| # taz.de -- Nach Krawallen in Hamburg: Kampf um die Deutungshoheit | |
| > Was geschah beim G20-Gipfel? Neun Monate nach der Gewalt in Hamburg | |
| > meldet sich das autonome Zentrum Rote Flora zu Wort. | |
| Bild: Noch vor Beginn der Demonstration „Welcome to Hell“ stoppt die Polize… | |
| Hamburg taz | In einer Kneipe im Hamburger Schanzenviertel sagte eine | |
| Bekannte neulich: „G20 war unser Nine-Eleven.“ Mit „uns“ meinte sie die | |
| Hamburgerinnen und Hamburger. Einige in der Runde schauen irritiert, ein | |
| paar lachen, auch die Frau selbst. Natürlich kann man einen terroristischen | |
| Anschlag, bei dem 3.000 Menschen starben, nicht mit dem Gipfelgeschehen in | |
| Hamburg vergleichen. Aber ein Fünkchen Ernst steckte schon in dem | |
| polemischen Vergleich. Seit sich im Juli vergangenen Jahres die Staats- und | |
| Regierungschef*innen der reichsten Industrie- und Handelsnationen in der | |
| Stadt trafen, hat die Stadt eine neue Zeitrechnung: Wir teilen Erinnerungen | |
| in vor und nach dem G20-Gipfel. | |
| Heute, neun Monate danach, sind kaum noch Spuren der Auseinandersetzungen | |
| zu finden. Nur einzelne Parolen machen die Ablehnung noch sichtbar, mit der | |
| Zehntausende Gipfelgegner*innen dem Regierungstreffen im Juli begegnet | |
| waren. „Smash G20“ steht einer Hafenmauer im Stadtteil St. Pauli. Nicht | |
| weit entfernt, auf einer anderen Mauer, eine Replik auf die Aussage des | |
| damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD): „Polizeigewalt hat es nicht | |
| gegeben. Die Erde ist eine Scheibe. Jesus lebt!“ | |
| Das Schanzenviertel, wo wütende Gipfelgegner*innen die größten Zerstörungen | |
| angerichtet hatten, wirkt längst wieder normal. Die geplünderte und | |
| komplett verwüstete Drogerie Budnikowsky hat wieder geöffnet, genau wie der | |
| damals verkohlte Rewe-Supermarkt. Bei der Wiedereröffnung ließ Budnikowsky | |
| die Kund*innen mit bunten Stiften Solidaritätsbotschaften an die Türen | |
| schreiben: „Schön, dass ihr wieder da seid“, stand da, aber auch: | |
| „Hoffentlich werden die Übeltäter bestraft“. | |
| Die Sparkassenfiliale im Schulterblatt hat noch geschlossen. Früher, also | |
| vor G20, standen hier junge Menschen mit knöchelfreien Jeans und bunten | |
| Nike-Schuhen auf dem Gehweg Schlange, um Geld abzuheben. An jedem ersten | |
| Mai wird die Sparkassenfiliale von Randalierer*innen und | |
| Krawalltourist*innen attackiert, aber beim G20-Gipfel war es den Vermummten | |
| gelungen, das Gitter aufzubrechen, die Türen einzuschlagen und Feuer zu | |
| legen. Die Filiale soll komplett abgerissen und neu gebaut werden, diesmal | |
| fünfstöckig. | |
| ## Andreas Blechschmidt will etwas klarstellen | |
| Keine 50 Meter entfernt steht, als letzte Bastion von Widerständigkeit in | |
| der Schanze, die Rote Flora. Dass es sie noch gibt, ist nicht | |
| selbstverständlich. Kurz nach dem Gipfel sah es schlecht für das seit 1989 | |
| besetzte autonome Zentrum aus: Der damalige Bundesinnenminister Thomas de | |
| Maizière (CDU) forderte die Schließung der Flora, Bürgermeister Scholz | |
| nannte die Besetzer*innen „geistige Brandstifter“ und sagte, sein | |
| Geduldsfaden sei gerissen. | |
| „Es geht um Deutungsmacht“, sagt Andreas Blechschmidt, der Mann, der wie | |
| kein anderer mit der Roten Flora verbunden wird. Weil der Anfang | |
| Fünfzigjährige mit den kurzen schwarzen Haaren sich seit vielen Jahren in | |
| der Roten Flora engagiert und weil er gut reden kann, wird er in der | |
