# taz.de -- Anklage eines linken Pressesprechers: Sein Name war bekannt | |
> Für Aufrufe zu G20-Demos im Hamburger Hafen ist der Sprecher des linken | |
> „Social-Strike“ Bündnisses angeklagt worden. Das Verfahren wurde | |
> eingestellt. | |
Bild: Keine Barrikaden, keine Steinwürfe: Demo im Hamburger Hafen während des… | |
BREMEN taz | Über ein Jahr nach dem G20-Gipfel in Hamburg wollte die | |
Staatsanwaltschaft in Bremen den Sprecher eines Blockade-Bündnisses für | |
angebliche Aufrufe zu Straftaten belangen. Tobias H. hatte dafür geworben, | |
[1][am 7. Juli 2017 während des G20-Gipfels den Hamburger Hafen zu | |
blockieren]. Mehrere Demos waren in dem Gebiet angemeldet, heraus kam ein | |
friedlicher Protestzug ohne Zwischenfälle. | |
Anders als im Fall anderer SprecherInnen von Protest-Bündnissen, bei denen | |
die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen einstellte, wollte die | |
Bremer Staatsanwaltschaft den Fall durchziehen. Am Montag [2][wurde das | |
Verfahren schließlich eingestellt] – auf Kosten des Staates, der auch die | |
Anwaltskosten des Angeklagten übernehmen wird. | |
Schon nach wenigen Minuten hatte Richterin Cosima Freter deutlich gemacht, | |
dass sie der Sicht der Staatsanwaltschaft nicht folgen konnte. „Ich | |
tendiere zu Freispruch“, sagte sie. Weil die Staatsanwältin da aber nicht | |
mitgehen wollte und somit weiterer Verhandlungsaufwand hätte betrieben | |
werden müssen, kam es schließlich zur Einstellung. | |
Dass er die Anklage als „Einschüchterung linken Protests“ wertete, hatte | |
der Angeklagte Tobias H. schon vor der Verhandlung gesagt. Zwei Dutzend | |
Zuschauer waren zu seiner Unterstützung gekommen. H. ist nach dem | |
G20-Gipfel nicht der einzige Pressesprecher einer linken Gruppe, [3][gegen | |
den wegen öffentlicher Äußerungen ermittelt wurde] – aber sein Fall landete | |
vor Gericht. | |
Vorgeworfen wurden H. mehrere Statements, die er als Sprecher des „Social | |
Strike“-Bündnisses unter anderem im Frühjahr 2017 vor dem G20-Gipfel abgab. | |
H. hatte unter dem Pseudonym Timon Simons in mehreren Interviews erklärt, | |
wie das Bündnis während des G20-Gipfels im Hamburger Hafen protestieren | |
wolle und warum es zu „massenhaftem Ungehorsam“ aufrief. | |
Man wolle sich der „Logistik des Kapitals in den Weg stellen“, erklärte H. | |
„Wir spekulieren auf viele Hundert, wenn nicht gar Tausende Menschen, die | |
mit uns gemeinsam mit dem Einsatz ihrer Körper auf die Straße gehen | |
werden.“ Vor Augen habe man „ein bisschen die Aktivitäten und Proteste der | |
Kollegen und Kolleginnen in Südfrankreich, die versucht haben, miteinander | |
Raffinerien zu blockieren im Zuge von Streiks“. | |
„Logistiker der linksextremen Szene“ | |
Für die Bremer Staatsanwaltschaft hatte H. damit zu Straftaten | |
aufgefordert, war „Gesamtaktionsplaner“ und ein „Logistiker der | |
linksextremen Szene“. Dafür, dass Timon Simons auch wirklich H. ist, holte | |
man eigens ein „Behördenzeugnis“ des Landesamtes für Verfassungsschutz ei… | |
Besonders die Referenz auf den Streik in Frankreich hielt ihm die | |
Staatsanwaltschaft vor, wo es zu „schwersten Straftaten“ gekommen sei, wie | |
es zunächst in einem Strafbefehl hieß, den H. nicht akzeptierte. | |
Angestoßen worden waren die Ermittlungen durch einen Bremer Polizisten. Er | |
sei von einem Kollegen auf das Video aufmerksam gemacht worden, sagte der | |
60-Jährige, der als einziger Zeuge geladen war. Der Name von H., der sich | |
in Bremen regelmäßig öffentlich politisch äußert und als Anmelder von | |
Demonstrationen auftritt, sei ihm bekannt gewesen, so der Polizist. | |
Als die Richterin den Zeugen fragt, warum er überhaupt eine Straftat | |
vermutete, bleibt er vage. Man habe die Aussagen als „grenzwertig“ erkannt. | |
„Wir hatten die Sorge, dass das eskaliert.“ Ob er sich denn erkundigt | |
hätte, ob die Demonstration, zu der H. aufgerufen hatte, angemeldet war? Er | |
sei davon ausgegangen, sagt der Polizist, aber wirklich recherchiert habe | |
er das nicht. Trotzdem landete das Ganze dann bei der Staatsanwaltschaft. | |
„Ein Ärgernis“ sei das, sagte Rechtsanwalt Helmut Pollähne, der H. | |
verteidigte. „Zumindest im Fall der Polizei kann man schon von einer | |
Kriminalisierung sprechen“, sagte er der taz. „Das ist hart an der Grenze | |
zur Verfolgung Unschuldiger.“ | |
Tatsächlich verlief die Blockade, zu der H. aufgerufen hatte, völlig | |
friedlich. Mehrere Hundert Menschen zogen am Morgen des 7. Juli 2017, dem | |
ersten Tag des G20-Treffens, ohne Zwischenfälle durch das Gebiet des | |
Hamburger Hafens. Während nördlich der Elbe die Hubschrauber kreisten und | |
Rauchsäulen brennender Autos aufstiegen, wurden südlich der Elbe Äpfel | |
verteilt und Transparente gegen den Kapitalismus, Staat und Nationalismus | |
gehisst. Begleitet von PolizistInnen ohne Helme – an den Gipfeltagen ein | |
seltenes Bild. Einer der Polizisten sagte der taz damals sinngemäß, dass er | |
sogar froh sei, wenn die Hafen-Demo länger andauere. „Denn danach müssen | |
wir da hin“, sagte er, und zeigte Richtung Innenstadt, wo der Rauch | |
aufstieg. | |
30 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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