# taz.de -- Hamburgs Elternkammer-Chefin zu Bildung: „Lernen an Schule verän… | |
> Hamburgs Elternkammer ruft zur Bildungswende-Demo auf. Die Vorsitzende | |
> fordert individuellere Bewertung der Schüler und lehnt die Rückkehr zum | |
> G9 ab. | |
Bild: Durch die neuen Bildungspläne gibt es immer mehr Stoff, Stoff, Stoff | |
taz: Frau Kohl, Hamburgs Elternkammer Hamburg unterstützt die Demo | |
„Bildungswende jetzt!“. Was muss sich denn ändern? | |
Simone Kohl: Unser konkretes Ziel ist die Gründung eines Hamburger | |
Bildungsgipfels, weil wir möchten, dass mit den Beteiligten und nicht über | |
sie geredet wird. | |
Als dauerhafte Institution? | |
Ja. Wir verstehen darunter eine feste Struktur, in der sich die | |
Bildungsakteure aller Schulformen regelmäßig austauschen, mit dem Ziel, | |
dass wir die Bildungswende unterstützen und über die Bildung im 21. | |
Jahrhundert nachdenken. | |
Sind die Eltern [1][unzufrieden]? | |
In Hamburg läuft vieles schon gut, aber vieles auch nicht. Ein Hauptthema | |
ist für uns die Bewertung der Kinder. Jedes Kind ist anders und lernt | |
anders. Deshalb wollen wir eine Überarbeitung der Bewertung. | |
Also Noten abschaffen? | |
Das nicht. Aber wir müssen den Blick ändern. Dass man nicht schematisch | |
Punkte vergibt, sondern individuell auf das Kind schaut. Es gab dafür in | |
Hamburg den Schulversuch „Alleskönner“ mit alternativen Rückmeldeformaten. | |
Die dürfen leider nur die Versuchsschulen anwenden. | |
Sie sagen, das Schulsystem muss gerecht und inklusiv sein. Wo ist das nicht | |
der Fall? | |
Einmal eben gerade bei der Bewertung. Und dann gibt es vieles, wo man die | |
sozial schwachen Schülerinnen und Schüler unterstützen könnte. | |
Umstritten ist die [2][frühe Aufteilung] der Kinder auf Gymnasium und | |
Stadtteilschule. | |
Aber das entscheiden ja die Eltern. Dieses Recht wollen wir nicht nehmen. | |
Es ist gut, dass das jeder für sein Kind und mit dem Kind entscheiden kann. | |
Vielleicht ist die vierte Klasse zu früh. | |
Wäre eine [3][längere Grundschule] eine Option? | |
Das müsste man sich genau anschauen. Dafür wäre der Bildungsgipfel der | |
richtige Ort. | |
Die Gruppe „Bildungswende jetzt!“ schrieb im einem offenen Brief, nur mit | |
Schule für alle gebe es gerechte Bildung. Unterstützt die Kammer das? | |
Nein. Da haben wir keine einheitliche Meinung zu. Dieser offene Brief ist | |
ja älter, da waren wir noch nicht dabei. | |
Eltern betreiben in Hamburg eine [4][Volksinitiative für das neunte | |
Schuljahr] am Gymnasium, das G9. Wieso unterstützt die Kammer das nicht? | |
Uns ist das zu kurz gedacht. Es dreht sich da nur um das Gymnasium. Und die | |
Möglichkeit von G9 haben wir in Hamburg auf der Stadtteilschule schon sehr | |
lange. Es gäbe ja dann keinen Unterschied mehr, wenn man auf beiden | |
Schulformen G9 macht. | |
Sie meinen, die Eltern können ihre Kinder zur Stadtteilschule schicken? | |
Es wäre die Möglichkeit da. Ich weiß nicht, ob es für alle Kinder wirklich | |
so gut wäre. Wenn wir mit der SchülerInnenkammer sprechen, wollen die kein | |
Jahr länger haben. | |
Die finden nur acht Jahre Gymnasium gut? | |
Ja. Auch hier muss man auf das einzelne Kind schauen. Also für mich sind | |
beide Schulformen super. Wir gaben unsere Kinder auf eine Stadtteilschule | |
und bereuen das nicht. Nur wenn wir die Gymnasialzeit um ein Jahr | |
verlängern, wird der jetzt schon bestehende Mangel an Platz und | |
Fachkräftemangel verstärkt. Wir als Elternkammer stellen uns ja in unseren | |
Pressemitteilungen nicht extrem gegen die Initiative. Wir freuen uns, dass | |
wieder über Bildung gesprochen wird. Die Debatte ist uns nur zu einseitig. | |
Aber es gibt Leidensdruck. Die Bildungspläne sind voll, nun [5][kommt | |
Informatik] dazu. | |
Aber das ist doch auch ein Problem in den Stadteilschulen. Brauchen wir | |
dann dort eine G10? Oder teilen wir es so auf, dass auch die Gymnasien sich | |
an Integration und Inklusion beteiligen? Das fehlt uns bei der | |
G9-Initiative. Die will alles so behalten, wie es ist. Also Gymnasien mit | |
homogener Schülerschaft, nur ein Jahr mehr. | |
Umfasst die Bildungswende noch weitere Forderungen? | |
Wir wünschen uns eine Schule, die diskriminierungs- und gewaltfrei ist. Die | |
Schülerschaft verändert sich und damit auch das Lernen in der Schule. Und | |
wenn wir uns in den Kreiselternräten umhören, gibt es an jeder zweiten | |
Schule das Thema Gewalt und Diskriminierung. | |
Sie sagen das in einem Zug. | |
Es gehört zusammen. Diskriminierung ist eine Art von Gewalt. Und wir | |
wollen, dass die Kinder wieder mehr Freude am Lernen haben. Sie sollten | |
mehr Praktisches lernen. Durch die [6][neuen Bildungspläne] gibt es immer | |
mehr Stoff, Stoff, Stoff, den sie lernen müssen. Wer die Schule verlässt, | |
sollte aber nicht nur Chemie-Formeln kennen, sondern auch wissen, wie er | |
einen Antrag für das Kindergeld oder einen Wahlzettel ausfüllt. Und ich | |
glaube, das fehlt sogar mehr auf dem Gymnasium, weil die dort einfach keine | |
Zeit haben. | |
23 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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