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# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zur NPD: Kein Potenzial, keine Perspektive
> Das „Volksgemeinschafts“-Konzept verstößt zwar gegen Menschenwürde und
> Demokratie – aber die NPD habe nicht die Möglichkeit, es umzusetzen.
Bild: Das Bundesverfassungsgericht hält den Einfluss der NPD für gering. Ande…
Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag des Bundesrats,
die Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD zu verbieten, einstimmig
abgelehnt. Die Partei verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, habe aber
„auf absehbare Zeit“ nicht das Potenzial, diese Ziele auch zu erreichen.
Die Entscheidung ist mit knapp 300 Seiten eine der längsten in der
Geschichte des Verfassungsgerichts. Sie definiert im ersten Teil die
Maßstäbe, die für Parteiverbote künftig gelten. Im zweiten Teil wendet sie
diese Maßstäbe auf die NPD an.
Laut Grundgesetz ist eine Partei zu verbieten, wenn sie darauf ausgeht, die
„freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu beseitigen oder zu
beeinträchtigen. Diese Grundordnung definierte das Gericht neu. Sie hat
jetzt drei Merkmale: Menschenwürde, Demokratie und Rechtstaatlichkeit.
Diese Ordnung wolle die NPD beseitigen, stellte das Gericht fest, und durch
ein Konzept der „Volksgemeinschaft“ ersetzen. Als Deutscher werde demnach
nur anerkannt, wer von Deutschen abstamme, Einbürgerungen würden nicht
akzeptiert. Das führe zur rechtlichen Abwertung aller, die nicht der
„Volksgemeinschaft“ angehören. So werde einerseits die Menschenwürde der
Betroffenen verletzt, denn die sei „egalitär“. Zudem missachte die NPD
dadurch auch das Demokratieprinzip, denn es beruhe auf der
gleichberechtigten Mitwirkungsmöglichkeit „aller Bürger“.
Auch rassistische und antisemitische NPD-Inhalte verletzten die
Menschenwürde. Zudem stellte das Gericht eine „Wesensverwandtschaft“ mit
dem Nationalsozialismus fest. Letzteres sei zwar kein Verbotsgrund an sich,
bestätige aber die NPD-Missachtung der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung.
## Neue Interpretation des Grundgesetzes
Dennoch wird die NPD nicht verboten. Und das ist die Folge einer neuen
Interpretation des Grundgesetzes durch die Verfassungsrichter. 1956 – beim
KPD-Verbot – sagte Karlsruhe noch: Eine Partei kann auch dann verboten
werden, „wenn nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht,
dass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde
verwirklichen können“. Nach diesem Maßstab wäre nun also auch die NPD
verboten worden.
Aber Karlsruhe definierte den Maßstab neu. Zwar ist weiterhin keine
„konkrete Gefahr“ für die freiheitlich-demokratische Grundordnung
erforderlich. Das Parteiverbot greife nach dem Motto „Wehret den Anfängen“
schon im Vorfeld einer Gefahr, so die Richter. Allerdings müssten die
Voraussetzungen wegen des „demokratieverkürzenden“ Charakters von
Parteiverboten „restriktiv“ ausgelegt werden. „Erforderlich sind konkrete
Anhaltspunkte von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass das
Handeln der Partei zum Erfolg führt“, sagte Andreas Voßkuhle, der Präsident
des Gerichts. Verkürzt gesagt: Es kommt darauf an, ob die Partei das
Potenzial hat, ihre Ziele zu erreichen.
Dieses Potenzial konnten die Richter nicht erkennen. Die NPD habe keine
Perspektive, politische Mehrheiten zu erreichen. Die Wahlergebnisse bei
Bundestagswahlen stagnierten auf sehr niedrigem Niveau (2013: 1,3 Prozent).
Die Partei sei in keinem Landtag mehr vertreten. Sie habe auch keine
Option, sich in einer Koalition politische Gestaltungsspielräume zu
schaffen, da niemand mit ihr zusammenarbeiten wolle.
Auch im politischen Diskurs könne sie ihre Ziele nicht durchsetzen. Mit
knapp 6.000 Mitgliedern sei sie nicht in der Lage, die gesellschaftliche
Willensbildung zu beeinflussen. Auch die rechten Kameradschaften könnten
nicht als verlängerter Arm der NPD angesehen werden. Die Partei sei also
weitgehend isoliert. Auch der Versuch, sich in ihren Hochburgen als
„Kümmerer“ zu profilieren, führe nicht zu erhöhter Akzeptanz deren
politischer Ziele.
## Keine „Grundtendenz“ für Gewalt
Verbotswürdig wäre es schon, wenn die NPD ihre Ziele mit Gewalt verfolgen
würde. Hierfür gebe es aber keine „Grundtendenz“ in der Partei, so die
Richter. Rechte Gewalttaten gegen Asylunterkünfte könnten der NPD nur
zugerechnet werden, wenn diese sie billige, was nicht der Fall sei. Es
genüge nicht, dass die NPD durch ihre Agitation zu einem
ausländerfeindlichen Klima beigetragen habe.
Es gebe in Deutschland auch keine „national befreiten Zonen“ und „keine
Atmosphäre der Angst“, betonte das Gericht. Das Dorf Jamel bei Wismar sei
ein Sonderfall, es habe aber auch nur 47 Einwohner. Selbst in den
NPD-Hochburgen Anklam und Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) konnte das
Gericht keine „Dominanz“ der NPD feststellen. Gegen strafbares Verhalten
einzelner NPD-Mitglieder müsse mit Polizei- und Strafrecht vorgegangen
werden. Die Anordnung eines Parteiverbots sei „noch nicht“ gerechtfertig,
heißt es aber durchaus drohend in Randziffer 1007 des Urteils.
Dass sich die Nationaldemokraten keineswegs als Sieger des Verfahrens
fühlen können, deuteten die Richter auch auf der letzten Seite der
Entscheidung an: Die Partei bekommt keinerlei Kostenerstattung für das
Verfahren – denn der Prozess habe gezeigt, dass ihr Handeln planmäßig auf
die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet sei.
(Az.: 2 BvB 1/13)
17 Jan 2017
## AUTOREN
Christian Rath
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