# taz.de -- Leak im Verteidigungsausschuss: Womöglich nur bedingt abwehrbereit | |
> Kanzler Scholz’ Nein zum Taurus wird durch die durchgestochenen | |
> Informationen bestätigt. Die CDU dürfte ihre Attacken jetzt | |
> herunterfahren. | |
Bild: Die Tücke liegt im Detail: Nahaufnahme des Marschflugkörpers Taurus | |
BERLIN taz | Es steht nicht gut um die bundesdeutsche Sicherheit. Erst | |
hörte Russland eine Besprechung von Bundeswehroffizieren ab. Dann drangen | |
geheime Informationen über den Marschflugkörper Taurus aus dem | |
Verteidigungsausschuss des Bundestags. Der Generalinspekteur der Bundeswehr | |
Carsten Breuer hatte dem Ausschuss technische Details der Waffe erläutert. | |
Breuers Kernaussage: Wenn Deutschland größere Mengen voll einsatzfähiger | |
Taurus an die Ukraine liefert, ist die Bundeswehr womöglich nur noch | |
bedingt abwehrbereit. | |
Taurus-Marschflugkörper können zielgenau zum Beispiel feindliche | |
Abschussbasen zerstören. Das Internetportal T-Online hatte recht | |
detaillierte Informationen über die Waffe publik gemacht. | |
Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, hat | |
Anzeige wegen Geheimnisverrat gestellt, eine minder schwere Form von | |
Landesverrat. Dieses Delikt können 105 Personen begangen haben – so viele | |
haben aus Parlament, Regierung und Landesvertretungen an der Sitzung des | |
Verteidigungsausschusses teilgenommen. | |
Die Wahrscheinlichkeit, unter mehr als neun Fußballmannschaften die | |
undichte Stelle zu finden, gilt als nicht sehr groß. Die FDP-Politikerin | |
Strack-Zimmermann hatte bereits einmal Anzeige wegen Geheimnisverrat | |
gestellt, ohne Ergebnis: 2022 waren via Verteidigungsausschuss Infos des | |
BND über russische Funksprüche in die Öffentlichkeit gelangt. | |
## Grüne und FDP sehen Scholz' Kurs skeptisch | |
Ein Effekt der jüngsten Affäre ist, dass der Vorfall das Nein von Kanzler | |
Olaf Scholz zu den Taurus-Lieferungen an Kyjiw nun in einem für Scholz | |
günstigerem Licht erscheinen lässt. CDU-Politiker wie Norbert Röttgen | |
hatten Scholz attestiert, „sich den Drohgebärden Putins zu beugen, um mit | |
der selbst geschürten Kriegsangst Wählerstimmen zu gewinnen“. | |
Auch Abgeordnete von Grünen und FDP sehen Scholz’ Kurs skeptisch. Der | |
Kanzler hatte anfangs betont, die Marschflugkörper würden Deutschland zu | |
eng in den Krieg verstricken, weil das Waffensystem von deutschen Soldaten | |
programmiert werden müsste. Im Bundestag hatte Scholz in der letzten Woche | |
gesagt: „Das ist eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten | |
will.“ | |
Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern, könnte auch Moskau von | |
ukrainischem Gebiet aus treffen und ist nur schwer abfangbar. Kritiker | |
hatten der SPD, die in dieser Frage hinter dem Kanzler steht, vorgeworfen, | |
sie verweigere der Ukraine ein nötiges Waffensystem, aus grundlosem | |
Misstrauen, dass Kyjiw dieses missbrauchen könne. | |
## Union kann Ampel nicht spalten | |
Der Versuch der Union, die Ampel in der Taurus-Frage zu spalten, hatte im | |
Bundestag allerdings nur geringe Effekte. Nur zwei liberale Abgeordnete | |
stimmten vergangene Woche für einen Antrag der Opposition im Bundestag, der | |
Taurus-Lieferungen an die Ukraine fordert. Zudem legt die | |
Verteidigungsausschuss-Affäre nun nahe, dass der Kanzler sich auch um die | |
Verteidigungsfähigkeit der Republik sorgt. Das entspricht ganz Scholz’ | |
Selbstbild des besonnenen Strategen, der sich nicht von überhitzten | |
Debatten um einzelne Waffensysteme treiben lässt. Die Bundeswehr besitzt | |
600 Taurus, allerdings sind nur 150 einsatzbereit. | |
In der Union gibt es nun offenbar Überlegungen, ob man die Offensivtaktik | |
in Sachen Taurus – die Ampel spalten, Scholz attackieren – in dieser | |
Heftigkeit weiterverfolgen will. Umfragen legen nahe, dass zwei Drittel der | |
WählerInnen gegen die Lieferungen sind. Besonders unschön ist für die | |
Union, dass auch eine knappe Mehrheit der eigenen Anhängerschaft [1][sich | |
gegen diesen Waffenexport wendet]. Die Union wird ihr Ja zum Taurus nicht | |
kippen, aber möglicherweise Frequenz und Heftigkeit der Angriffe auf den | |
Kanzler mit Blick auf die Europawahl reduzieren. | |
Jenseits der Taurus-Debatte tut sich etwas in Sachen Unterstützung für die | |
Ukraine. Die Nato-Länder kaufen auf dem Globus Waffen ein. Dagegen hatte | |
sich der französische Präsident Emmanuel Macron lange gewehrt, der lieber | |
Aufträge für die französische Rüstungsindustrie gesehen hätte. Aber nicht | |
alle Staaten, die Waffen verkaufen, wollen das an die große Glocke hängen – | |
wegen potenziellem Ärger mit Russland. Auch diese Käufe werden zum Teil, | |
deutsche Lernfähigkeit vorausgesetzt, geheim bleiben. | |
18 Mar 2024 | |
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[1] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3416.html | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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