# taz.de -- Nato-Treffen in Brüssel: Keine Bombenstimmung | |
> Die Nato-Verteidigungsminister zeigen sich von den Debatten um Donald | |
> Trump und europäische Atombomben genervt. | |
Bild: In Szene gesetzt: Donald Trump, hier bei einem Besuch der Militärbasis R… | |
BRÜSSEL BERLIN taz | Um die Ukraine sollte es gehen und um neue deutsche | |
Waffenlieferungen. Doch als Boris Pistorius am Mittwoch zum Treffen der | |
Nato-Verteidigungsminister nach Brüssel kam, musste er sich erst einmal | |
Fragen zu Donald Trump und zur Nuklearbewaffnung stellen. | |
[1][Hat Trump den amerikanischen Sicherheitsschirm für Europa infrage | |
gestellt?] Und muss Europa nun über eine eigene Atombombe nachdenken? Diese | |
Fragen treiben nicht nur die Journalisten um, sondern auch die 31 | |
alliierten Minister, die noch bis Donnerstag in Brüssel tagen. | |
Noch bevor Pistorius eingetroffen war, versuchte Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg, die Gemüter zu beruhigen. „Wir haben die nukleare Abschreckung | |
der Nato und diese bietet den Verbündeten seit Jahrzehnten die ultimativen | |
Sicherheitsgarantien“, sagte der Norweger. | |
Alles sei unter Kontrolle, europäische Atomwaffen würden nicht gebraucht, | |
so Stoltenberg. Schließlich gäbe es ja die in Europa stationierten | |
US-Atomwaffen, an deren Einsatz über das Konzept der [2][„nuklearen | |
Teilhabe“] auch Länder wie Deutschland beteiligt werden könnten. | |
## Fortschritt bei Zwei-Prozent-Ziel | |
Weniger gelassen reagierte Pistorius. „Ich halte nichts von aufgeregten | |
Debatten zur Unzeit“, sagte er nach seiner Ankunft in Brüssel. Die | |
Nukleardebatte sei „eine Eskalation in der Diskussion, die wir nicht | |
brauchen“, betonte der SPD-Politiker. | |
Die Europäer dürften „nicht ständig wie das Kaninchen auf die Schlange“ | |
starren, so Pistorius. Es bringe nichts, jedes Zitat aus dem US-Wahlkampf | |
auf die Goldwaage zu legen. Damit sprach er vielen seiner Kollegen aus der | |
Seele, die die Trump-Debatte nur noch nervt. | |
Offensiver gaben sich die Minister beim zweiten Reizthema, das Trump | |
aufgeworfen hat: der Erreichung des selbst gesteckten Zwei-Prozent-Ziels. | |
Mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, so hatten es die | |
Alliierten vor zehn Jahren in Wales beschlossen, sollen in die Rüstung | |
gesteckt werden. | |
18 von 31 Alliierten hätten diese Vorgaben mittlerweile erreicht, erklärte | |
Stoltenberg. Auch Deutschland meldet Vollzug. Erstmals seit 1992 will die | |
Bundesrepublik im laufenden Jahr wieder über zwei Prozent kommen – | |
Pistorius sprach sogar von 2,1 Prozent. Demgegenüber hinken Spanien, die | |
Türkei und Belgien hinterher. | |
## Abschied vom Ramstein-Format | |
Das wäre kein Drama, hätte Trump nicht am Wochenende in einer Wahlkampfrede | |
damit geprahlt, dass er „säumigen“ Nato-Mitgliedern die Hilfe entziehen | |
könne. Wer seine „Rechnung“ nicht zahle, könne auch nicht mit | |
US-Unterstützung bei einem russischen Angriff rechnen. | |
Bei der Nato kam dies gar nicht gut an. „Jede Andeutung, dass Verbündete | |
sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit“, | |
warnte Stoltenberg. Am Mittwoch hieß es dann aus Brüssel, dass man auf | |
einem guten Wege sei. Bis zum Nato-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington | |
