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# taz.de -- Neues Förderkonzept in Hamburg: Jedes Kind kann Mathe lernen
> Ein Fünftel aller Kinder versteht nach der Grundschule nicht genug Mathe,
> um ab Klasse 5 weiter mitzukommen. In Kleingruppen holen sie das nach.
Bild: Können ein sinnvolles Hilfsmittel beim Erlernen von Mathe-Grundlagen sei…
Hamburg taz | Eines von fünf [1][Grundschulkindern] kommt laut Hamburgs
Schulbehörde mit so großen Lücken in Mathematik an die weiterführende
Schule, dass erfolgreiches Weiterlernen kaum möglich ist. Diese Gruppe
lerne von Klasse fünf bis zehn „nur wenig dazu“, das zeige sich in
Lernstandserhebungen. Darum soll nun ein Förderprogramm in Kleingruppen den
Kindern helfen.
Das Konzept „Mathe sicher können“ hat das Deutsche Zentrum für
Lehrerbildung Mathematik (DZLM) an der TUDortmund entwickelt. Seine
Einführung wurde auch in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für die
Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel in mehreren Bundesländern
wissenschaftlich begleitet. In einer Feldstudie zeigte sich, dass
mathe-schwache Fünftklässer, die daran teilnahmen, deutlich mehr
dazulernten als eine Kontrollgruppe. In Hamburg wird „Mathe sicher können“
an 92 Schulen umgesetzt. In Bremen, wo die Lage ähnlich ist, arbeiten
bereits 60 Schulen damit.
„Mathematik hat zweifellos eine große Bedeutung, für uns alle und für
unsere Gesellschaft“, sagte Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD),
als sie vergangene Woche das Konzept vorstellte. Wer hier Grundlagen nicht
beherrsche, habe es nicht nur später schwer, eine [2][Ausbildung oder ein
Studium] zu finden. Diese Schüler gingen auch weniger gern [3][in den
Mathe-Unterricht] und entwickelten sogar ein „negatives Verhältnis“ zum
Fach.
Dabei kann „jedes Kind Mathe verstehen lernen“, wie die Projektleiterin
Susanne Prediger in einem [4][Video für Eltern auf der Homepage] des DZLM
erklärt. „Keine Begabung gibt’s nicht“, sagt die Professorin für
Fachdidaktik der Mathematik. Ihr Institut habe genau geforscht, was Kinder
in der Grundschule gelernt haben müssen, um [5][in den Klassen fünf bis
zehn] weiterlernen zu können.
## Erst mal verstehen, was Multiplikation ist
Meistens sei das Problem, dass die Kinder etwas Entscheidendes verpasst
haben. „Dann können wir nicht mehr gut weiterlernen“, sagt die Forscherin.
Dabei gehe es um „Verstehensgrundlagen“. Etwa, dass man zur Vorstellung,
wie groß eine drei mal fünf Meter große Fläche ist, keine Formel brauche,
wenn man sich vergegenwärtige, dass sie aus drei Reihen mit je fünf
Quadratmetern besteht.
Doch viele Kinder kämen in die fünfte Klasse, ohne zu wissen, was die
Multiplikation bedeutet. Das stelle man fest, wenn die Kinder eine
Geschichte zu einer Multiplikation wie sechs mal fünf schreiben sollen. Es
sei erschreckend, wie viele keine Situation fänden, die dazu passt. Wenn
den Kindern dieses Verständnis fehlt, „dann muss man da noch mal ran“, so
Prediger.
