| # taz.de -- Männervereine und Gemeinnützigkeit: Weitgehend nutzlos | |
| > Reinen Männervereinen soll die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn es | |
| > nach Finanzminister Olaf Scholz geht. Gut so. | |
| Bild: Mannsbilder unter sich: Schützenverein zu Beginn der Wiesn in München | |
| Warum besteht unsere Gesellschaft immer noch so erstaunlich häufig auf | |
| Bereichen, zu denen Frauen keinen Zutritt haben? Klar, der katholische | |
| Klerus fällt einem für gewöhnlich als Erstes ein, aber auch im Kleinen wird | |
| immer wieder männlicher Rückzugsraum zelebriert, ob sich die Herren beim | |
| Fest mal „auf ’nen Schnaps“ zurückziehen, ob Onkel Harry mal „nur die | |
| Jungs“ zum Gokarten einlädt – oder wenn Vereine in ihrer Satzung Frauen | |
| ausschließen. | |
| Anlass, darüber nachzudenken, gibt die Absicht von Finanzminister [1][Olaf | |
| Scholz, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu reformieren], dass es keine | |
| Steuervorteile mehr für diejenigen Vereine gibt, die Frauen den Zutritt | |
| verwehren. Das hat der SPD-Politiker der Bild am Sonntag verraten. | |
| Gemeinnützigkeit ist ein fiskalischer Begriff, der bedeutet, dass | |
| kulturelle, künstlerische oder Bildungsvereine Steuervorteile erhalten, | |
| wenn sie zum Wohle der Allgemeinheit agieren. Einer der bekanntesten | |
| Vorteile der Gemeinnützigkeit ist, dass Spender*innen Zuwendungen an einen | |
| Verein steuerlich absetzen können. Nun will der Finanzminister also an die | |
| Männerbünde ran. Das ist kein revolutionärer Vorstoß, vielmehr wird eine | |
| Gesetzesgrundlage langsam nötig, weil zuletzt mehrfach Gerichte in | |
| Einzelfällen die Gemeinnützigkeit entzogen haben oder damit drohten. Das | |
| betraf 2017 schon eine Freimaurerloge und kürzlich entging dem knapp ein | |
| [2][Aachener Karnevalsverein]. | |
| Dabei ist der springende Punkt für die Gerichte konkret der „sachgrundlose“ | |
| Ausschluss von Frauen. Wer schlüssig begründen kann, warum sein Verein | |
| unbedingt männlich bleiben muss, hat noch eine Chance. | |
| Schauen wir also mal, welche Begründungen das sein könnten. | |
| ## Eigendynamik von „homosozialen Räumen“ | |
| Was zunächst in den Sinn kommt, ist Sport. Die meisten Sportarten werden | |
| binärgeschlechtlich aufgeteilt betrieben. Das ist hier aber irrelevant, | |
| weil die Gemeinnützigkeit nicht auf Teams innerhalb eines Vereins abzielt, | |
| sondern nur auf den Verein als Ganzes. Geschlechtertrennung nach innen | |
| heißt ja nicht, dass Frauen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Nur wer | |
| unbedingt einen rein männlichen Schützen-, Bowling- oder Ruderverein | |
| möchte, genießt dann eben keine Steuervorteile. Wohlgemerkt nur, wenn | |
| Frauen in der Satzung aktiv ausgeschlossen werden. Wenn sich einfach keine | |
| Frau findet, die mitmachen möchte, wäre das weiter kein Problem. | |
| Eine andere Sachbegründung wäre die biologistische. Selbsthilfegruppen für | |
| Männergesundheit könnten diese vorbringen, und wo sie auch immer mal wieder | |
| auftritt, ist im Zusammenhang mit Knabenchören. Nun ist die menschliche | |
| Biologie aber keine säuberlich zweigeteilte Veranstaltung. Was landläufig | |
| als männliches Organ, männliche Krankheit oder männliche Stimme gelten mag, | |
| kann auch Frauen betreffen. Wer einen Verein hat, wo sich Menschen mit | |
| Hodenkrebs austauschen, kann ganz einfach Menschen ohne Hodenkrebs | |
| ausschließen. | |
| Womit wir beim dritten möglichen Argument wären: Tradition. Männer unter | |
| sich weil – macht man halt so. Männer sollen doch auch mal unter sich sein | |
| können, und man muss ja nicht gleich immer! Nun ja. Hier wäre die | |
| Detailfrage Gemeinnützigkeit mal eine gute Gelegenheit darüber | |
| nachzudenken, was für einen Nutzen die Allgemeinheit von männerbündischen | |
| Räumen hat. Und ob man das fördern oder nicht viel lieber abbauen möchte. | |
| Die Soziologie spricht bei rein männlichen Institutionen von „homosozialen | |
| Räumen“ und schreibt ihnen eine gewisse Eigendynamik zu. Das gewaltvolle | |
| Geschlechterverhältnis wird in ihnen tendenziell verstärkt, eine toxische, | |
| eingeschränkte Männlichkeit zum Standard erhoben, unter der nicht nur | |
| Frauen leiden, sondern auch Männer. | |
| Während Frauenräume historisch dadurch entstehen, um sich gegen männliche | |
| Aggression und Dominanz zu schützen, befördert der männliche Rückzugsraum | |
| tendenziell Aggression und Dominanz. Zumindest aber stehen sie für die | |
| Weigerung, toxische Männlichkeit abzubauen – denn dafür wäre notwendig, | |
| alle Geschlechter ganz selbstverständlich und auch gleichberechtigt in alle | |
| Bereiche des Alltags einzubinden. Wer sich stattdessen lieber im Männerklub | |
| seiner Männlichkeit vergewissert, kann das tun. Zum steuerlich geförderten | |
| Kulturgut erklären muss man das jedoch nicht. | |
| 11 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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