Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Studienanfänger in Hamburg: Mathe-Lücken nach Corona
> Hamburger Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften haben Lücken in
> der Mathematik. Doch ein Projekt, das hier hilft, steht vor dem Aus.
Bild: Wie weggewischt: Mathe-Kenntnisse von Studierenden sind, auch coronabedin…
Hamburg taz | Drei schlichte Blätter am Schwarzen Brett im Foyer zeigen die
Ergebnisse des jüngsten Mathe-Quiz. Mehr als die Hälfte von 152 Anfängern
der Studiengänge Fahrzeugtechnik, Flugzeugbau und Mechatronik löste nicht
mal die Hälfte der Aufgaben richtig. Es ging um Schulstoff aus der Mittel-
und Oberstufe. Ihnen wird „dringend empfohlen“, einen anderen Einstieg ins
Studium zu wählen, damit sich die Chance erhöht, dass sie an der Hochschule
für Angewandte Wissenschaften (HAW) mit einem Abschluss aus der Tür treten.
Das Quiz ist freiwillig, wird aber von fast allen in der Einführungswoche
mitgemacht. „Die Ergebnisse werden seit Jahren schwächer. Aber so schwach
waren sie noch nie“, sagt Regina Abraham vom „Team Studieneinstieg“ der
HAW. „Fast 60 Prozent haben ohne unser Programm kaum eine Chance. Wir
vermuten, dass hier ein Corona-Effekt zu sehen ist.“
Abraham ist Ingenieurin und Pädagogin und hat vor sieben Jahren
[1][„Startplus-intensiv“] mitentwickelt. Das Konzept setzt darauf, die
Potenziale jener jungen Menschen zu heben, die noch nicht die nötigen
Mathe-Kenntnisse für ein technisches Studium haben, statt sie scheitern zu
lassen. Doch statt der früheren 30 Teilnehmer sind es in diesem
Wintersemester 60, die den Hörsaal füllen, wo Projekt-Koordinator Arold
Nzeke-Zedom an einem Morgen in der fünften Woche die Rechenregeln für den
Logarithmus erklärt.
„Das Programm ist Klasse. Es bereitet uns vor“, sagt ein 26-jähriger
Student, der nach der Schule Schiffsmechaniker lernte und zur See fuhr,
bevor er sich nun fürs Ingenieursstudium entschied. „Logarithmus ist mir in
der Schule nicht untergekommen“, ergänzt eine 18-jährige Studentin, die
gerade erst ihr Abi machte. Sie vermutet, dass ihr wegen Corona einiges
fehlt. Er habe vieles aus der Schule vergessen, ergänzt ihr 19-jähriger
Sitznachbar: „Ich wüsste nicht, wie ich es sonst schaffen sollte.“
Es seien eher die Bildungsaufsteiger, Kinder von Eltern mit weniger Geld,
die hier an der Fachhochschule ihr Technikstudium beginnen, erklärt Regina
Abraham. Und es seien oft junge Männer, die teils auch nicht so gute
Erfahrung mit Schule haben. Statt sie gleich in die Vorlesung für
Ingenieurs-Mathematik und Technische Mechanik zu setzen, belegen sie bei
„Startplus“ im ersten Semester nur die zeichnerischen Fächer und
wiederholen ansonsten in Seminaren und Tutorien den Mathe-Stoff.
Dabei geht es auch darum, dass die Nachwuchsingenieure ihr Verhältnis zur
Mathematik verbessern und Lernstrategien entwickeln und Mathe für sich
entdecken. Es gebe sogar Studienanfänger, die nicht sicher im Bruchrechnen
sind, erläutert Koordinator Nzeke-Zedom. Im Lauf des Semesters werden die
Studierenden erneut getestet. „Die meisten sind auf einem guten Weg, den
Anschluss zu schaffen“, sagt Abraham.
Das Problem nur: Für das Programm, das vor zwei Jahren vom Stifterverband
mit einem Preis ausgezeichnet wurde, gibt es ab dem nächsten Semester kein
Geld mehr. Denn es wurde über die sieben Jahre nur als Projekt finanziert,
zunächst über das „Hochschulsonderprogramm“ des Bundes, und seit zwei
Jahren aus dem Etat der Stadt.
Dabei geht es um die überschaubare Summe von 30.000 Euro pro Semester für
die Honorare der Tutoren und die Projektkoordination. Doch weder die
Wissenschaftsbehörde noch die HAW selbst sehen sich in der Lage, dieses
Geld aufzubringen.
Dabei sind die Finanzierungsmechanismen etwas verschlungen. Die sechs
stadteigenen Hochschulen [2][vereinbaren Zielquoten mit Hamburg], für deren
Nicht-Einhaltung sie mit bis zu einem Prozent Budget-Kürzung bestraft
werden. Zu den Zielen zählt die [3][Erreichung gewisser Absolventenzahlen].