| Öffentlichkeit als deren Sprecher wahrgenommen, obwohl es solche Ämter bei | |
| Autonomen eigentlich nicht gibt. In Hamburg kennt ihn jeder. | |
| In der Zeit, als die Flora massiv unter Beschuss stand, hat er eisern | |
| geschwiegen. Neun Monate nach dem G20 will er mit der taz reden. Er will | |
| der Polizei nicht die Geschichtsschreibung überlassen. | |
| An einem grauen Hamburger Nachmittag sitzt der Aktivist im | |
| Gemeinschaftsraum eines Wohnprojekts der Hafenstraße und wählt seine Worte | |
| mit Bedacht. Wie die Flora im Nachhinein den Gipfelprotest bewertet, was | |
| aus ihrer Sicht gut und was schlecht lief – zu alldem schweigt er. Aber | |
| Blechschmidt ist auch der Anmelder der autonomen „Welcome to | |
| Hell“-Demonstration, die am Donnerstag vor dem Gipfelwochenende von der | |
| Polizei zerschlagen wurde, bevor sie überhaupt losgehen konnte. Und dazu | |
| will er einiges sagen. | |
| Für Blechschmidt geht die Geschichte so: Die Polizei habe niemals | |
| vorgehabt, die autonome Demo, die die Organisator*innen als „größten | |
| schwarzen Block Europas“ angekündigt hatten, überhaupt starten zu lassen. | |
| ## War die Polizei von Beginn an auf eine Zerschlagung aus? | |
| Deshalb genehmigte die Versammlungsbehörde – in Hamburg: die Polizei – die | |
| Route ohne Auflagen. „Was meiner gesamten Erfahrung der letzten 15 Jahre in | |
| Hamburg widerspricht“, sagt Blechschmidt. Nach der genehmigten Route wäre | |
| „Welcome to Hell“ an einer Polizeiwache vorbeigelaufen und hätte direkt am | |
| G20-Tagungsort Messehallen geendet. Eine solche Route hätte die Polizei gar | |
| nicht zulassen können, sagt Blechschmidt, erst recht nicht, weil sie angab, | |
| Hinweise zu haben, dass an der Route Depots für Steine, Wechselkleidung | |
| oder Ähnliches versteckt seien. | |
| Während die Teilnehmer*innen sich am Donnerstagnachmittag in der Nähe des | |
| Fischmarkts aufgestellt hätten, seien an der Spitze der Demo Verhandlungen | |
| über Vermummung zwischen Blechschmidt und der Polizei gelaufen. Nach einer | |
| Durchsage hätten die vorderen Teilnehmer*innen ihre Vermummung abgenommen, | |
| aber hinten sei die Ansage nicht angekommen. Blechschmidt habe sich auf den | |
| Weg gemacht, um es ihnen zu sagen, sagt er. Was dann passiert, ist | |
| unstrittig: Eine Berliner Polizeieinheit stürmt von der Seite in die Menge | |
| und prügelt auf die Demonstrant*innen ein. Die können nicht weg: vorne die | |
| Wasserwerfer, hinten 12.000 Menschen, links Häuser, rechts die | |
| Flutschutzmauer. Flaschen fliegen auf Polizist*innen, Menschen versuchen, | |
| sich über eine Flutschutzmauer zu retten, und springen mehrere Meter in die | |
| Tiefe. Viele werden verletzt. „Aus Kalkül“, sagt Blechschmidt. „Um so vi… | |
| Autonome wie möglich für die nächsten Tage, militärisch gesprochen, | |
| auszuschalten.“ | |
| ## Die Polizei gibt allein den Autonomen die Schuld | |
| Die Polizei interpretiert die Geschichte völlig anders. Hartmut Dudde, der | |
| G20-Gesamteinsatzleiter, sitzt neben Innensenator Grote und dem Leiter des | |
| Polizeieinsatzes bei „Welcome to Hell“, Joachim Ferk, im Kaisersaal des | |
| Hamburger Rathauses. Hier tagt der G20-Sonderausschuss, hier soll die | |
| politische Aufarbeitung der Proteste stattfinden, hier müssen sich der | |
| Innensenator und die Polizeiführung rechtfertigen. Acht Wochen nach dem | |
| Gipfel hatte sich der Ausschuss unter Zustimmung aller Fraktionen | |
| konstituiert, bis zum Sommer soll er noch tagen. Am Ende soll ein Bericht | |