Die Didaktiker nutzen dafür Bilder oder Arbeitsmaterialien. Etwa
Würfelmaterial, aus dem Kinder lernen können, dass Hundert aus zehn Stangen
mit je zehn Würfeln besteht. Solche Dinge zu verstehen, sei wichtig, damit
die Kinder nicht im Unterricht abschalten. In der Matheförderung sei es
wichtig, dass die Kinder immer wieder zum Verstehen und tiefen Denken
ermuntert und zum Erklären aufgefordert würden, so Prediger. „Deswegen
fördern die Lehrkräfte auch nur wenige Kinder gleichzeitig.“
In Hamburg wurde das Konzept nun ergänzt und passend für die Schulen
weiterentwickelt. Um diese Arbeit durchzuführen, wurden
Mathematiklehrkräfte in zweijährigen Fortbildungen zu „Mathe sicher
können“-Trainern qualifiziert. Davon profitierten derzeit die Hälfte aller
59 Hamburger Stadtteilschulen und auch neun Gymnasien. Da weitere Schulen
zertifiziert sind, steigt die Zahl auf 92. In Bremen wurde das Programm
2019 an zehn Oberschulen eingeführt und inzwischen auf 25 Oberschulen und
35 Grundschulen ausgeweitet.
## „Mathe sicher können“ gibt's auch inklusiv
Die Linke-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus stört sich am additiven
Charakter. Sie fürchtet eine Stigmatisierung von Schülern, die aus
unterschiedlichen Gründen schlechtere Startchancen haben. „Natürlich
brauchen diese jungen Menschen besondere Unterstützung und Aufmerksamkeit“,
sagt sie. Die Förderung müsse aber „inklusiv“, sprich gleich im Unterrich…
geschehen. Das derzeitige Schulsystem übe zu viel Druck aus und befördere
die Chancenungleichheit. Die Frage sei, welche Ressourcen Schulen in
sozioökonomisch schwieriger Lage zur Verfügung hätten, um eine umfassende,
inklusive Förderung in Mathematik zu gewährleisten.
Ein Blick auf die Homepage des [6][Hamburger Landesinstituts für
Lehrerbildung und Schulentwicklung] (LI) zeigt, dass Hamburg im Prinzip
beide Wege geht. So gibt es bereits zwei Fortbildungsangebote. „Mathe
sicher können inklusiv“, für eine fokussierte Förderung im Rahmen des
Regelunterrichts, und „Mathe sicher können intensiv“, um eben besagte
Mathe-Risikoschüler in den Klassen fünf und sechs an Stadtteilschulen und
Gymnasien in Kleingruppen außerhalb des Regelunterrichts zu fördern.
Die Frage, woher die für die Kleingruppen nötigen Lehrerstunden kommen, ist
tatsächlich noch nicht ganz geklärt. Laut Schulbehördensprecher Peter
Albrecht erhalten zwar 17 Stadtteilschulen in sozial herausfordernden
Gebieten über das Hamburger Landesprogramm „Starke Schulen“ zusätzliche
Stunden, so dass diese in der Regel in den Klassenstufen fünf und sechs
eine Mathe-Fördergruppe hätten. Die übrigen Schulen erhielten bislang keine
zusätzliche Förderung und müssten „Mathe sicher können“ aus eigenen
Personalmitteln finanzieren. Es könne aber sein, sagt Albrecht, dass diese
Kleingruppen bald über das künftige „Startchancen-Programm“ des Bundes
finanziert werden.
Für Boeddinghaus ist das noch keine Lösung. Die neue Schulsenatorin Bekeris
habe sich soziale Gerechtigkeit als besondere Aufgabe vorgenommen. Deshalb
erwarte sie von ihr, dass sie „die Inklusion mit all ihren Facetten endlich
auskömmlich finanziert“.
15 Apr 2024
## LINKS
[1] /Hamburg-im-Bildungsranking/!5887490
[2] /Studienanfaenger-in-Hamburg/!5893790
[3] /Starts-des-bundesweiten-Abiturs/!5375375
[4] https://mathe-sicher-koennen.dzlm.de/film/eltern
[5] /Schulforscher-ueber-Bildungsgerechtigkeit/!5991581
[6] https://li.hamburg.de/fortbildung/faecher-lernbereiche/mint/mathematik/math…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Mathematik
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