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# taz.de -- Obdachlosigkeit im Winter: Mehr warme Plätze auch tagsüber
> Es reicht nicht, die Einrichtungen des Winternotprogramms nur nachts zu
> öffnen. Auch tagsüber brauchen Obdachlose Hilfe und Unterstützung.
Bild: Um 9.30 Uhr müssen alle draußen sein: Unterkunft für Obdachlose in Ham…
Hamburg taz | Die Temperaturen sinken, es weht ein eisiger Wind durch
Hamburgs Straßen. Glücklich, wer ein festes Dach über dem Kopf hat. In der
reichen Hansestadt gibt es immer mehr, die dieses Glück offensichtlich
nicht haben. Die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkommen und deshalb
nur als wohnungslos gelten.
Ich spreche von den Menschen, die nichts mehr haben, die obdachlos sind und
auf der Straße leben. Vermutlich sind deutlich mehr als die [1][offiziell
gezählten 2.000 Obdachlosen] in der Stadt unterwegs. Realistisch gesehen
könnten es doppelt so viele sein, ich rechne mit derzeit rund 4.000
Obdachlosen. Ihre Befindlichkeiten, ihre Bedarfe werden immer
unterschiedlicher: Ich sehe immer mehr junge Obdachlose und schwer vom
Crack gezeichnete Jungerwachsene.
Auch osteuropäische EU-Bürger nehmen lieber hier bei uns das Leben auf der
Straße auf sich, als ohne jede Perspektive weiter in ihrer Heimat zu
bleiben. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung, die auf ihre Problemlage
abgestimmt sind – das können nur gut ausgebildete
Straßensozialarbeiter:innen.
All diese Menschen mit sehr unterschiedlichen Problematiken werden in den
kommenden Monaten verzweifelt nach Plätzen im Warmen suchen. Nachts stehen
in den verschiedenen Anlaufstellen für Obdachlose in der Stadt 800 Betten
im Normalbetrieb zur Verfügung, hinzu kommen nochmal 400
Übernachtungsplätze in der Wärmestube, dem Pik As und dem Frauenzimmer. Das
ist schon eine ganze Menge, die Sozialbehörde hat da schon nachgelegt.
Aber: Parallel dazu sind mehr Menschen obdachlos geworden, insofern gibt es
immer noch zu wenig Übernachtungsplätze im Winternotprogramm.
Es ist gut, wenn Menschen nicht bei [2][Eis und Schnee auf der Straße
schlafen] müssen. Der richtige Stress beginnt für sie am Morgen, denn
tagsüber sind die Unterbringungsheime geschlossen. Das heißt dann also:
raus auf die Straße. Alle suchen ein warmes Plätzchen, vor allem rund um
den Hauptbahnhof. Meist können sie sich nur kurz aufwärmen, kein
Geschäftsinhaber in der Hamburger Innenstadt möchte tagsüber diese Menschen
vor der Tür stehen sehen. Deshalb ist es für mich glasklar: [3][Das
Winternotprogramm] muss tagsüber geöffnet bleiben! Und wir brauchen mehr
Tagesaufenthaltsplätze!
An dieser Stelle ist das Angebot der Stadt allerdings nicht besonders
üppig. Rund 500 Tagesaufenthaltsplätze gibt es derzeit, allerdings liegen
nicht alle in der Innenstadt, sondern auch in Harburg, Billstedt oder
Eimsbüttel. Der allergrößte Teil der Obdachlosen hält sich aber rund um den
Hamburger Hauptbahnhof auf. Er ist ihr Lebensmittelpunkt.
Dementsprechend muss es zwingend vor Ort mehr Tagesangebote geben. Aus
meiner Perspektive war zum Beispiel die Idee, die Konzertlocation
„Markthalle“ zum Tagesaufenthalt umzufunktionieren, in den vergangenen
beiden Jahren richtig hilfreich und ein wirklich sinnvolles Angebot für die
Betroffenen. Jetzt nach dem Ende von Corona wollen die Veranstalter
natürlich wieder die Räume für Konzerte nutzen, leider ist das Projekt
ausgelaufen.
Aber auch in der Hamburger Innenstadt herrscht aktuell großer Leerstand.
Das wird sich aller Voraussicht auch nicht so schnell ändern. Es müsste
also möglich sein, für einen gewissen Zeitraum über den Winter, Räume zu
finden, die als Tagesaufenthalte geeignet sind für Obdachlose.
Sie brauchen mehr Möglichkeiten, sich tagsüber stressfrei aufzuhalten,
aufzuwärmen und möglicherweise sogar ärztlich versorgen zulassen. Auch
diese Menschen haben bei all ihrem Elend das Recht auf ein wenig Würde und
Menschlichkeit. Wir dürfen diese Menschen nicht allein lassen. Sie brauchen
mehr warme Plätze tagsüber, und mehr Sozialarbeiter und Streetworker, die
gut ausgebildet sind.
5 Dec 2023
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## AUTOREN
Klaus Wicher
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