# taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Bodo, der Balancekünstler | |
> Bodo Ramelow ist einziger Ministerpräsident der Linken. Selbst | |
> CDU-Anhänger wünschen sich eine weitere Amtszeit. Wie macht er das? | |
Bild: Bodo, die Kartoffel | |
Gleich wird Bodo Ramelow in seine Vergangenheit hinabfahren, 800 Meter in | |
die Tiefe. Das Bergwerk Merkers liegt im Westen Thüringens, an Hessens | |
Grenze. Tausende Kilometer Stollen durchziehen die Landschaft unterirdisch. | |
Unter einem stählernen Förderturm warten an diesem warmen Augusttag der | |
Leiter des Bergwerks, einige Politikerinnen und Journalisten. Zwei | |
Dienstlimousinen mit Blaulicht fahren vor. Aus einer steigt Bodo Ramelow. | |
Zusammen mit Gregor Gysi ist der Ministerpräsident Thüringens auf | |
Wahlkampf-Wandertour. Beide sind mit Funktionshemden, Outdoorhosen und | |
fabrikneuen Wanderstiefeln ausgerüstet. Dabei werden sie nach dem | |
Bergwerksbesuch nur den 380 Meter hohen Hundskopf hochstapfen. | |
Zuvor fährt Ramelow in Merkers ein, heute ein Schaubergwerk mit | |
Klettergarten und Konzerthalle. Die Kumpel, die hier noch arbeiten, sind | |
vorwiegend mit Verfüllung beschäftigt, sie stopfen Hohlräume zu. Der | |
Werksleiter schüttelt Ramelow die Hand. Ramelow boxt dem Mann daneben | |
spielerisch vor die Brust. „Och, der Betriebsrat“, sagt er. Der Mann | |
grinst. | |
## Kampf um Arbeitsplätze | |
Anfang der neunziger Jahre kämpfte Ramelow selbst als Arbeitnehmervertreter | |
in Thüringen um Arbeitsplätze im Bergbau – gegen den westdeutschen | |
Monopolisten, die Kali und Salz AG. Und gegen die Politik. Damals verlor | |
er. | |
Fast 30 Jahre später kämpft er erneut um Arbeitsplätze im Bergbau. Diesmal | |
zusammen mit K+S, wie die Kali und Salz AG heute heißt. Und die Politik ist | |
er. | |
Selbstverständlich ist es nicht, dass die Gegner von einst nun Verbündete | |
sind. So wenig wie es erwartbar war, dass die Linke, die erstmals einen | |
Ministerpräsidenten stellt, nach fünf Jahren Regierung in Thüringen weder | |
entzaubert noch zerstritten ist. Wenige Wochen vor der Landtagswahl führt | |
sie sogar in den Umfragen. | |
Fast 25 Jahre hat die CDU das Land regiert. Bis 2014 Ramelow kam. Seit fünf | |
Jahren führt er eine Koalition aus Linken, SPD und Grünen, die sich auf nur | |
eine Stimme Mehrheit im Landtag stützt. Derzeit ist völlig offen, welche | |
Konstellation nach dem 27. Oktober regieren könnte. Sicher ist nur: Wenn | |
die Linke gewinnt, dann wegen Bodo Ramelow. | |
## Personenkult? Na klar doch | |
Die Partei weiß das. Alle Großplakate zeigen Ramelows Konterfei – mal als | |
Lokführer, mal als Spaziergänger. Personenkult? Na klar doch. | |
„Seilfahrt“. Hinab saust der Korb mit Ramelow in die „Teufe“, wie es | |
bergmännisch heißt. In der salzhaltigen Luft der Kaligrube erzählt Ramelow, | |
jetzt in blauem Bergmannskittel und mit weißem Helm, in einer Bar in 807 | |
Meter Tiefe, wie er sich 2015 mit dem Vorstandsvorsitzenden von K + S, | |
Norbert Steiner, aussöhnte. | |
Der Steiner sei ein Raubatz, wie er selbst, sagt Ramelow. „Alle haben | |
gedacht: Weil ich damals auf der Seite der Kalikumpel war, würde ich | |
niemals mit dem reden können.“ Aber man sei sich auf Augenhöhe begegnet und | |
habe Frieden geschlossen. | |
Bodo Ramelow ist ein Mann der Gegensätze. Der Ministerpräsident ist | |
aufbrausend und eitel, rechthaberisch und rauflustig. Mal kotzt ihn die | |
Antifa an, mal der MDR. Mit Nazis und der AfD legt er sich seit jeher an. | |
Wenn er auf Autofahrten allein mit seinem Handy ist, schwitzt sein Team. | |