würden sicher auch die Nachzügler noch liefern. | |
Derzeit haben die Verteidigungsminister ganz andere Sorgen: Die ukrainische | |
Gegenoffensive, mit der die russischen Besatzer zurückgedrängt werden | |
sollten, ist gescheitert. Und die Hilfe für die Ukraine stockt; | |
ausgerechnet die USA sind in Verzug geraten. | |
Um die Versorgung zu sichern, könnte die Nato die Waffenhilfe an die | |
Ukraine künftig enger koordinieren oder sogar steuern. Bisher geschah dies | |
[3][im so genannten Ramstein-Format] – einer lockeren und formal | |
unabhängigen Runde von insgesamt 50 Ländern, die souverän entscheiden. Nun | |
könnte das Kommando an die Nato übergehen – nicht zuletzt, um sich vor den | |
Kapriolen eines Donald Trump zu schützen. Allerdings würde die | |
Militärallianz damit noch tiefer in den Krieg in der Ukraine hineingezogen. | |
Ein brisantes Thema – die Beratungen begannen am Mittwochabend hinter | |
verschlossenen Türen, Ende offen. | |
## Atomwaffen für Deutschland völkerrechtlich schwierig | |
Derweil löste in Deutschland die wolkige Ankündigung von Donald Trump, | |
europäischen Staaten – gesetzt, er würde erneut Präsident werden – im | |
Kriegsfall nicht sicher Beistand zu leisten, erhitzte Diskussionen aus. Die | |
SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl Katarina Barley äußerte Zweifel am | |
US-amerikanischen Atomwaffenschutzschirm. Sie verwies dabei auf ihre seit | |
langem unterstützte Idee einer gemeinsamen EU-Armee. Würde es eine solche | |
geben, müsste auch über Atombomben nachgedacht werden. Prompt kam aus der | |
CDU die Forderung, umgehend für Aufklärung zu sorgen. | |
Die Bundesregierung bemühte sich am Mittwoch um Beschwichtigung. „Es gibt | |
die Nato, wir glauben an die Nato und auch an all das, was an | |
Beistandsgarantien mit der Nato verbunden ist“, sagte Regierungssprecher | |
Steffen Hebestreit. „Das enthebt uns nicht der Aufgabe, immer wieder zu | |
prüfen, ob wir richtig aufgestellt sind und welche Entscheidungen wir für | |
die Zukunft treffen müssen.“ | |
Schon allein völkerrechtlich ist die Debatte, die Barley angestoßen hat, | |
heikel. Der Nichtverbreitungsvertrag aus dem Jahr 1967 verbietet es allen | |
Staaten jenseits der fünf offiziellen Atommächte, sich Kernwaffen | |
zuzulegen. Umstritten, wenn auch nicht eindeutig verboten ist in diesem | |
Zusammenhang schon die jetzige Nukleare Teilhabe innerhalb der Nato. | |
Daneben existiert seit einigen Jahren der Atomwaffenverbotsvertrag, der die | |
Waffen komplett ächten will – aber an dem sich die bisherigen Atommächte | |
nicht beteiligen. Deutschland hat ihn zwar nicht unterschrieben, hat auf | |
Bestreben der Grünen aber zumindest einen Beobachterstatus und drückt | |
dadurch gewissermaßen sein Wohlwollen aus. Daran festzuhalten und | |
gleichzeitig an EU-Atomwaffen zu arbeiten, geht politisch eigentlich nicht | |
zusammen.Wohl auch deshalb wird in Europa weiterhin auf die französischen | |
und britischen Atomwaffen gemeinsam mit den amerikanischen Atomwaffen als | |
Teil des Abschreckungspotentials der Nato gesetzt. | |
## Am Ende gewinnt nur: Donald Trump | |
Ohnehin mangelt es der EU an konkreten Konzepten, Strategien, technischer | |
