# taz.de -- Neue Stundentafel für Hamburgs Schulen: Informatik verdrängt Kuns… | |
> Hamburg führt Informatik als Pflichtfach ein und kürzt dafür den | |
> Wahlbereich. Der Kunst-Fachverband findet das falsch und hätte eine | |
> bessere Idee. | |
Bild: Laptops im Unterricht gibt es schon länger: Schüler*innen im Geographie… | |
HAMBURG taz | In Hamburg hat die Schulbehörde die Stundentafel für die | |
Stadtteilschulen und Gymnasien neu verteilt. Der „Wahlpflichtbereich“ für | |
Fächer wie Kunst, Theater und Musik und der „Gestaltungsraum“, den Schulen | |
in der Mittelstufe für Bildung eigener Profile haben, werden je um 76 | |
Stunden gekürzt. So kommen die nötigen 152 [1][Unterrichtstunden für | |
Informatik] zusammen, die ab August 2025 Pflichtfach werden soll. | |
Das geht aus der „Siebten Verordnung zur Änderung der [2][Ausbildungs- und | |
Prüfungsordnung]“ hervor, die der rot-grüne Senat im „[3][Mitteilungs- und | |
Verordnungsblatt]“, veröffentlichte. Informatik führen auch andere | |
Bundesländer ein. Doch in Niedersachsen kommen die Stunden dafür oben | |
drauf. In Hamburg müssen andere Fächer weichen. | |
Für Kunstlehrerin Nina Rippel geht Hamburg hier den falschen Weg. So ein | |
neues Lernfach zu schaffen sei eigentlich veraltet, sagt die | |
Landesvorsitzende des [4][BDK-Fachverbands für Kunstpädagogik]. „Die | |
Problematik der informatorischen Bildung wird nicht über die Einführung | |
eines neuen Fachs gelöst.“ Denn die Fragen der Digitalisierung drängten in | |
alle Fächer ein. | |
Die Bildende Kunst zum Beispiel sei in der schriftlastigen Schule das | |
einzige Fach, das sich mit dem – für junge Menschen heute immer wichtigeren | |
– Thema Bild beschäftigt. Sinnvoll wäre, Informatik als Teil des | |
Unterrichts in alle Fächer zu integrieren. So könnte Physik-Informatik sich | |
mit Robotik beschäftigen oder Geo-Informatik mit der Ausbreitung digitaler | |
Netze. In Deutsch könnte der Gebrauch von ChatGPT Thema sein, und in Kunst | |
der Umgang mit digitalen Bildern auf Social Media und mit bilderzeugender | |
künstlicher Intelligenz. | |
Rippel und ihr Verband verschickten eine [5][kritische Stellungnahme mit | |
diesen Überlegungen] an alle Schulen, die Schulbehörde und ihre 330 | |
Mitglieder. Sie kritisieren darin auch die Kürzung des Wahlpflichtbereichs. | |
Zwar werden Hamburgs Mittelstufenschüler hier weiter Kunst, Theater und | |
Musik haben, aber etwa ein Drittel weniger. Der Wahlbereich sei wichtig in | |
der Mittelstufe, da diese Fächer den Schülern in der Pubertät, wo sie oft | |
einen „Hänger“ hätten, die Gelegenheit für selbstbestimmtes Lernen bieten | |
und das sind, was sie „durch diese Schulphase trägt“. Deshalb stellt sich | |
der Verband entschieden gegen diese Kürzungen. | |
Die Kritik teilt auch Christian Gefert von der [6][Vereinigung der | |
Leitungen Hamburger Gymnasien und Studienseminare] (VLHGS). Das Pflichtfach | |
Informatik dürfe nicht auf Kosten der Bildungsvielfalt an den Gymnasien | |
gehen. Er meint den um 76 Stunden beschnittenen Gestaltungsraum für | |
Profilbildung der Schulen, etwa im sprachlichen oder | |
naturwissenschaftlichen Bereich. Die Behörde überlasse nun den | |
Einzelschulen, wo etwas wegzunehmen sei, statt Vorgaben zu machen, sagt | |
Gefert. „Es fehlt ein ernsthafter Diskurs. Dabei hofften wir, dass die neue | |
Schulsenatorin Ksenia Bekeris einen neuen Kommunikationsstil anstrebt.“ | |
Ein wenig Wasser auf ihre Mühlen ist dieser Engpass auch für die | |
[7][Elterninitiative G9 Hamburg], die für eine Verlängerung der Schulzeit | |
an Gymnasien streitet und am Montag offiziell ihr Volksbegehren anmeldete. | |
Von der Stundenverschiebung nicht minder betroffen sind die Schüler an | |
Hamburgs Stadtteilschulen. Dort können alle Schüler nun ein künstlerisches | |
Fach weniger belegen, die fürs Abitur ihre zweite Fremdsprache wählen | |
müssen. | |
Die Schulbehörde hält dagegen, dass die ästhetischen Fächer in Hamburg in | |
der Mittelstufe immer noch einen „überaus hohen Stellenwert“ hätten, und | |
Hamburg hier mehr Mindeststunden hätte, als die Kultusminister vorgeben. | |
Darüber hinaus wende die Stadt viele Sach- und Personalmittel auf, um | |
künstlerische Projekte zu fördern. Den Vorschlag des BDK, Informatik in die | |
anderen Fächer zu integrieren, habe man „erwogen“, aber „verworfen“, s… | |
Sprecher Peter Albrecht. | |
## Aufforderung der Bürgerschaft | |
Die Durchdringung der realen Welt durch digitale Systeme sei so groß, dass | |
mündige Bürger nur mit Informatikkompetenz partizipieren könnten. Das gehe | |
nur mit eigenen Lehrkräften und „einschlägiger Fachdidaktik im eigenen | |
Fach“. Zudem habe die [8][Bürgerschaft die Stadt aufgefordert], so ein | |
Pflichtfach einzuführen. | |
Grüne und SPD haben sich mit den Kunstpädagogen bisher noch nicht | |
ausgetauscht. Man könne deren Bedenken „einerseits nachvollziehen“, denn | |
die Gesamtbelastung der Schüler dürfe nicht steigen, sagt Philipp Wenzel, | |
Sprecher der Grünen-Fraktion. Andererseits komme das Fach aber nicht „aus | |
dem Nichts heraus“, die Diskussion laufe sei 2013. Für den | |
SPD-Schulpolitiker Nils Hansen sind das Programmieren und der sichere | |
Umgang mit Netz-Informationen schlicht zwei verschiedene Dimensionen, | |
weshalb man das Pflichtfach brauche. | |
14 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Informatik-als-Pflichtfach-in-der-Schule/!5890683 | |
[2] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-Grd_StTSchulGymAPOHAra… | |
[3] https://www.luewu.de/docs/gvbl/docs/2630.pdf | |
[4] https://bdk-online.info/hh-de/ | |
[5] https://bdk-online.info/hh-de/2024/04/19/ausfuehrliche-stellungnahme-zur-ei… | |
[6] https://vlhgs.de/wp-content/uploads/2022/04/VLHGS_Bildungsplaene_2022_Stell… | |
[7] /Volksinitiative-in-Hamburg/!5937629 | |
[8] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/79390/informatikunterricht… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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