| # taz.de -- „Mitte-Studie“ der Universität Bielefeld: „Feindselige Zust�… | |
| > Eine Studie verzeichnet hohe Zustimmung für die Demokratie in | |
| > Deutschland. Doch auch die Vorurteile gegen Minderheiten sind ausgeprägt. | |
| Bild: Die Studie hat einen positiven Grundbefund, wie er auch bei der #unteilba… | |
| Berlin taz | [1][Die Lage hat sich eigentlich entspannt]. 185.800 | |
| Asylanträge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gestellt – 16 Prozent | |
| weniger als im Vorjahr. Die ganz große Fluchtdebatte hat sich gelegt, | |
| inzwischen diskutiert die Politik auch wieder andere Themen prioritär. Die | |
| Bevölkerung aber scheint die Zuwanderungsfrage weiter umzutreiben – und zu | |
| spalten. | |
| Das jedenfalls belegt die neue [2][„Mitte-Studie“ der Universität | |
| Bielefeld], die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Demnach lehnen 54,1 | |
| Prozent der befragten Deutschen Asylsuchende eher ab – ein Höchstwert seit | |
| 2011, dem Beginn der Abfrage. Und dies trotz der gesunkenen Zuwanderung. | |
| Auf der anderen Seite befürworten viele Befragte eine offene Gesellschaft: | |
| 80 Prozent erklären, sie finden es gut, wenn Menschen sich gegen Hetze | |
| gegen Minderheiten einsetzen. Genauso viele stehen für eine vielfältige | |
| Gesellschaft ein. | |
| Die Bielefelder Studie zählt zu den prominentesten in Deutschland. Seit | |
| 2002 fragt sie Einstellungen zu „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ | |
| ab, aktuell im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Diesmal | |
| wurden 1.890 Personen von Ende 2018 bis Anfang 2019 befragt. | |
| Und der Grundbefund ist ein positiver: Denn der größte Teil der Befragten | |
| verteidigt die Demokratie. So halten es 86 Prozent für unerlässlich, dass | |
| Deutschland demokratisch regiert wird. 93 Prozent erklären, die Würde und | |
| Gleichheit aller sollte an erster Stelle stehen. Auch die Europäische Union | |
| findet Zuspruch: 86 Prozent finden, der Zusammenhalt in der EU müsse | |
| gestärkt werden. | |
| ## 13 Prozent stimmen Nationalchauvinismus zu | |
| Aber: Ein gar nicht so kleiner Teil der Bevölkerung vertritt genau | |
| gegenteilige Positionen. So ist ein Drittel der Befragten der Meinung, dass | |
| die Demokratie zu „faulen Kompromissen“ führe. Ebenso viele wenden sich | |
| gegen das Prinzip der gleichen Rechte für alle. Und immerhin 13 Prozent | |
| stimmen einem Nationalchauvinismus zu, wie es die Forscher nennen. Etwa mit | |
| der Aussage: „Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, | |
| Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht.“ | |
| Immerhin acht Prozent stimmen auch dem Satz zu: „Eigentlich sind die | |
| Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen.“ | |
| Ein gänzlich geschlossenes, rechtsextremes Weltbild vertreten laut Studie | |
| allerdings nur 2,4 Prozent der Deutschen – im Osten genau so viele wie im | |
| Westen. Nach einem Ost-Ausreißer 2016 (5,9 Prozent) ist dieser Wert seit | |
| 2014 stabil. | |
| Aber: Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen existieren auch | |
| darüber hinaus – und haben sich über die Jahre verfestigt. Die höchste | |
| Ablehnung erfahren derzeit Asylsuchende. Jeder zweite Befragte stimmte der | |
| Aussage zu, dass die meisten Asylbewerber in ihren Heimatländern gar nicht | |
| verfolgt würden – oder widerspricht, dass der Staat großzügig bei | |