[1][Ramelows Twitter-Scharmützel] sind gefürchtet. Seine Mitarbeiter räumen | |
hinter dem Chef auf. | |
Corinna Hersel traf Bodo Ramelow im Frühjahr 1990 zum ersten Mal. „Jetzt | |
kommt der aus dem Westen und will uns die Welt erklären“, dachte sie | |
damals. Hersel ist heute Verdi-Bezirksgeschäftsführerin, damals arbeitete | |
sie für die Ost-Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss. Ramelow, den die | |
hessische Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung nach Thüringen | |
entsandt hatte, traf dort auf viele tausend Frauen, die gerade ihre | |
Arbeitsplätze verloren. Die Treuhand löste die Handelsorganisation der DDR | |
auf. Von ihm habe man Wunder erwartet, erzählt Ramelow. „Die Menschen haben | |
ja gedacht: Ich als Westdeutscher muss es wissen.“ | |
Der Gewerkschaftssekretär aus Mittelhessen landet mitten im Osten und jener | |
Umbruchzeit, deren Verwerfungen heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall, wieder | |
aufbrechen. Ramelow sieht, wie massenhaft Betriebe plattgemacht werden und | |
sich Menschen von der gerade erkämpften Demokratie wieder abwenden. | |
Stunden hätten sie zusammen in Betriebsversammlungen verbracht, erzählt | |
Hersel. Aus dem „arroganten Arsch“ wurde der Bodo – „einer, der immer f… | |
uns da war, den man auch mal nachts anrufen konnte“. | |
Der aber auch jähzornig sein kann. Als die Aktentasche mit dem frisch | |
ausgehandelten Tarifvertrag beim Grillabend verschwindet, tobt er. Der | |
Vertrag findet sich später in der Mikrowelle, jemand hatte sie als Tresor | |
ausgewählt, als Ort für besonders Schützenswertes. Ramelow kann sich aber | |
auch entschuldigen. „Das hat ihm viele Punkte eingebracht“, sagt Hersel. | |
Drei Jahre später, als auch die Kaligruben im Osten geschlossen werden | |
sollen, wird aus dem Gewerkschafter Bodo der Politiker Ramelow. Die | |
Schließung der Grube in Bischofferode 1993 habe ihn politisiert, erzählt | |
Ramelow. „Sonst wäre ich immer noch der nette Gewerkschaftssekretär, der | |
schaut, wann der nächste Tarifvertrag um die Ecke kommt.“ | |
## „Mach dich vom Tor“ | |
Die Treuhand-Anstalt, die das Volksvermögen der DDR privatisiert, plant | |
damals die ostdeutschen Gruben mit dem westdeutschen Monopolisten Kali und | |
Salz zu fusionieren. Der Schönheitsfehler: Zusammen produzieren die Gruben | |
mehr Kali, als der Markt braucht, also sollen vor allem Gruben im Osten | |
geschlossen werden. [2][Die Bischofferoder Kumpel] [3][Die Bischofferoder | |
Kumpel] besetzen die Grube und treten im Sommer 1993 in den Hungerstreik. | |
Die IG Bergbau macht nicht mit, stattdessen kommt der HBV-Sekretär Ramelow. | |
„Wer bist’n du? Mach dich vom Tor“, empfangen ihn die Kumpel. Ramelow | |
bleibt, obwohl er für Bergbau nicht zuständig ist. Er verstehe das Problem, | |
sagt er, er wolle helfen. | |
Was der Gewerkschafter Ramelow damals nicht verstand: Bischofferode war nur | |
ein kleiner Stein in einem größeren Spiel. In den geheimen Verträgen | |
zwischen der Treuhand und Kali und Salz, die erst 20 Jahre später geleakt | |
werden, stand, was viele ahnten: Die Schließung von Bischofferode war | |
politisch gewollt. Die Treuhand hatte der Kali und Salz AG die Grube | |
regelrecht aufgedrängt: Um den Erhalt von Jobs sollte sich der Konzern | |
nicht scheren, für Verluste und ökologische Altlasten würden größtenteils | |
die Steuerzahler haften. Die Arbeitsplätze im Westen waren wichtiger. | |
Als zum Jahresende 1993 alle Verhandlungen gescheitert sind, handelt | |
Ramelow im Auftrag der Kumpel die Sozialpläne mit der Treuhand aus. Warum | |
sie ihm doch vertraut haben? „Der war kein Phrasendrescher, hat sich | |