| herauskommen. Auch Olaf Scholz war schon vorgeladen, als er noch | |
| Bürgermeister war. Da sagte er, dass er zurückgetreten wäre, wenn es einen | |
| Toten gegeben hätte. | |
| Es ist die siebte Sitzung und auf der Tagesordnung steht „Welcome to Hell“. | |
| Man habe alles dafür getan, dass die Demo laufen könne, sagt Grote. Über | |
| den gesamten Gipfel habe die Polizei äußerst versammlungsfreundlich agiert, | |
| indem sie den friedlichen Ablauf von 148 angemeldeten Versammlungen | |
| ermöglicht habe – nur eine Versammlung, „Welcome to Hell“, sei eskaliert. | |
| Und zwar, weil die Autonomen es so gewollt hätten. | |
| „Mit der Route konnten wir leben“, sagt Dudde. Zwar habe es Hinweise des | |
| Verfassungsschutzes gegeben, dass auf Höhe der Polizeiwache an der | |
| Reeperbahn „Machtspiele mit der Polizei“ geplant gewesen seien. Deshalb | |
| habe man an den „neuralgischen Punkten“ Wasserwerfer positioniert. „Nichts | |
| sprach dafür, dass die Versammlung bereits auf dem Antreteplatz dermaßen | |
| gewaltvoll aus dem Ruder laufen würde“, sagt Ferk. Wegen ein bisschen | |
| Vermummung hätte man das Ganze auch nicht abgebrochen, sagt er den | |
| Abgeordneten, „aber wenn kollektiv Straftaten begangen werden sollen, dann | |
| schon“. | |
| Man habe zwei Wasserwerfer vor die Spitze der Demo auf die Straße gestellt, | |
| um die Demonstrant*innen über die Sprechanlage aufzufordern, Schals und | |
| Sonnenbrillen abzunehmen. „In Sachen Kommunikation“, sagt Grote, „haben w… | |
| beim G20 ganz neue Dimensionen erreicht.“ Das Stoppen der Demo an genau | |
| diesem Ort sei alternativlos gewesen, sagt Ferk. „Hätten wir die Demo so | |
| loslaufen lassen, hätte sich eine Gefahrenlage ergeben, die wir nicht | |
| einschätzen konnten.“ | |
| ## Linke-Abgeordnete Schneider glaubt nicht an Aufklärung | |
| Wer sich mit Kritik am Hamburger G20-Gipfel beschäftigt, kommt an | |
| Christiane Schneider nicht vorbei. In jeder Dokumentation, jedem kritischen | |
| Fernsehbeitrag kommt sie zu Wort. Die kleine Frau mit den kurzen grauen | |
| Haaren ist Abgeordnete der Linken und war beim Gipfel auf den Straßen | |
| unterwegs. Sie stellt die meisten kritischen Fragen im G20-Ausschuss. | |
| Die Hoffnung, der Aufklärung im Ausschuss wirklich näherzukommen, hat | |
| Schneider weitgehend begraben. „Das Problem ist“, sagt sie, „dass die | |
| Polizei die Deutungshoheit für sich beansprucht und nicht willens ist, ihr | |
| Verhalten selbstkritisch zu reflektieren. Ihre Version soll die gültige | |
| sein.“ Demo-Teilnehmer*innen haben bisher nicht im Rathaus ausgesagt, aber | |
| Ende Mai soll es eine öffentliche Anhörung der Schanzenbewohner*innen | |
| geben. | |
| Die Akten, die die Parlamentarier*innen einsehen können, bekommen sie von | |
| der Polizei. Das ist normal bei solchen Ausschüssen, nur gibt die Behörde, | |
| wenn es um G20 geht, viele Akten eben nicht heraus. Im Herbst war der | |
| Ausschuss mit einem Skandal gestartet, viele Parlamentarier*innen regten | |
| sich darüber auf, dass große Teile der Akten geschwärzt waren. Die Polizei | |
| entschuldigte sich. Grundlegend geändert habe sich seitdem nichts, sagt | |
| Schneider: „Was die Behörde nicht herausgeben will, entnimmt sie oder | |
| schwärzt die Passagen.“ | |
| Die Sitzungen im Sonderausschuss sind lang und zäh. Da ist die Rede von | |
| Kräften, die vom Einsatzort A zum Einsatzort B „verbracht werden“ mussten, | |
| um „eine Separation vorzunehmen“, mit dem Ziel, „das Kräftepotenzial der | |
