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# taz.de -- Organisation verliert Gemeinnützigkeit: Zu links fürs Finanzamt
> Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sieht ihre Existenz
> bedroht. Die Finanzbehörde streicht Steuervorteile und fordert
> Nachzahlungen.
Bild: Mit der Fahne des VVN-BdA vor dem ehemaligen Konzentrationslager Buchenwa…
Berlin taz | Das Finanzamt rückt einer der bekanntesten antifaschistischen
Organisationen auf die Pelle. Wie am Freitag bekannt wurde, ist der
„Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen
und Antifaschisten“ (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit entzogen worden. Der
Behörde ist die Vereinigung offenbar zu links.
In einem Schreiben vom 4. November 2019, das der taz vorliegt, argumentiert
das Finanzamt Körperschaften I des Landes Berlin, dass dem Verein die mit
der Gemeinnützigkeit verbundenen Steuervergünstigungen „nicht zuerkannt
werden“ könnten. Zur Begründung verweist das Amt auf den Bayrischen
Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2016. Darin werde „der Verein unter
Extremistische Organisationen und Gruppierungen – Linksextremismus
aufgeführt“, heißt es in dem Bescheid.
Gemeinnützige Vereine sind von vielen Steuerarten ganz oder teilweise
befreit. Die Gemeinnützigkeit ist auch Voraussetzung dafür, dass
Unterstützer ihre Spenden an eine solche Organisation von der Steuer
absetzen können.
Die Nachricht löste eine Welle der Empörung aus. Die Bundestagsabgeordnete
Żaklin Nastić (die Linke) schrieb, sie sei „entsetzt“ darüber, dass
„Engagement gegen Rechtsextremismus unmöglich gemacht“ werde. Michael
Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, sprach von einem
weiteren „Alarmsignal für die demokratische Zivilgesellschaft“.
Auch die Berliner Grünen kritisierten die Entscheidung. „Es ist absurd,
dass einem Verein in Berlin die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, nur weil
eine nachgeordnete bayrische Behörde die Gemeinnützigkeit in Frage stellt“,
erklärte Landesparteichef Werner Graf. Der Kampf gegen den Faschismus sei
ein Kampf für das Gemeinwohl und für unsere Demokratie.
## Von NS-Überlebenden gegründet
Die [1][VVN-BdA] wurde 1947 von Überlebenden der nationalsozialistischen
Konzentrationslager und Gefängnisse gegründet. Nach eigenen Angaben kämpft
man für eine „antifaschistische Kontinuität“, für eine „Welt ohne
Rassismus“ und gegen Neonazis und Antisemiten. Das soll nun nicht mehr
unter dem Label „Gemeinnützigkeit“ laufen.
Im Bayrischen Verfassungsschutzbericht tauchte die VVN-BdA als „größte
linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“
auf. Das diene „nicht nur dem Kampf gegen den Rechtsextremismus“. Vielmehr
würden „alle nicht-marxistischen Systeme“ und damit auch die
parlamentarische Demokratie von ihr als „potenziell faschistisch“
betrachtet.
Bei Körperschaften, die in Verfassungsschutzberichten des Bundes oder der
Länder auftauchen, darf laut Abgabenordnung die Gemeinnützigkeit
„widerlegbar“ bezweifelt werden. Mit anderen Worten: Die Beweislast, dass
es sich bei der VNN-BdA um keine linksextremistische Organisation handelt,
liegt bei der Vereinigung selbst.
„Wie soll man das beweisen?“, fragte Thomas Willms, Bundesgeschäftsführer
der VVN-BdA. Er zeigte sich „schockiert“ über die Entscheidung der Berliner
Behörde: „In einer Phase des aufkommenden Rechtsterrorismus und in der die
AfD das Geschichtsverständnis um 180 Grad drehen will, wird einem Verein
wie unserem das gespendete Geld wieder weggenommen.“
Das Finanzamt hat mittlerweile rückwirkend für die Jahre 2016 und 2017 eine
Nachzahlung gefordert. Seine Organisation solle einen Betrag „in
fünfstelliger Höhe“ zahlen, sagt Willms, das sei existenzgefährdend für d…
Verein.
Das Finanzamt selbst wollte sich gegenüber der taz nicht äußern. Die
zuständige Berliner Senatsfinanzverwaltung sagte gegenüber der Deutschen
Presse-Agentur dpa, sie dürfe zu Einzelfällen prinzipiell keine Angaben
machen.
## Finanzminister streicht Vergünstigungen
Der aktuelle Fall steht im Kontext eines von Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) forcierten Ansatzes, nachdem Vereinen immer dann die
Steuervergünstigungen gestrichen werden soll, wenn sie sich allzu sehr in
Tagespolitik einmischen. Nach einem Bericht des Spiegel plant der Minister
dafür eine Ergänzung der Abgabenordnung: Nur wer sich im Rahmen des eigenen
Vereinszwecks politisch äußert, soll weiterhin in den Genuss der
Steuervorteile kommen.
Zuletzt hatte das Berliner Finanzamt der Kampagnenplattform [2][„Campact“
die Gemeinnützigkeit entzogen.] Auch die linken NGO [3][Attac ist seit
einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs] im März nicht mehr gemeinnützig.
Bei der VVN-BdA sorgt man sich nun vor dem Steuerbescheid für das Jahr
2018, mit dem man im Laufe der nächsten Monate rechnet. „Die Granate
schlägt noch ein“, so Willms. Eine dann zu erwartende Nachzahlung könnte
noch teurer werden. Der Grund: Der Haushalt des Vereins sei in diesem Jahr
gewachsen.
23 Nov 2019
## LINKS
[1] https://vvn-bda.de/
[2] /Streit-um-Gemeinnuetzigkeit/!5633138
[3] /Campact-verliert-die-Gemeinnuetzigkeit/!5578542
## AUTOREN
Dorian Baganz
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
Antifaschismus
Gemeinnützigkeit
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