| Asylanträgen sein sollte. Hohe Negativwerte erhalten auch Sinti und Roma | |
| (25,8 Prozent) und Muslime (18,7 Prozent). Die Ablehnung von Homosexuellen, | |
| Obdachlosen oder Menschen mit Behinderung ist dagegen gesunken. | |
| ## Vor allem AfD-Wähler neigen zu Vorurteilen | |
| Vor allem AfD-Wähler neigen zu Vorurteilen. Hier sind es gar 84,7 Prozent, | |
| die Asylsuchende ablehnen. Auch Muslimen stehen AfD-Wähler zu 66,2 Prozent | |
| eher ablehnend gegenüber. Bei „Ausländern“ generell sind es 59,0 Prozent. | |
| Hier wird die Zustimmung zu den Thesen gemessen, dass „zu viele Ausländer | |
| in Deutschland leben“ und diese in ihre Heimat zurückgeschickt werden | |
| sollten, wenn Arbeitsplätze hierzulande knapp werden. Die Werte der Wähler | |
| anderer Parteien liegen bei diesen beiden Fragen zwischen 6,1 (Grüne) und | |
| 15,8 Prozent (Union). | |
| Hier wiederum tun sich sehr wohl Unterschiede zwischen Ost und West auf. | |
| Die Abwertung von Asylsuchenden ist in Ostdeutschland höher als im Westen | |
| (63 zu 51 Prozent), [3][auch die von Muslimen] (26 zu 19 Prozent) oder | |
| „Fremden“ (23 zu 18 Prozent). Die Erfahrungen aus zwei unterschiedlichen | |
| politischen Systemen seien ernstzunehmen, erklärt Studienautorin Beate | |
| Küpper. „Doch entlässt dies, bei allem Verständnis, nicht aus der | |
| Verantwortung für die eigene politische Haltung.“ | |
| Dazu konstatiert die Studie weitverbreitete rechtspopulistische | |
| Einstellungen: 21 Prozent der Befragten würden zu diesen neigen – ein über | |
| die Jahre stabiler Wert. Die Forscher verstehen hierunter ein Misstrauen in | |
| die Demokratie, die Zustimmung zu Law-and-Order-Politik sowie die Abwertung | |
| von Minderheiten. Gestiegen sei auch der Zuspruch zu neurechten | |
| Einstellungen – die einem völkischen Leitbild folgten und zu Widerstand | |
| gegen Eliten aufriefen. Vertreten wird dies etwa von der Identitären | |
| Bewegung. So sei ein Drittel der Befragten der Ansicht, die Regierung | |
| verschweige der Bevölkerung „die Wahrheit“. 55 Prozent sprechen von einem | |
| „Meinungsdiktat“ in Deutschland, ein Drittel fordert Widerstand gegen die | |
| herrschende Politik. | |
| ## 45 Prozent stimmen „Verschwörungsmythen“ zu | |
| Und etliche Befragte stimmen auch „Verschwörungsmythen“ zu – ein Punkt, … | |
| die Forscher erstmals erhoben. So meinen 45 Prozent der Befragten, geheime | |
| Organisationen würden politische Entscheidungen beeinflussen. Ein Viertel | |
| glaubt, Politik und Medien „stecken unter einer Decke“. | |
| Die Forscher nennen ihre Studie nicht von ungefähr „Verlorene Mitte – | |
| Feindselige Zustände“. „Die Mitte verliert ihren festen Boden und ihre | |
| demokratische Orientierung“, lautet ihr Resümee. Vor allem die neurechten | |
| Einstellungen, die eine „Überfremdung“ behaupteten und ein „homogenes Vo… | |
| beschwörten, würden die liberale Gesellschaft schwächen – und den | |
| klassischen Rechtsextremismus ablösen. | |
| „Lippenbekenntnisse zur Demokratie werden nach der Studie nicht reichen“, | |
| befindet Autor Andreas Zick, Direktor des Bielefelder Instituts. Es brauche | |
| mehr Demokratiebildung in Deutschland. Und weniger Verharmlosungen von | |
| menschenfeindlichen Meinungen. | |
| 25 Apr 2019 | |
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| [3] /Migrationsforscherin-ueber-Ostdeutsche/!5582157 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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