# taz.de -- Nationaler Volkskongress tritt zusammen: Wohin zieht China? | |
> Die russische Invasion in der Ukraine stellt auch Peking vor neue | |
> Herausforderungen. Die Frage ist, ob die Bande nach Moskau weiterhin eng | |
> bleiben. | |
Bild: Eröffnungsfeier des 19. Parteikongresses in der Großen Halle des Volkes… | |
PEKING taz | Wenn am Samstag Chinas Nationaler Volkskongress in Peking | |
zusammenkommt, haben die rund 3.000 Abgeordnete des Scheinparlaments eine | |
höchst komplizierte Agenda vor sich. Das Land steht zweifelsohne vor den | |
größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. | |
Außenpolitisch befindet sich die Volksrepublik China aufgrund der | |
russischen Ukraine-Invasion an einem kritischen Scheideweg. Je nachdem, wie | |
sich die Regierung positioniert, stellt dies die Weichen für den Kurs der | |
nächsten Jahrzehnte: Hält man uneingeschränkt zum strategischen Partner | |
Russland, könnte dies zu einer de facto Neuauflage des Kalten Kriegs und | |
einer polarisierten Weltordnung in zwei Machtblöcke führen. | |
[1][Wirtschaftlich wäre dies der kurzfristig irrationale Weg]. Denn China | |
bezieht zwar große Mengen an Öl und Gas aus Russland, doch kann diese | |
problemlos auch von Staaten im Mittleren Osten bekommen. Insgesamt macht | |
der russische Warenverkehr nur circa zwei Prozent des chinesischen | |
Außenhandels aus – und damit nur einen Bruchteil im Vergleich zu den | |
ökonomischen Schwergewichten USA und EU. Doch vielleicht wäre Staatschef Xi | |
Jinping bereit, die Beziehungen zum Westen für ein langfristiges Ziel zu | |
opfern: die Umgestaltung der Weltordnung, für die man Moskau als | |
geopolitischen Partner benötigt. | |
Doch auch abseits der Weltpolitik muss Xi auch im Inneren folgenreiche | |
Entscheidungen treffen. Chinas jährliche Wachstumsraten im zweistelligen | |
Prozentbereich sind im Zuge der Pandemie, einer drohenden Immobilienblase | |
und einem zunehmend repressiveren Wirtschaftsklima deutlich schneller | |
abgeflacht als erwartet. Einige Ökonomen prognostizieren für das laufende | |
Jahr nur mehr eine Expansion des Bruttoinlandsprodukts zwischen vier und | |
fünf Prozent. Das mag aus europäischer Sicht hoch klingen, doch ist für | |
Chinas angepeilten Aufstieg viel zu wenig. Bereits mittelfristig wird die | |
Volkswirtschaft Probleme bekommen, ausreichend Arbeitsplätze für die | |
jährlich auf den Markt strömenden Schul- und Universitätsabsolventen | |
bereitstellen zu können. | |
## Chinesische Lockerungen | |
Kurzfristig wird die Parteiführung zumindest schrittweise die Isolation des | |
Landes lockern müssen. Die epidemiologisch erfolgreiche „Null | |
Covid“-Strategie hat auch dazu geführt, dass China [2][bis heute seine | |
Grenzen geschlossen hält] und auch innerhalb der Bevölkerung keine | |
nennenswerte Immunität aufgebaut hat. Doch während der Rest der Welt | |
allmählich wieder öffnet, droht das Reich der Mitte ins Hintertreffen zu | |
geraten. | |
Doch die wirtschaftlich größte Herausforderung kreist langfristig wie ein | |
Damoklesschwert über dem Land. Der demografische Wandel droht den | |
ökonomischen Aufstieg des Landes vorzeitig zu stoppen. Die Bevölkerung | |
altert rasant, was die Produktivität der Volkswirtschaft massiv drosseln | |
wird. Daran ändert auch die Lockerung der einst strengen Geburtenpolitik | |
nicht: Die Leute dürfen mittlerweile per Gesetz drei Kinder haben, doch | |
können sie sich mehr als einen Nachwuchs oft schlicht nicht leisten. Chinas | |
urbane Mittelschicht leidet zunehmend unter langen Arbeitszeiten, horrenden | |
Immobilienpreisen und dem zunehmenden Leistungsdruck. | |
5 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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