| # taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Die Witze-Streberinnen | |
| > In „The Marvelous Mrs. Maisel“ erobern zwei Frauen die Comedyszene. | |
| > Selten wird die Karriere von Heldinnen so zentral und gut beleuchtet. | |
| Bild: Studieren die Stand-Up-Comedy-Szene: Agentin Susie (l.) und Midge | |
| Eine junge Frau tritt auf die Bühne, sie trägt armlange Handschuhe, ihre | |
| Haare liegen in einer sorgfältig geföhnten Welle. Vor ihr sitzt ein | |
| Pub-Publikum mit Pomadefrisuren, kein Wunder, wir befinden uns in den USA | |
| der 50er-Jahre. Der Name der Frau ist Miriam, sie selbst nennt sich Midge. | |
| Sie greift zum Mikrofon, sie strahlt, dem Klischee nach müsste sie jetzt | |
| wohl einen Folk-Song singen. Stattdessen macht Midge, das überrascht auch | |
| die Pomadefrisuren, eine lange Reihe dreckiger Witze über ihr Eheleben – | |
| sagt „Fuck“, „Fuck“, „Fuck“. | |
| Drehbuchautorin Amy Sherman-Palladino hat eine neue Serie bei Amazon Prime. | |
| Wie bei [1][ihren „Gilmore Girls“] geht es in erster Linie um kluge, | |
| schnell denkende und 300 Wörter die Minute sprechende Frauen. An die Stelle | |
| des Mutter-Tochter-Gespanns treten in „The Marvelous Mrs. Maisel“ eine | |
| Komikerin und ihre Agentin (schön mürrisch gespielt von Alex Borstein). Das | |
| Duo nimmt sich viel Zeit, um gemeinsam ein männlich besetztes Gebiet zu | |
| erobern: das Stand-up-Business. | |
| Der Plot von „The Marvelous Mrs. Maisel“ kreist damit über acht Folgen | |
| hinweg um eine berufliche Karriere. Das ist spannend und eine Seltenheit, | |
| vor allem bei Serien mit Protagonistinnen. Okay, Frauen spielen in TV-Shows | |
| zunehmend Kommissarinnen, Politikerinnen und Anwältinnen. In der Regel sind | |
| das aber sogenannte starke Frauen, sie sind bereits in machtvollen | |
| Positionen. | |
| Aber wie sind sie dahin gekommen? Wie haben sie sich durchgesetzt? Wie | |
| verhandeln sie über Gehälter? Als Storylieferanten wurden diese Themen | |
| bisher kaum entdeckt. Frauen Mitte oder Ende Zwanzig spielen dagegen oft | |
| Hauptrollen in Serien, die sich um Beziehungen drehen. Gerade bei dem | |
| Überangebot an Serien auf den Video-on-Demand-Kanälen ist man dieser | |
| Lovestorys allerdings langsam überdrüssig. Ja, gut, Liebe, Herzschmerz, sie | |
| kriegen sich. Midge hat diese Phase längst hinter sich, sie hat zwei Kinder | |
| zu versorgen und die Scheidung von ihrem Ehemann steht an. Zu Beginn der | |
| Serie beginnt für sie eine neue Lebensphase mit neuen Freiheiten. Sie will | |
| ihren eigenen Interessen nachgehen. | |
| ## Emanzipation wurde abgesetzt | |
| Die Serie zeigt das im Detail: Midge und ihre Agentin ziehen durch Clubs, | |
| um Stand-up-Performances zu studieren. Und sie feilen über Tage hinweg an | |
| derselben Pointe. Die beiden sind Witze-Streberinnen. Die Serie, und dafür | |
| sind Serien gut, zieht dabei extrem viele Facetten mit ein: Midges | |
| Muttersein, ihre finanzielle Unsicherheit und den Druck durch | |
| gesellschaftliche Zwänge – die den heutigen nicht unähnlich sind. Die | |
| Serie, und dafür sind Serien ebenfalls gut, bildet einen Prozess ab: „Du | |
| warst heute Abend schlecht, und du wirst noch oft schlecht sein“, sagt | |
| Midges Agentin, „aber du wirst besser werden.“ | |
| Eine zweite Maisel-Staffel ist schon in Planung, die erste ist Anwärterin | |
| auf einen Golden Golbe. Das ist erfreulich, zumal Emanzipation in der | |
| Vergangenheit oft abgesetzt wurde. Netflix’ „Girlboss“ über den Aufbau | |
| eines millionenschweren Ebay-Unternehmens wurde etwa wegen (angeblich) zu | |
| geringer Quoten eingestellt. „Good Girls Revolte“ über eine Sammelklage | |
| junger Journalistinnen gegen sexistische Jobverhältnisse scheiterte an Roy | |
| Price, dem Chef der Amazon-Studios. Er mochte die Serie einfach nicht. | |
| Bleibt zu hoffen, dass wenigstens Mrs. Maisel noch oft „Fuck“ sagen darf. | |
| 20 Dec 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christine Stöckel | |
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