Das Strafgeld – „Leistungsorientierte Mittelvergabe“ (LOM) genannt – da…
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) alle zwei Jahre für
selbst gewählte Schwerpunkte verteilen. Im Jahr 2020 wurde „Startplus“
bedacht, in 2022 entschied die Senatorin sich für Sprachkurse für
studentische Geflüchtete. Die LOM-Mittel seien als „Anschubfinanzierung“ zu
verstehen, sagt Fegebanks Sprecherin. „Eine Dauerfinanzierung kann nur aus
dem Etat der Hochschule erfolgen.“
Laut Ralf Ahrens, der „Startplus“ von Professoren-Seite betreut, wäre es
möglich, dies aus dem Etat zu finanzieren, wenn die Behörde für ein
Modellprojekt gewisse Ausnahmen bei ihren Verordnungen erlaube – zum
Beispiel etwas weniger Studierende aufzunehmen, um die anderen intensiver
zu betreuen. Doch über solche Ideen wurde bisher zwischen Behörde und
Hochschule nicht gesprochen.
Das HAW-Präsidium antwortet der taz, aktuell sei „keine Folgefinanzierung
des Projektes absehbar“. Eine Verstetigung durch Aufnahme in die Curricula
der betreffenden Studiengänge sei zwar sinnvoll, stehe aber „in Konkurrenz
mit anderen sinnvollen Maßnahmen“.
Ohnehin sieht es an der HAW finanziell gerade ziemlich düster aus. Hamburgs
zweitgrößte Hochschule muss heftig sparen. Sie hat eine strukturelle
Unterfinanzierung, weil das Budget über Jahre wegen der geltenden
Schuldenbremse nur um 0,88 Prozent erhöht wurde. In der Folge muss nun bis
Jahresende ein Sparkonzept erstellt werden.
## Hamburg muss Absolventen-Zahl erhöhen
Eine Option dabei ist die Ausdünnung der vorgeschriebenen
Lehrveranstaltungen zugunsten eines höheren Anteils am Selbststudium. Für
Ahrens und Abraham wäre das der falsche Weg, bräuchten die Anfänger der HAW
doch dringend Präsenz und Ansprechpartner, das habe Corona gezeigt.
„Seither ist die Zahl derer, die hier chancenlos ankommen, noch mal
gestiegen. Dafür bräuchten wir zusätzliches Geld. Stattdessen wird
gekürzt“, empört sich Abraham.
Eigentlich müsste hier auch die Politik einen Schwerpunkt setzten, hat
Hamburg doch 2020 einen „Zukunftsvertrag“ mit dem Bund unterzeichnet. Die
Stadt verspricht, angesichts des Fachkräftemangels die Zahl der
Studienanfänger im Ingenieurbereich und auch der Absolventen insgesamt zu
erhöhen.
24 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.haw-hamburg.de/fileadmin/Studium/StgInfo/PDF/STARTplus_Infoflye…
[2] /Studierende-an-Hamburger-Hochschulen/!5565509
[3] https://www.hamburg.de/bwfgb/hochschullandschaft-hamburg/13047222/ziel-und-…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Studium
Bachelor
Studienabbruch
Hochschulpolitik
Hamburg
Mathematik
Hochschule
Asta
Verdi
Studienabbruch
Hamburg
Schwerpunkt Coronavirus
Studienabbruch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Förderkonzept in Hamburg: Jedes Kind kann Mathe lernen
Ein Fünftel aller Kinder versteht nach der Grundschule nicht genug Mathe,
um ab Klasse 5 weiter mitzukommen. In Kleingruppen holen sie das nach.
IT-Sicherheit nach Hackerangriff: Hochschulen sind Cyber-Freiwild
Der Hamburger Rechnungshof kritisiert Sicherheitsprobleme im IT-Bereich der
Hochschulen. Die verweisen auf Personalprobleme beim IT-Personal.
Asta-Sprecher über Studieren in der Krise: „Wir brauchen warme Arbeitsplätz…
Hamburgs Hochschulen drosseln ihr Angebot, um Energiekosten und Inflation
aufzufangen. Asta-Sprecher Janis Wegner fordert Unterstützung von der
Stadt.
Sparpläne für Hamburger Hochschule: Abbau von Studienplätzen befürchtet
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaft soll kräftig sparen. Ver.di
warnt deshalb vor einer Ausdünnung der Lehre und dem Wegfall von
Studiengängen.
Abbrecher an Hamburgs Hochschulen: Studienerfolg ist Chefinnensache
Die Zahl der Studienabbrecher ist zu hoch, deshalb muss Hamburg
Hilfsprogramme ausbauen. Die Budgets der Hochschulen zu kürzen, ist absurd.
Semesterstart an den Universitäten: „Mein Ziel ist Präsenz“
Hauke Heekeren ist seit kurzem neuer Präsident der Uni Hamburg. Er setzt
alles daran, dass Studierende wieder vor Ort lernen.
Wintersemester in Hamburg: Sehnsucht nach dem Campus
Die Hochschulen sollen wieder mehr Präsenzlehre bieten, fordern
studentische Fachschaftsräte. Aber die Raumgrößen passen nicht zu den
Abstandsregeln.
Studierende an Hamburger Hochschulen: Über die Hälfte geht ohne Abschluss
Weil die Hochschulen die Quoten für den Studienerfolg verfehlten, hat
Hamburgs grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank die Ziele gesenkt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.