# taz.de -- Zukunft der Linkspartei: Trennt euch! | |
> Die Linkspartei hat lange einen inneren Pluralismus kultiviert. Doch | |
> jetzt sind die Widersprüche so groß geworden, dass eine Spaltung | |
> unabwendbar ist. | |
Bild: Will schon lange eine andere Partei: Sahra Wagenknecht | |
Die politische Linke hat in Deutschland 1933 eine traumatische Erfahrung | |
mit Spaltung und innerer Feindschaft gemacht. Der erbitterte Kampf zwischen | |
KPD und SPD verhinderte die Aktion gegen Hitler. Auch die zu Recht | |
vergessenen linksradikalen Splitterparteien, die nach 1968 aus dem Boden | |
sprossen, waren ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin Abgrenzung und | |
Rechthaberei führen. | |
Die Linkspartei hatte hingegen Erfolg, weil sie verband, was nicht | |
unbedingt zusammengehörte: Alt-SEDler und Westgewerkschafter, marxistische | |
Fundis und pragmatische Reformisten, Feministinnen und Chauvis. Die | |
Linkspartei hat lange einen libertären inneren Pluralismus kultiviert, der | |
für den östlichen Teil Ergebnis eines postdiktatorischen Lernprozesses war: | |
Nie wieder top down und Politbüro-Attitüden. Nie wieder Parteiausschlüsse. | |
Ziemlich lange hat das funktioniert, jetzt ist es vorbei. Der | |
Wagenknecht-Flügel hat nicht bloß in einzelnen Fragen – Migration und | |
Corona, Russland und Identitätspolitik – andere Auffassungen. Das ließe | |
sich, auch wenn es das Publikum verstört, mit Geduld und Toleranz | |
aussitzen. | |
Doch Wagenknecht will – und zwar von Jahr zu Jahr deutlicher – eine andere | |
Partei, die rechte und linke Versatzstücke zu einem aggressiven Populismus | |
verbindet. Dazu gehören antiliberale Affekte, Skepsis gegenüber der EU, | |
klimapolitische Ignoranz und eine klägliche Beschwichtigungspolitik | |
gegenüber Putin. Würde Deutschland wieder Gas aus Russland beziehen und die | |
Sanktionen beenden – so wie es die AfD und Wagenknecht wollen –, wäre | |
Berlin in Europa auf Jahre hin isoliert. | |
## Wagenknecht zwingt Linke zur Trennung | |
Wagenknecht steht somit nicht für eine etwas schräge Variante linker | |
Politik – sondern für puren Populismus. Mit emanzipatorischer Politik hat | |
das ebenso wenig zu tun wie mit der pragmatischen Realpolitik der | |
Regierungs-Linken in Berlin und Bremen, Thüringen und | |
Mecklenburg-Vorpommern. | |
Nun sind Trennungen, mit all den Vorwürfen und Zerwürfnissen, nie schön | |
anzusehen. Aber unsentimental betrachtet, führt für die Linkspartei kein | |
Weg daran vorbei. Natürlich kann es sein, dass dabei am Ende zwei | |
bedeutungslose Drei-Prozent-Parteien herauskommen (die sich auch noch | |
spinnefeind sind). Das ist möglich – und angesichts der matten | |
Glanzlosigkeit der [1][Linkspartei] und Wagenknechts überschaubarer | |
Fähigkeit, Organisationen zu managen, eher wahrscheinlich. | |
Sicher aber ist etwas anderes: Eine Partei, die sich selbst hasst, die bei | |
zentralen politischen Fragen verlässlich zwei widersprüchliche Botschaften | |
sendet, braucht niemand. Die Spaltung garantiert keine Rettung. Aber die | |
aus Risikoscheu auf Dauer gestellte Agonie führt in die | |
Bedeutungslosigkeit. Mit Sicherheit. | |
13 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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