# taz.de -- NPD vor dem Verbotsverfahren: Jämmerlich | |
> Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob es die NPD verbietet. Ums | |
> Überleben kämpfen die Rechtsextremen bereits jetzt. | |
Bild: … morgen vielleicht nicht mehr | |
BERLIN taz | Frank Franz schlägt die Beine auf dem Ledersofa übereinander, | |
er lässt seinen Blick durch sein Büro in der NPD-Zentrale schweifen. Etwas | |
beschlagnahmen, hier? Auf dem Schreibtisch: ein Telefon, ein Laptop, ein | |
Miniaturkaktus. Auf dem Tisch: ein paar Flyer. An der Wand: „Die | |
Nachtwache“, eine Rembrandt-Kopie. Das war’s im Grunde. | |
Extra rausgeräumt worden sei nichts, beteuert Frank Franz, der | |
NPD-Bundeschef. Es sehe hier immer so karg aus. Und überhaupt: Es gebe gar | |
keinen Grund, etwas wegzuschaffen. Es werde hier keine Polizei kommen. „Wir | |
werden nicht verboten. Da sind wir uns sehr sicher.“ | |
Nur noch wenige Tage, dann könnte es freilich anders kommen. Dann könnte | |
die Partei von Frank Franz Geschichte sein. Seit 1964 gibt es die NPD, sie | |
saß in neun Landtagen, rund 5.000 Mitglieder zählt sie derzeit. Am Dienstag | |
wollen die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe ihr Urteil über die Partei | |
fällen: Gehören die Rechtsextremen verboten, wie es die Bundesländer | |
beantragt haben? | |
Es wird ein Meilenstein, so oder so. Lassen die Richter die NPD | |
unbescholten, hätte sie, nach dem gescheiterten Versuch 2003, das zweite | |
Mal ein Verbotsverfahren überlebt. Kommt es zum Parteiverbot, wäre es das | |
erste seit 1956, als die KPD verschwinden musste. Die Bundeszentrale am | |
Berliner Stadtrand würde von Polizisten „beschlagnahmt“. Die bundesweit | |
rund 360 NPD-Kommunalmandate wären weg, wohl auch das letzte prominente von | |
Exbundeschef Udo Voigt im Europaparlament. Die Parteikasse würde für | |
„gemeinnützige Zwecke“ eingezogen. Eine „Ersatzorganisation“ dürfte n… | |
gegründet werden. Die NPD wäre abgewickelt. | |
## Zwei Neinstimmen unter den Richtern | |
Aber ob es so weit kommt? Bisher lassen sich die Richter nicht in die | |
Karten schauen. In den Bundesländern, die 2013 das Verbot beantragten, | |
machte sich zuletzt Skepsis breit. Womöglich könnte das Gericht der NPD | |
zwar verfassungsfeindliche Ziele bescheinigen. Sie aber auch als zu | |
unbedeutend bewerten, als dass sie diesem Staat tatsächlich gefährlich | |
würde. Dazu kommt: Ein Verbot bräuchte die Zustimmung von sechs der sieben | |
Verfassungsrichter. Gibt es nur zwei Abweichler, scheidet dieses Urteil | |
aus. | |
„Ich bin weiterhin zuversichtlich“, sagt Lorenz Caffier, CDU-Innenminister | |
in Mecklenburg-Vorpommern, einer der vehementesten Verfechter eines | |
NPD-Verbots. Aber auch er baut vor: Es sei schon ein Erfolg, dass das | |
Verfahren trotz der hohen Hürden überhaupt durchgeführt wurde. „Auch wenn | |
die NPD am Ende nicht verboten würde, bekommen wir mit dem Urteil endlich | |
Rechtssicherheit.“ | |
Bereits im März 2016, als die Verfassungsrichter drei Tage lang über das | |
NPD-Verbot verhandelten, war deren Skepsis fassbar. Zwar nagelten sie die | |
Partei immer wieder auf ihre völkische Ideologie fest. Das Gericht verwies | |
