# taz.de -- Peruanischer Bergführer verklagt RWE: Per Gericht gegen Klimawandel | |
> Saúl Luciano Lliuya greift den Stromkonzern RWE an: Zum ersten Mal will | |
> ein Opfer der Erderwärmung die Verursacher zum Klimaschutz zwingen. | |
Bild: Sieht schön aus, kann aber gefährlich werden: Gletschersee bei Huaraz | |
BERLIN taz | Mit einer bislang beispiellosen Aktion wehrt sich ein Opfer | |
des Klimawandels gegen die fossile Industrie am anderen Ende der Welt: Am | |
Montag hat der peruanische Bergführer Saúl Luciano Lliuya über seine | |
deutsche Anwältin den Essener Energieversorger RWE aufgefordert, | |
Schutzmaßnahmen gegen die Gletscherschmelze in den Anden zu finanzieren, | |
die sein Haus bedroht. Wenn RWE nicht zahlt, will der Peruaner Klage | |
einreichen. | |
Nach Angaben seiner Unterstützer von der Entwicklungsorganisation | |
Germanwatch lebt Lliuya mit seiner Familie in der Stadt Huaraz in den | |
Anden. Oberhalb des Orts mit 55.000 Einwohnern haben in den vergangenen | |
Jahren die schmelzenden Eismassen einen Gletschersee so weit anschwellen | |
lassen, dass beim Durchbruch der Wassermassen eine Katastrophe droht – wie | |
sie bereits 1941 passiert ist. Seit 2003 ist der See auf das Vierfache | |
gewachsen, und das Notfallsystem funktioniert nach Angaben von Germanwatch | |
nur mangelhaft. | |
Um hier die Flutwelle zu verhindern, will der peruanische Antragsteller | |
eine juristische Lawine lostreten. Denn für die Gletscherschmelze ist dem | |
UN-Klimarat IPCC zufolge die Erderwärmung durch den Ausstoß des | |
Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. Und der Anteil von RWE daran, | |
so argumentiert Lliuyas Hamburger Anwältin Roda Verheyen, betrage etwa 0,5 | |
Prozent. Deshalb solle RWE auch 0,5 Prozent der Schutzmaßnahmen am | |
Gletschersee bezahlen. | |
Für RWE wären das nur etwa 20.000 Euro. Aber der juristische und politische | |
Preis wäre immens, wenn sich der Peruaner durchsetzt. Denn bislang sind | |
alle Versuche gescheitert, die Schäden des Klimawandels vor Gerichten | |
einzuklagen. | |
## Juristisches Neuland | |
Lliuyas Anwältin Verheyen, eine Spezialistin auf diesem Gebiet, gründet die | |
Ansprüche auf Regelungen im deutschen und peruanischen Zivilrecht, die das | |
Eigentum schützen. „Uns ist klar, dass wir juristisch Neuland betreten“, so | |
Verheyen zur taz, „aber mein Mandant kann nicht warten, bis ein Schaden | |
eintritt.“ RWE wollte das Schreiben nicht kommentieren. Der Anspruch müsse | |
erst geprüft werden, hieß es. | |
Für Christoph Bals von Germanwatch ist das „keine Schauklage. Wir wollen | |
Lliuya zu seinem Recht verhelfen.“ Wirkungsvoller als eine Flut von | |
Einzelklagen sei aber „die politische Wirkung eines solchen gewonnenen | |
Verfahrens, das den Druck auf die Politik erhöht.“ | |
Mit Lliuyas Verfahren greift zum ersten Mal ein privater Kläger in die | |
Klimadebatte ein. Bislang sind alle Versuche gescheitert, Klimaschutz vor | |
Gericht zu erreichen. So hat der Inselstaat Tuvalu 2002 angekündigt, die | |
USA und Australien zu verklagen, aber nie die Gerichte angerufen. Eine | |
ähnliche Klage gegen den Ölkonzern Exxon wurde in den USA abgewiesen, und | |
auch Mikronesien war erfolglos beim Versuch, ein Kohlekraftwerk in | |
Tschechien zu verhindern. Ebenso erfolglos hat der Inselstaat Palau 2011 | |
den Internationalen Gerichtshof mit der Frage beschäftigt, ob Staaten zum | |
Klimaschutz verurteilt werden könnten. | |
16 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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