| Gegenveranstaltung zu halbieren“. An anderer Stelle redet Dudde zwanzig | |
| Minuten am Stück über Organisationsabläufe bei Polizeiuntereinheiten, den | |
| „Rahmeneinsatzbefehl“ und davon, dass dem G20-Einsatzstab 15 | |
| Einsatzabschnitte unterstellt waren. „Die labern dich tot“, sagt Schneider. | |
| Als die Linke fragt, welche Vorkehrungen die Polizei bezüglich einer | |
| Massenpanik getroffen habe, fragt Ferk zurück: „Massenpanik? Das waren | |
| Straftäter! Die haben versucht zu fliehen, und das ist ihnen leider | |
| gelungen.“ | |
| Ein Vertreter der CDU bedankt sich bei der Polizei für ihren Einsatz. | |
| Schneider sieht unglücklich aus. „Ich stelle fest, dass die Wahrnehmungen | |
| sehr verschieden sind“, sagt sie. | |
| Blechschmidt formuliert es radikaler: „Der Ausschuss ist ein Forum für die | |
| Polizei, sich ohne jegliches Korrektiv darzustellen. Er ist nutzlos und | |
| Zeitverschwendung.“ | |
| ## Warum griff die Polizei so spät am Schanzenviertel ein? | |
| Eine Frage, die der Ausschuss noch wird klären müssen, ist die, warum die | |
| Polizei am Freitag des Gipfelwochenendes die Bewohner*innen des | |
| Schanzenviertels allein ließ. Es war der erste Abend des Gipfelwochenendes, | |
| der für die Hamburger*innen zum einschneidenden Ereignis wurde und die | |
| Stimmung in der Stadt kippen ließ – zu Ungunsten der Linken. | |
| Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staatsgäste in | |
| der Elbphilharmonie Beethovens Neunte Sinfonie anhörten, entwickelte sich | |
| im Schanzenviertel so etwas wie eine staatsfreie Zone. Über Stunden | |
| feierten Linksradikale, Krawalltourist*innen, Schaulustige und | |
| Trittbrettfahrer*innen die Abwesenheit der Polizei. Sie tanzten um | |
| Straßenfeuer, entzündeten Barrikaden, brachen in Geschäfte ein und stahlen | |
| Computer und Süßigkeiten. An den schmalen Zufahrtsstraßen zum | |
| Schanzenviertel standen Wasserwerfer lange herum und tropften vor sich hin. | |
| Erst gegen Mitternacht räumte die Polizei das Viertel. | |
| Es habe Lebensgefahr für die Polizeibeamt*innen bestanden, sagte der | |
| Polizeisprecher Timo Zill später, „wir hatten Hinweise vom | |
| Verfassungsschutz, dass die Polizei in einen Hinterhalt gelockt werden | |
| sollte“. Beweise gibt es dafür nicht. Aber auch die Anwohner*innen im | |
| Schanzenviertel sind nach den Ausschreitungen verunsichert, manche sind | |
| wütend auf die Flora, obwohl diese sich von den Ausschreitungen distanziert | |
| hatte. | |
| Deshalb suchen Blechschmidt und der Flora-Anwalt Andreas Beuth zehn Tage | |
| nach dem Gipfel das Gespräch mit den Anwohner*innen. Auf einer | |
| Stadtteilversammlung stehen sie tausend Menschen Rede und Antwort. Es sei | |
| unverantwortlich, Barrikaden in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden, sagen | |
| Blechschmidt und Beuth. Grundsätzlich von politischer Militanz distanzieren | |
| wollten sie sich aber nicht. Die Stimmung ist deutlich auf ihrer Seite. | |
| Drei Monate später nehmen Innensenator Grote und Polizeipräsident | |
| Ralf-Martin Meyer das Kulturzentrum aus der Schlusslinie. Sie sagen, die | |
| Flora habe „keine aktive Rolle“ bei den Protesten gespielt. Seitdem ist | |
| Ruhe eingekehrt. Auch wenn es nicht offiziell gesagt wird: In Hamburg will | |
| niemand, außer vielleicht der AfD, die Räumung des autonomen Zentrums. | |
| Und dann ist da noch die juristische Aufarbeitung. Jede Woche laufen am | |
| Hamburger Amtsgericht mehrere Prozesse gegen G20-Gegner*innen. Von den | |