aber auch auf den Mitgliederschwund, auf leere Kassen, auf die mäßigen | |
Erfolge. | |
In Mecklenburg-Vorpommern verlor die NPD im Herbst ihre letzten | |
Landtagsmandate. Bei den anderen vier Landtagswahlen im vergangenen Jahr | |
kam sie nur in Sachsen-Anhalt knapp über die Einprozenthürde. Stattdessen | |
segelte die rechtspopulistische Konkurrenz der AfD von Erfolg zu Erfolg. | |
Die Schlagzeilen, die der NPD zuletzt blieben, waren nur noch diese: ein | |
NPD-Abgeordneter, [1][der wegen eines KZ-Tattoos] vor Gericht stand. | |
[2][Und einer, der beschuldigt wird], eine geplante Flüchtlingsunterkunft | |
in Brandenburg angezündet zu haben. | |
Frank Franz weiß um die jämmerliche Lage. Seit 2014 führt der 38-jährige | |
Saarländer die Partei. Einen modernen, moderateren Kurs wollte der stets | |
geschniegelte Anzugträger der NPD geben. Seitdem geht es nur bergab. „Ich | |
breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich zugebe, dass wir Probleme | |
haben“, sagt Franz. Für die Urteilsfindung in Karlsruhe aber kommen sie dem | |
NPD-Chef nicht ungelegen. Retten sie seine Partei vor dem Verbot, wäre | |
Franz die Begründung egal. „Bei den Leuten wird nur hängen bleiben, dass | |
wir freigesprochen wurden. Der Rest interessiert nur noch das | |
Fachpublikum.“ | |
## Die Parteikasse ist leer | |
In der NPD gibt es aber sehr wohl Vorkehrungen für das Verbot. In | |
Mecklenburg-Vorpommern, einst Hochburg der Partei, sind alle von der NPD | |
genutzten Immobilien in Privathand. Sie blieben bei einem Verbot | |
unangetastet. Ein Funktionär berichtet von einem Rundruf, Mitglieder- und | |
Spenderlisten auf Festplatten zu verschlüsseln – für den Fall, dass es zu | |
Hausdurchsuchungen kommt. Und auch die Parteikasse ist so gut wie leer. Ein | |
fünfstelliger Betrag ist dort laut Parteichef Franz noch zu finden. Der | |
Rest sei in Wahlkämpfen aufgebraucht worden. | |
Auch politisch ist vorgesorgt. „Wir sind Überzeugungstäter“, sagt Franz. | |
Nur die wenigsten würden sich wohl zurückziehen. In Mecklenburg-Vorpommern | |
etwa kaperte die NPD im vergangenen Jahr bereits den Pegida-Ableger. | |
Andernorts initiierte die Partei verdeckt „Nein zum Heim“-Gruppen. Und zwei | |
mögliche Auffangbecken stehen schon bereit: die rechtsextremen | |
Kleinparteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“. Beide geben sich noch | |
radikaler, suchen den Schulterschluss auch mit parteilosen, gewaltbereiten | |
Neonazis. Und sie sind heute schon Heimat enttäuschter NPD-Abtrünniger. | |
Der sächsische Verfassungsschutz nennt den „III. Weg“ bereits jetzt eine | |
„direkte Konkurrenz zur schwächelnden NPD“, aufgrund ihres „hohen | |
Aktionsniveaus“. Und bei „Die Rechte“ raunt man schon von angeblichen | |
Plänen einer „unfreundlichen Übernahme“, sollte Karlsruhe die NPD | |
verbieten. Man würde dann „sorgfältig selektieren“, wer überlaufen wolle, | |
sagt deren Chef Christian Worch. | |
Frank Franz weist solche Pläne zurück. Seine Partei lässt er | |
Zweckoptimismus verbreiten. Für das Wochenende nach der Urteilsverkündung | |
lädt sie im sächsischen Riesa in die Stadthalle: zu einem „öffentlichen | |
Jahresauftakt“. Als „aktionsfähiger Faktor in der Politik“ werde man sich | |