reingekniet“, erzählt Gerhard Jüttemann, damals stellvertretender | |
Betriebsratsvorsitzender. „Er war immer da: mit Informationen und Adressen | |
– und vorbereitet, wie kaum einer sonst.“ | |
Jüttemann, weißer Bart, schwarze Bergmannskluft, ist mit anderen ehemaligen | |
Kumpeln nach Erfurt gekommen, wo die Rosa-Luxemburg-Stiftung im August 2019 | |
eine Ausstellung über die Treuhand eröffnet. Es ist voll. Jüttemann | |
erwartet Ramelow vor der Tür, sie begrüßen sich mit Schulterklopfen. „Bodo… | |
– „Gerd“. | |
Die Leiterin der Luxemburg-Stiftung spricht zur Eröffnung von der | |
„Entwertung von Biografien“. Und sagt: „Es war nicht eure Schuld.“ Eini… | |
der Ältere weinen. Ramelow schaut zu Boden, nickt. | |
Bischofferode wird ein Wendepunkt: Menschen, die vier Jahre vorher noch | |
skandierten „Wir sind ein Volk“, sind nun zutiefst enttäuscht. Und Ramelow? | |
Tritt 1999 in die PDS ein, wird Fraktionschef in Thüringen, sitzt später im | |
Bundestag, managt die Fusion von WASG und PDS zur Linken und kehrt nach | |
Thüringen zurück. | |
2009 tritt er zum ersten Mal als Ministerpräsidentenkandidat an, die SPD | |
koaliert aber als Juniorpartner mit der CDU. 2014 wird die Linke erneut | |
zweitstärkste Partei, Ramelow schmiedet eine Koalition mit SPD und Grünen | |
und stellte sich im Landtag zur Wahl. Im ersten Wahlgang fällt er durch. Im | |
zweiten Versuch klappt es. | |
## Grubenlampe aus Bischofferode | |
In Ramelows Arbeitszimmer in der Staatskanzlei steht eine Lampe aus Metall | |
– die letzte Grubenlampe aus Bischofferode. „Darum sitze ich hier“, sagt | |
er, als die taz im Frühjahr 2017 auf der Besuchercouch sitzt. In Erinnerung | |
an den schwersten Arbeitskampf im Osten kämpft er jetzt um die 4.500 | |
Arbeitsplätze im Bergbau Thüringens. | |
Aber Kalivorräte sind endlich, außerdem wird die Lauge seit Jahren in den | |
Fluss Werra entsorgt und versalzt das Wasser. Auch Ramelow weiß, dass die | |
Zukunft anders aussieht. | |
Im April 2019 fliegt er nach Vietnam. Unter den über 100 Teilnehmern seiner | |
Delegation sind 70 Thüringer Unternehmerinnen und Unternehmer. Ihr Ziel: | |
vietnamesische Azubis für den demografiegebeutelten thüringischen | |
Arbeitsmarkt zu rekrutieren und neue Märkte zu erschließen. Viele von ihnen | |
sind Mittelständler, die sich nach der Wende selbstständig gemacht haben, | |
mit Maschinenbauunternehmen, Medizin- oder Biotechfirmen. | |
Dabei ist auch Lutz Koscielsky, Bäckermeister und Eigentümer von sieben | |
Bäckereien mit Gastronomie und 160 Angestellten. Mit Brötchen allein könne | |
keine Bäckerei mehr überleben. Im Reisebus auf dem Weg in die Altstadt von | |
Hanoi erzählt Koscielsky, wie er aufgestöhnt habe, als Ramelow | |
Ministerpräsident wurde. Doch dann traf er Ramelow kurz nach dessen | |
Amtsantritt zum Gespräch in der Staatskanzlei. Es ging um die | |
Sonntagsöffnungszeiten für Bäckereien mit angeschlossenen Cafés. Die CDU | |
hatte die Öffnungszeiten limitiert, die rot-rot-grüne Regierung erlaubt den | |
Bäckereien, ganztägig öffnen zu können. Gut fürs Geschäft, blöd für die | |
Angestellten, die nun sonntags arbeiten müssen. Doch seitdem steht für | |
Koscielsky fest: „Der Ministerpräsident denkt pragmatisch. Dem geht es um | |
die Sache, nicht um Ideologie.“ | |
Koscielsky, der seit 30 Jahren für die CDU im Stadtrat von Treffurt sitzt, | |
sagt: „Er ist die Nummer 1. Es gibt keinen Besseren.“ | |
In Hanoi jagt ein Termin den nächsten. Die Delegation macht Station in | |
einem Wasserpuppentheater, Ramelow wird in der ersten Reihe platziert, er | |
nickt kurz ein. Der Ministerpräsident rauscht durch Vietnam wie der König | |