| bisher 40 abgeschlossenen Verfahren endeten nur zwei mit Freisprüchen. Die | |
| restlichen Urteile lesen sich so: zwei Jahre und sieben Monate Haft, ein | |
| Jahr und vier Monate Haft, drei Jahre Haft, drei Jahre und drei Monate | |
| Haft, zwei Jahre Jugendstrafe zur Bewährung, ein Jahr Jugendbewährung, ein | |
| Jahr und zehn Monate Bewährung. Meistens geht es um Flaschenwürfe auf | |
| Polizeibeamt*innen. Das kann verschiedene Anklagen zur Folge haben: | |
| schwerer Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung, | |
| Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätlicher Angriff. | |
| Drei Menschen sitzen noch in Untersuchungshaft. | |
| ## Linke Gruppen ziehen keine Konsequenzen | |
| Deniz Ergün sitzt in einer Kneipe auf St. Pauli und wartet noch auf die | |
| Eröffnung seines Strafverfahrens. An einer Wand hängt ein riesiger roter | |
| Stern, an einer anderen zwei Flaggen aus Metall, die indirekt beleuchtet | |
| werden, Antifaschistische Aktion steht in dem Kreis um die Flaggen. Es ist | |
| keine normale Kneipe, sondern der Treffpunkt des Roten Aufbau, einer | |
| Hamburger Gruppe linker Antiimperialisten. Ergün heißt in Wirklichkeit | |
| anders, aber unter seinem Pseudonym tritt er als Sprecher des Roten Aufbaus | |
| auf. Seine Wohnung durchsuchte die Polizei gleich zwei Mal, einmal vor und | |
| einmal nach dem Gipfel. | |
| „Die Repression hat uns hart getroffen“, sagt er. „Das schwächt die | |
| Bewegung.“ Eine groß angekündigte G20-Antirepressionsdemo im März blieb | |
| klein und leise. Teile der linken Szene seien wie paralysiert gewesen, sagt | |
| Ergün. Trotzdem will er nicht von einer Niederlage sprechen. „Wir machen ja | |
| weiterhin Politik.“ Dass Repression auch zur politischen Arbeit gehöre, | |
| lerne die radikale Linke jetzt, und auch, dass der Knast nicht ganz so weit | |
| weg ist, wie man vielleicht dachte. | |
| Was bleibt, neun Monate nach dem Massenprotest? Auch aus Sicht der | |
| Interventionistischen Linken war es trotz allem ein Erfolg. Die Bedeutung | |
| des Protest-Großereignisses würde sich zwar wohl erst in ein paar Jahren | |
| zeigen, sagt deren Sprecherin Emily Laquer. Aber was man schon jetzt sehe: | |
| Seit dem Gipfel würden Interessierte der IL die Bude einrennen. Die Frage, | |
| ob der Preis, den die Linke zahlen musste, zu hoch gewesen sei, stelle sich | |
| nicht, sagt Laquer. „Man muss den Preis einkalkulieren, aber er darf einen | |
| nicht davon abhalten zu kämpfen.“ | |
| „Olaf, zahl die Zeche“, stand vor einigen Monaten in roten Buchstaben am | |
| Fenster einer Kneipe in der Nähe der Reeperbahn. Aber die Zeche zahlt | |
| niemand, dafür hätten Köpfe rollen müssen. Zwar ermittelt das Dezernat | |
| Interne Ermittlungen der Polizei wegen G20 gegen 150 Beamt*innen, in den | |
| meisten Fällen wegen Körperverletzung im Amt. Zu Anklagen ist es bisher | |
| aber nicht gekommen. Und während Olaf Scholz zum Bundesfinanzminister | |
| befördert wurde, ist Hartmut Dudde zum Leiter der Hamburger Schutzpolizei | |
| avanciert. | |
| Im Hamburger Senat hat man sich längst auf eine G20-Erzählung geeinigt: | |
| Linke Gewalttäter*innen haben kurz die Sicherheit und Ordnung der Stadt | |
| bedroht, aber unterm Strich hatte die Polizei alles unter Kontrolle. Ihr | |
| ist für ihren mutigen und entschlossenen Einsatz zu danken, Ende der | |
| Geschichte. | |
| 17 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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