präsentieren, heißt es in der Einladung. Und der NPD-Bundesvorstand fasste | |
auf seiner jüngsten Klausurtagung einen „Dreijahresplan“. Der aber spiegelt | |
auch die kümmerliche Lage wieder: Die Parteiaktivitäten sollen bis zu den | |
nächsten aussichtsreichen Wahlen in Sachsen 2019 „stärker fokussiert“ | |
werden, um so zumindest „Achtungserfolge“ zu erzielen. | |
Andere glauben daran nicht mehr. Die NPD werde sich bald „erledigt haben“, | |
wenn „so weiter gewurstelt wird wie derzeit“, klagte zuletzt Peter Marx, | |
Mitglied im Bundesvorstand und seit Jahrzehnten in der Partei. Der | |
Parteichef in Hamburg, Thomas Wulff, trat gleich ganz aus der Partei aus: | |
Die NPD sei „von innen heraus verfault“. Er sei es leid, sich | |
„fremdzuschämen“. | |
## Pegida in Sachsen braucht die NPD nicht | |
Selbst in Sachsen, einst Hochburg der NPD, macht die Partei seit dem | |
Ausscheiden aus dem Landtag 2014 kaum einen Stich. In Dresden steht Pegida | |
auf der Straße, ohne auf die NPD angewiesen zu sein; überall sonst | |
übernimmt die AfD das Terrain. Bei 20 Prozent lagen die Rechtspopulisten in | |
Sachsen zuletzt in Umfragen – die NPD ist nicht mehr messbar. Deren | |
Exlandeschef Holger Apfel verdingt sich heute als Kneipenwirt auf Mallorca. | |
Sein Nachfolger wurde geschasst, weil bei ihm angeblich Schwulenpornos | |
gefunden wurden. | |
Knapp 30 Kommunalmandate verlor die NPD laut Verfassungsschutz in den | |
vergangenen zwei Jahren im Land, vor allem durch Parteiaustritte. Zum | |
Beispiel Bautzen: 2014 saßen dort im Stadtrat noch zwei NPD-Abgeordnete, im | |
Kreistag waren es fünf. Nach und nach verließen diese entnervt die Partei, | |
die letzte beiden Abgeordneten schmissen im Dezember hin. Stattdessen ist | |
es nun die AfD, die in Bautzen gegen „Asylbetrüger“ oder muslimische | |
„Surensöhne“ Stimmung macht. Mit den alten NPD-Parolen. | |
Für einige in der NPD gibt es deshalb nur einen Weg: eine Radikalisierung. | |
Eine zweite AfD brauche niemand, sagt Uwe Meenen, NPD-Landeschef in | |
Berlin. „Wir wollen eine andere Republik. Und das müssen wir stärker | |
akzentuieren.“ Für Meenens Mitstreiter ist der Schritt alternativlos – | |
gerade nach dem Dienstag. Wird die NPD nicht verboten, wäre es für sie ein | |
Freifahrtschein, nun die ganz radikalen Töne auszupacken. Noch einen | |
Verbotsversuch würde es so schnell nicht geben. Macht Karlsruhe der Partei | |
aber ein Ende, würde der Weg eben außerparlamentarisch gegangen. | |
Für Frank Franz ist beides keine Option. „Mit mir wird es keine Rolle | |
rückwärts geben. Wir müssen anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte | |
sein.“ Die Parteimehrheit sehe das auch so. Andere arbeiten dagegen längst | |
an der Entmachtung ihres Vorsitzenden. Die Partei brauche einen | |
„Neuanfang“, verkündete Berlin-Chef Meenen zuletzt öffentlich, statt „w… | |
von Sinnen dem Untergang entgegenzutaumeln“. Für Franz könnte der Dienstag | |
deshalb auch eine Rettung sein: mit einem Abgang nicht als Gestürzter, | |
sondern als vom Staat beseitigter Märtyrer. | |
14 Jan 2017 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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