von Deutschland, begleitet von hupenden Polizeifahrzeugen, Blumen und | |
Gesängen. Er schüttelt Hände und hält Reden, bemüht sich, allen gerecht zu | |
werden. „Noch ein Foto mit Frau Tam, Herr Ramelow“, ruft der Fotograf. | |
Ramelow nickt. „Ich mache, was man mir sagt.“ | |
## Leckerste Bratwurst | |
Er wird nicht müde, Thüringen zu rühmen: Man habe die leckerste Bratwurst, | |
außerdem das älteste Reinheitsgebot, und überhaupt sei das die größte | |
Delegation, die jemals aus Thüringen nach Vietnam aufgebrochen sei. Nur der | |
Leiter der Parteihochschule bemerkt: Zwei Millionen Einwohner hat | |
Thüringen? Vietnam hat 95 Millionen. | |
Ein Schuss Größenwahn ist bei Ramelow nicht zu leugnen, aber vielleicht | |
braucht man den auch, wenn man es vom Neunte-Klasse-Schulabgänger mit | |
Legasthenie zum Ministerpräsidenten mit First Dog bringen will. | |
Den Unternehmern gefällt’s. Hanoi bietet Thüringen eine | |
Sonderwirtschaftszone an und sichert zu, dass Thüringen jährlich 1.000 | |
vietnamesische Jugendliche als Azubis rekrutieren darf. Es läuft. Lediglich | |
als die taz während eines Pressegesprächs in der Wartehalle des Flughafens | |
fragt, ob Ramelow auch die [4][Menschenrechte in Vietnam] anspreche, fällt | |
er aus der Rolle. „Bin ich denn der Erziehungsberechtigte hier?“, raunzt | |
er. Die Pressesprecherin seufzt. | |
Dabei sei der Bodo schon viel gelassener und richtig staatsmännisch | |
geworden, sagen jene, die ihn lange kennen. Bernd Riexinger etwa, der | |
Linken-Bundesvorsitzende, der Ramelow seit den 1980ern als Kollegen aus der | |
HBV kennt. „Der Bodo ist Gewerkschafter geblieben“, sagt Riexinger. Man | |
vertraue einander, obwohl Ramelow ein Reformer und er selbst vom linken | |
Parteiflügel sei. | |
Politik macht Ramelow so, wie er früher Tarifverträge ausgehandelt hat. Die | |
Koalition führt er auf Augenhöhe, wie Grüne und SPD bestätigen. Er drückt | |
die Partner nicht an die Wand, gönnt ihnen Erfolge. Die Grünen durften den | |
Freien Schulen die Budgets erhöhen, die SPD sich rühmen, den | |
Verfassungsschutz für Thüringen gerettet zu haben. Einen neuen Feiertag und | |
ein Vergabegesetz mit Mindestlohn kann die Linke für sich reklamieren. | |
Mindestlohn für die einen, verlängerte Öffnungszeiten für die anderen – e… | |
Kunststück, solche gegensätzlichen Interessen auszubalancieren. Er stelle | |
die Themen breit auf, erläutert Ramelow bei Müsli, Papaya und Kaffee in | |
einem noblen Hotel in Ho-Chi-Minh-Stadt. Er habe immer so regiert, dass es | |
nie auf die eine Stimme ankam, sondern Entscheidungen auf breiter Basis | |
vorbereitet wurden. | |
Als 2015 rund 13.500 Flüchtlinge nach Thüringen kamen, fand Ramelow seine | |
Verbündeten auch im CDU-nahen Lager. „Mein Paradebeispiel ist Helmut Peter, | |
der schwarze Peter“, erzählt er weiter. „In der Flüchtlingspolitik haben | |
wir uns kennen und schätzen gelernt.“ | |
Der schwarze Peter habe im Sommer 2015 bei ihm angerufen. Man müsse etwas | |
für die Flüchtlinge tun. „Zwei Wochen später hatten wir ne eigene | |
Berufsschulklasse. Und die waren alle beim Peter angestellt“, erzählt | |
Ramelow. | |
Peter lacht am Telefon, als er das vom schwarzen Peter hört. „Ich bin so | |
schwarz, wie die Nacht dunkel ist.“ Ramelows Geschichte bestätigt er. Sechs | |
von 15 jungen Männern, die er als Praktikanten eingestellt hat, seien nun | |
im letzten Lehrjahr. „Die sprechen perfekt Deutsch und werden nach dem 30. | |
Januar bei uns als Facharbeiter tätig sein.“ Ramelow habe das die ganze | |
Zeit begleitet. Einen guten Job mache der. Leider in der falschen Partei. | |
