# taz.de -- Tuvalus Außenminister über Klimawandel: „Wer Tuvalu rettet, ret… | |
> Taukelina Finikaso, Außenminister des Inselstaats Tuvalu, sieht sein Land | |
> vor dem Untergang. Er fordert ein Erderwärmungslimit von 1,5 Grad. | |
Bild: Bei einer Überflutung im Januar 2014 stand Tuvalus Hauptstadt Funafuti u… | |
taz: Herr Finikaso, was bedeutet der Klimawandel für Sie und den Alltag der | |
Menschen in Ihrem Land? | |
Taukelina Finikaso: Klimawandel spielt für uns eine sehr große Rolle. Vor | |
allem für diejenigen, die auf Korallen-Atollen leben. Die sind nur 4 Meter | |
höher als der Meeresspiegel. Das besorgt mich sehr, denn jede kleine | |
Veränderung hat große Auswirkungen auf unsere Inseln. Das Meer überspült | |
unsere Inseln und das Salzwasser zerstört unsere Ernten. Der Klimawandel | |
nimmt uns die Sicherheit Essen zu haben, er nimmt uns unsere Heimat. Für | |
die kleinen Inselstaaten und besonders für solche kleinen Atolle wie Tuvalu | |
sind die Verhandlungen hier eine Überlebensfrage. | |
Wie groß sind die Inseln in Tuvalu? | |
Korallenatolle sind nur sehr dünne Landlinien. In Tuvalu ist die breiteste | |
Insel vielleicht einen Kilometer breit. Es gibt schlicht nicht viel Land | |
und das meiste ist Sand. | |
Wie erleben sie den Klimawandel persönlich? | |
Anfang des Jahres habe ich erlebt, wie der Tropensturm Pam Tuvalu getroffen | |
hat. Das war sehr alarmierend, weil wir gar nicht im Zentrum des Sturms | |
lagen, sondern nur am Rand und die Schäden bereits so schlimm waren. | |
Wie viele Menschen in Ihrem Land sind vom Klimawandel betroffen? | |
Ich denke alle. Die ganze Bevölkerung von Tuvalu ist vom Klimawandel | |
betroffen. | |
Hatten Sie oder ihr Premierminister Gelegenheit mit BarackObama und Xi | |
Jinping zu sprechen und ihm ihre Lage zu schildern am ersten Tag der | |
Klimakonferenz? | |
Die Pazifischen Inselstaaten hatten ein Treffen mit Herrn Obama, aber nur | |
drei Staatschefs von uns. Die Gespräche und Reden am ersten Tag waren sehr | |
ermutigend. Aber wir müssen auch diese Rhetorik in Handlungen umwandeln. | |
Was sind für Sie in Paris die wichtigsten Verhandlungspunkte? | |
Wir kämpfen sehr hart für ein 1,5-Grad-Ziel. Wir wollen einen Absatz für | |
Schadensersatz im Abkommen und wir wollen, dass das Pariser Abkommen ein | |
bindendes wird. Wir möchten sicherstellen, dass die Länder von ihren | |
Klimaschutz-Zielen nicht zurückrudern können. Wenn wir alle nationalen | |
Klimaschutzpläne, diese INDCs, zusammentragen, kommen wir immer noch auf | |
eine Erwärmung von etwa 2,7 Grad. Das ist nicht genug. Wenn wir in die | |
Berichte des Weltklimarates sehen, wissen wir, dass es uns bei 2,7 Grad | |
nicht mehr geben wird. Wir, Tuvalu, werden verschwinden. Der Kampf, den wir | |
hier führen ist ein Kampf dafür, dass unser Land überlebt. | |
Einige kritisieren, dass ein 1,5 Grad Ziel nicht realistisch ist. | |
Wir halten uns da an die Wissenschaft des Weltklimarates. Alles andere als | |
1,5 Grad bedeutet, dass unsere Inseln nicht überleben. Für uns gibt es | |
keine andere Lösung, keine andere Option. Wir müssten dann woanders | |
hingehen. Das wollen wir nicht. | |
Nach dem Sturm Pam sind wir über unsere Inseln gegangen und die Reaktionen, | |
die wir überall erhalten haben war: „Wir wollen nicht umsiedeln.“ Die | |
Menschen wollen da bleiben, wo sie geboren und aufgezogen wurden. Deshalb | |
ist es unsere Pflicht, dass ich als Politiker den Bedürfnissen meines | |
Landes gerecht werde. Als eine verantwortungsvolle Regierung müssen wir so | |
handeln. Dafür müssen wir mit anderen Staaten in derselben Lage | |
zusammenarbeiten. Wir brauchen aber auch die Unterstützung größerer Länder. | |
In Tuvalu haben wir das Sprichwort: „Wenn Ihr Tuvalu rettet, rettet ihr die | |
Welt.“ | |
Leistet Tuvalu auch seinen Beitrag zum Klimaschutz? | |
Ja, wir haben auch einen INDC erstellt. Aber ich möchte auch betonen, dass | |
unser Beitrag zum Klimawandel bei 0,00005 Prozent liegt. Unser Ziel ist 100 | |
Prozent erneuerbare Energien bis 2020. Es ist sehr schwer, Tuvalu mit | |
anderen Ländern wie Deutschland zu vergleichen. Wir sind kein großes | |
Industrieland. | |
Was erwarten Sie von den kommenden Verhandlungstagen? | |
Wir haben nicht mehr viel Zeit. Es ist Zeit, dass wir Entscheidungen | |
treffen. Als verwundbarste Länder brauchen wir wirklich Mechanismen, um uns | |
für Schäden durch den Klimawandel zu entschädigen und uns an ihn | |
anzupassen. Aber natürlich können wir uns nur so lange an den Klimawandel | |
anpassen, wie es das Land noch gibt, auf dem wir stehen. | |
Inwieweit können sie als kleiner Inselstaat überhaupt Einfluss nehmen auf | |
die Verhandlungen? | |
Wir sind zusammengeschlossen in der Gruppe der AOSIS, der Allianz der | |
kleinen Inselstaaten. Zusammen stoßen wir viele Diskussionen an, zum | |
Beispiel über den Schadensersatz. | |
Mussten Sie bereits Menschen umsiedeln? | |
Soweit mussten wir noch nicht gehen. Aber wir haben Menschen, die | |
freiwillig umziehen. Wir haben ein Abkommen mit Neuseeland, das jedes Jahr | |
eine bestimmte Menge an Menschen akzeptiert. Es gibt eine Menge Leute, die | |
freiwillig dort hinziehen. | |
Wie beteiligen Sie die Bevölkerung und Zivilgesellschaft an diesem Prozess? | |
Bei uns lernen Kinder schon in der Grundschule, was der Klimawandel ist. | |
Wir versuchen auch die Zivilgesellschaft und die Jugend einzubinden in die | |
Kampagnen, die wir starten. Wir trainieren die Leute darin, die Folgen des | |
Klimawandels zu erkennen. Wir geben auch Trainings, mit denen wir Menschen | |
auf Klima-Katastrophen vorbereiten. | |
Was treibt Sie an und was hindert Sie am aufgeben, wenn die Verhandlungen | |
langsam vorangehen? | |
Ich denke, es sind die Menschen in Tuvalu. Es ist unsere Identität. Wir | |
wollen auf unseren eigenen Inseln leben. Das treibt uns an. Ich will nicht, | |
dass unsere Identität mit unseren Inseln untergeht. | |
6 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Sieber | |
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