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# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Man ahnt, es ist Gegengewalt
> Eine pervertierte Spießerfantasie, überzeugend dargestellt von Jessica
> Biel: „The Sinner“ ist ein grausam-spannendes Spiel.
Bild: Geständige Killerin. Aber was ist Coras (Jessica Biel) Geheimnis?
„Die Sünderin“ also. Aber nicht der Film von Willi Forst, 1951 Der Skandal
der jungen Bundesrepublik, weil darin Themen wie Prostitution, Selbstmord
und Tötung auf Verlangen inszeniert wurden – von der für den Bruchteil
einer Sekunde sichtbaren Brüste der Hauptdarstellerin Hildegard Knef ganz
zu schweigen. Sondern „Die Sünderin“, ein Roman von Petra Hammesfahr, 1999
erschienen, ein – wie alle Bücher der Schriftstellerin – weniger durch
literarische oder Sprachqualität, sondern wegen düsterer, unvorhersehbarer
Handlung auffallendes Werk.
Cora, in der Netflix-Adaption von Jessica Biel gespielt, eine unauffällige
junge Mutter in einer US-Kleinstadt, bummelt mit Mann und Kleinkind zum
Picknick an den See. Dort versucht sie erst unbemerkt, sich beim Schwimmen
das Leben zu nehmen. Das klappt nicht. Etwas später schaut sie, das Messer
vom Birnenschneiden noch in der Hand, einem Pärchen auf einer Nachbardecke
beim nicht-jugendfreien Nesteln zu. Doch als dort plötzlich ein bestimmter
Song zu hören ist, springt Cora auf, sprintet zu den fremden Nachbarn und
rammt dem Mann das Messer siebenmal in den Körper.
Der stirbt, die geständige Cora geht stante pede ins Gefängnis, und die
Zuschauer*innen bleiben bass erstaunt und geschockt am Bildschirm kleben:
Häh?? Was ist los? Ist das Camus’ „Der Fremde“ revisited?? In acht Folgen
hat Creator Derek Simonds das Hammesfahr-Geschehen aufbereitet. Und es ist
erstaunlich, wie viele Motive dann doch „Sünderinnen“-Assoziationen
auslösen.
Als sündig, das ist auch bei Netflix so, gilt eine Frau zwar definitiv,
wenn sie einen ihr angeblich unbekannten Mann abmurkst. Aber der Begriff
hat dazu stets mit der weiblichen Sexualität zu tun.
## Grausam, aber spannend
Und die wird fast zwangsweise – ob bei Willi Forst oder Derek Simonds –
durch die Welt der Prostitution sabotiert: Irgendwas war mit Cora,
irgendetwas hat sie vergessen, ein monströser PTBS-Fall scheint sich
abzuzeichnen, und jetzt ist ja auch mal gut mit dem blöden Spoilern.
Absolut überzeugend interpretiert von Biel, und in fast „Twin
Peaks“-ähnlichem Flair mit den pervertiertesten aller Spießerfantasien
gespickt, ist „The Sinner“ ein grausam-spannendes Spiel. Dass allerdings
die sündige Tat und ihre immer weitreichenderen Wurzeln ausschließlich von
Männern, allen voran Bill Pullman als SM-freundlicher Detective,
kommentiert und analysiert werden – das nimmt der Serie eine relevante (man
braucht nicht anzudeuten wie aktuelle) Dimension: Die Gewalt der
Protagonistin, so ahnt man früh, war Gegengewalt.
Trotz Pullmans Hingabe an den zweifelnden, zwischen Ehe und Chaos
pendelnden Ermittler wünscht man sich für Coras Leid wie so oft die beste,
feministischste und schlaueste aller aktuellen
Fernsehserien-Aufklärer*innen: Gillian Anderson mit ihrem sensiblen
Genderbewusstein, aus der britischen Serie „The Fall“. Hach das wäre ein
Fall für ein amtliches Serien-„Crossover“! Fast so schön wie die Folge von
„Roseanne“, in der die britischen „Absolutely Fabulous“-Charaktere Edina
und Patsy mit Roseanne eine Shopping-Sause durch New York machen.
15 Nov 2017
## AUTOREN
Jenni Zylka
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