## Loyaler Linker | |
Oft heißt es, Ramelow ist eigentlich kein Linker, sondern waschechter | |
Sozialdemokrat. Doch bislang hat sich Ramelow seiner Partei gegenüber immer | |
loyal gezeigt. | |
„Die Partei weiß, dass sie ohne Ramelow nicht so erfolgreich wäre, aber | |
Ramelow weiß auch, dass er es ohne die Partei nicht wäre“, sagt Susanne | |
Hennig-Wellsow, die Partei- und Fraktionschefin, die sich als „linke Linke“ | |
bezeichnet. Jeden Morgen um 7 Uhr telefonieren sie. „So werden mögliche | |
Konflikte schon im Vorfeld geklärt“, erzählt sie. | |
Als [5][Ramelow und Gysi] nach dem Besuch des Kalibergwerks den Hundskopf | |
erklimmen, erwartet sie auf dem Gipfel eine Gruppe Demonstranten. „Stoppt | |
den Windwahn“ und „Unser Wald muss für Euren Wind sterben, Rot-Rot-Grün w… | |
danken Euch!!!“ steht auf ihren Schildern. Sie haben sich entlang der | |
Zufahrtsstraße postiert, Ramelow aber kommt zu Fuß direkt aus dem Wald. Als | |
er die Menschenmenge erblickt, läuft er schneller und reckt den Kopf wie | |
ein Jagdhund, der Witterung aufnimmt. Er bleibt einige Meter vor den | |
Schildern stehen. Die Demonstranten aber starren weiter zur Straße. „Hier | |
steht ich!“, ruft Ramelow und wedelt mit den Händen. „Warum will denn | |
keiner mit mir reden?“ Jetzt rucken die Köpfe nach rechts, ein Chor hebt | |
an: „Keine Windkraft im Wald!“ | |
Während die Ortsvorsitzende der Linken von der Wahlkampfbühne nach dem | |
„lieben Bodo“ ruft, liefert der sich Scharmützel mit den Bürgern. Ramelow | |
redet von Flächen, auf denen der Wald längst tot sei, von | |
Windvorranggebieten und vom Aktionsplan Wald – „Und warum ist der Wald | |
tot?“, unterbricht ihn eine Frau. Ramelows Stimme wird schärfer. „Weil das | |
Klima gerade kaputtgeht und wir umsteuern wollen.“ | |
Einige Demonstranten nicken, ein Mann lacht. „Halten wir fest: Die Linke | |
ist für Windkraft im Wald.“ Röte überzieht Ramelows Wangen. „Wenn Sie | |
belogen werden wollen, reden Sie mit denen, die Ihnen die Lügen erzählen. | |
Ich bleibe bei meiner Meinung.“ | |
Im Wahlkampf fordert die CDU den sofortigen Stopp aller Windkraftanlagen, | |
um den Thüringer Wald zu schützen. Dass nur zwei von 850 Windkraftanlagen | |
in Thüringen im Wald stehen – egal. | |
Ramelow kämpft 2019 andere Kämpfe als 1993. Aber mit dergleichen Hingabe. | |
Der Druck auf ihn ist heute größer, die Erwartungen riesig. Diesmal sind es | |
nicht nur 700 Bergleute, die auf ihn hoffen. Die Linkspartei baut darauf, | |
dass Ramelow die „rote Burg Thüringen verteidigt“ und der Partei, die | |
gerade in den Abgrund schaut, eine Perspektive gibt. | |
Die Thüringer erwarten, dass es weitergeht mit dem Bergbau und die | |
Arbeitslosigkeit niedrig bleibt. Sie wollen aber auch unbeschwert in einem | |
gesunden Wald wandern. Dazu muss der Bergbau aber eingestellt, der Strom | |
von Wind erzeugt werden und die Autos aus Eisenach dürfen nicht mehr mit | |
Verbrennungsmotoren fahren. | |
Unternehmer Lutz Koscielsy und Helmut Peter wollen, dass Ramelow | |
weiterregiert, mit der CDU. | |
Ein kühner Gedanke. Aber nicht ganz abwegig. Ramelow kann mit CDUlern, | |
Ramelow kann moderieren. Wer, wenn nicht er, könnte so ein Bündnis | |
anführen? Aber erst muss er die Wahl gewinnen. | |
12 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/bodoramelow?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctw… | |
[2] /!1915987/ | |
[3] /!1915987/ | |
[4] /Thueringens-Ministerpraesident-in-Vietnam/!5584772/ | |
[5] /Wahlkampf-in-Thueringen/!5588480/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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