Ausrüstung – und nicht zuletzt an Geld. Im Fall der Unterstützung für die | |
Ukraine zeigt sich derzeit sehr klar, wie schwer es den EU-Staaten fällt, | |
zu ihren Zusagen zu stehen. Und hier geht es nicht um | |
Massenvernichtungswaffen, sondern „nur“ um Munition, Panzer, Kampfjets oder | |
schlagkräftige Marschflugkörper, [4][etwa die Taurus], die in großer | |
Stückzahl von der Ukraine gefordert werden. Die Drohung, dass die USA sich | |
aus der Nato zurückziehen oder gar aussteigen könnten, zieht sich auch | |
durch diese Diskussion. | |
Die Debatte um die Aufrüstung Europas wird vor allem einen freuen: Donald | |
Trump. Über wenige, recht unkonkrete Sätze hat er es geschafft, dass sich | |
EU- und Nato-Staaten vor allem finanziell wappnen werden, um in Kriegsgerät | |
und Abschreckung zu investieren. | |
14 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Trumps-Aussagen-zur-Nato/!5988869 | |
[2] /Diskussion-um-nukleare-Teilhabe/!5928502 | |
[3] /Treffen-der-Ramstein-Kontaktgruppe/!5961386 | |
[4] /Debatte-um-Marschflugkoerper-fuer-Ukraine/!5984703 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Tobias Schulze | |
Tanja Tricarico | |
## TAGS | |
Nato | |
Donald Trump | |
Atombombe | |
Verteidigungsminister | |
Ramstein | |
GNS | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Münchner Sicherheitskonferenz | |
Atomwaffen | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Atomwaffen | |
Atomwaffen | |
Atomwaffen | |
Nato | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Leak im Verteidigungsausschuss: Womöglich nur bedingt abwehrbereit | |
Kanzler Scholz’ Nein zum Taurus wird durch die durchgestochenen | |
Informationen bestätigt. Die CDU dürfte ihre Attacken jetzt herunterfahren. | |
Münchner Sicherheitskonferenz: Trauer und Wut in München | |
Der Tod von Alexei Nawalny überschattet die Münchner Sicherheitskonferenz. | |
Seine Witwe Julija Nawalnaja ruft dazu auf, das Putin-Regime zu bekämpfen. | |
Europa, die USA und der Krieg: Ja zur Atombombe | |
Wenn Trump wieder US-Präsident wird, könnte er Nato-Partner hängen lassen. | |
Europa muss deshalb eigene Außenpolitik betreiben. | |
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Nato besorgt über fehlende US-Hilfen | |
Generalsekretär Stoltenberg warnt, die Blockade im Kongress zeige bereits | |
Folgen. Derweil bekundet Putin, er wolle nicht Trump, sondern Biden als | |
US-Präsident. | |
Atomstreitkräfte Frankreich und UK: Eigene Interessen | |
Die zwei Atommächte Europas modernisieren ihre nuklearen Arsenale schon | |
seit längerer Zeit. Die atomare Verfügungsgewalt soll national bleiben. | |
Reaktionen auf Trumps Nato-Aussage: Übers Stöckchen gesprungen | |
Die Aufregung über die Warnung des ehemaligen US-Präsidenten Trump an | |
Nato-Mitglieder ist fehl am Platz. Der Nuklearschirm der USA wird nicht | |
angetastet. | |
Atomwaffen für Europa: Streit um europäischen Atomschirm | |
Lindner will Verhandlungen über ein europäisches Atomwaffensystem zur | |
Abschreckung. Kritik kommt vom Verteidigungsminister Pistorius und aus der | |
FDP. | |
Nato-Vorgabe für Rüstungsbudget: Deutschland erreicht 2-Prozent-Ziel | |
Erstmals seit über 30 Jahren erreicht die Bundesrepublik die Nato-Vorgabe | |
für Militärausgaben. Das Geld fließt in Panzer, Schiffe und moderne | |
Kampfjets. |