft deshalb jährlich zum Jahrestag des Endes der Kongokonferenz zu
einem Gedenkmarsch für die [7][Held:innen und Opfer der Mafaa] auf. Der
Begriff kommt aus dem Kiswaheli und bedeutet “Die große Zerstörung“ und
bezeichnet die mehrere Jahrhunderte andauernde Gewaltherrschaft (Samstag,
25. Februar, 11 Uhr, Wilhelmstraße 92).
Während die direkte Kolonialherrschaft in den meisten Ländern Geschichte
ist, dauert die wirtschaftliche Ausbeutung weiterhin an. Ein zentrales
Instrument dafür sind Schulden. Unter der erdrückenden Schuldenlast sind
viele afrikanische Staaten kaum handlungsfähig, während die Schuldner im
globalen Norden sich die Rohstoffvorkommen des Kontinents im Austausch
gegen weitere Kredite sichern. Dabei erfordert die Klimakrise nicht nur den
Schutz der letzten intakten Ökosysteme, sondern auch einen fossilfreien
Umbau der Wirtschaften der Länder des globalen Südens. Beides wäre durch
einen radikalen Schuldenschnitt zu erreichen, fordert die Kampagne [8][Debt
for Climate].
Am Montag findet ein [9][Aktionstag der Kampagne] in Berlin statt, der mit
einer Kundgebung vor dem Bundesfinanzministerium beginnt (Montag, 27.
Februar, 11 – 13 Uhr, Leipziger Straße 124). Informativ wird es dann noch
einmal am Abend bei der Paneldiskussion „Schuldenstreichung – 1953 für
Deutschland möglich, heute für den Globalen Süden nicht?!“. (Montag, 27.
Februar, 19 Uhr, Mehringhof, Gneisenaustraße 2A).
21 Feb 2023
## LINKS
[1] /Die-deutsche-Linke-und-Russland/!5913842
[2] /Die-deutsche-Linke-und-Russland/!5913842
[3] https://www.facebook.com/event_invite/6Cp2eodku
[4] https://vitsche.org/
[5] /Anarchistinnen-in-der-Ukraine/!5860889
[6] /Kolonialverbrechen-an-Herero-und-Nama/!5775474
[7] https://decolonize-berlin.de/de/veranstaltung/17-gedenkmarsch-zu-ehren-der-…
[8] https://debtforclimate.org/
[9] https://stressfaktor.squat.net/node/274681
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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