| # taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Ist es lustig, tapst die Tuba | |
| > In der dreiteiligen Serie „Über Land“ geht es typisch bayerisch zu. Etwas | |
| > anderes als Gewohntes will man dem Publikum nicht zumuten. | |
| Bild: So idyllisch tankt's sich nur in Bayern: Frieda Mirko (Maria Simon) und M… | |
| Mia san mia, so ist das, und so wird das immer bleiben. In Bayern, das | |
| erzählen auch dementsprechende Serienformate seit Jahren, ticken die | |
| Krimi-Uhren anders. Da gibt es knorrige Außenseiter mit (Gams-)Bart, harte | |
| Hunde mit großem Bierdurst und Anarchisten mit dem Herz am rechten Fleck. | |
| Das „Königlich-Bayerische Landgericht“, bei dem am Ende jeder Folge | |
| versöhnlich die Gemeinschaft beschworen wird, die Eberhofer-Krimis, in | |
| denen deftige Speisen wie Dampfnudeln und Grießnockerln die Stimmung | |
| angeben – sie alle singen das Volkslied von den urbayerischen Originalen, | |
| deren Dialekt nur Nichtchecker als einfältig empfinden. Und die in ihrer | |
| seriellen Simplizität angeblich vor allem von der Kukident-Clique, den | |
| silberhaarigen GebührenzahlerInnen von ARD und ZDF, goutiert werden. | |
| Dass Franz Xaver Bogners neue, zu Silvester im ZDF (und jetzt in der | |
| Mediathek) genießbare [1][dreiteilige Serie „Über Land“] genau da ansetzt, | |
| wo er damals mit „Café Meineid“ und Erich Hallhuber aufgehört hat, ist al… | |
| folgerichtig: Etwas anderes als gewohnt wollen weder Bogner noch der Sender | |
| dem Publikum zumuten. | |
| Hauptdarsteller Franz Xaver Kroetz, von jeher auf eigenwillige Querulanten | |
| abonniert, spielt den Richter Max Althammer, der von seiner Ex (Suzanne | |
| Borsody) aus München ins provinzielle Amtsgericht von Berchtesgaden | |
| strafversetzt wird. Weil er keinen Führerschein hat, sucht er sich die aus | |
| Ostdeutschland stammende Fahrerin Frieda (Maria Simon), mit der er einst | |
| beruflich zu tun hatte: Ihre kleinkriminelle Vergangenheit, die langsam | |
| aufgedeckt wird, ist der einzige horizontale Erzählstrang der Geschichte. | |
| Und müht sich gegen die betont behäbige Inszenierung um niedliche | |
| Landstraftaten wie der Diebstahl von drei Glühbirnen ab. | |
| ## Da geht mehr | |
| Interessant, wirklich lustig oder gar spannend ist das alles aber nicht – | |
| zu wenig weicht die Rolle, die Bogner Kroetz auf den Leib geschrieben hat, | |
| von den durch Kroetz’ Vergangenheit bekannten Figuren à la Baby | |
| Schimmerlos ab; zu lieblos sind die Storys um Landei-Konflikte, die viel | |
| blutdürstiger und gewaltästhetisierender auftretende moderne Serienformate | |
| wunderbar konterkarieren, zusammengeplottet. Der Fall, das rufen die Folgen | |
| auch für „Slow Joe in the last Row“, ist nicht wichtig. Uns geht’s um | |
| Atmosphäre. | |
| Dabei lässt sich doch beides verbinden – bei Fallstrukturserien wie dieser | |
| kommt man mittlerweile nicht umhin, sich mit dem Besten des Genres, wie zum | |
| Beispiel BBCs Sherlock, zu messen, der alle Anforderungen vorbildlich | |
| erfüllt und betagte und jugendliche ZuschauerInnen zu vereinen vermochte. | |
| Dass „Über Land“ die scheinbar für den Landstrich typische Betulichkeit u… | |
| Ruhe in einer ebenso langsamen, dadurch aber auch wahnsinnig langweiligen | |
| Inszenierung spiegelt, reizt zudem zum Gähnen, bis die Dritten sichtbar | |
| werden: Immer wieder verpasst der Schnitt den Moment, eine Szene mit der | |
| elementaren Aussage schließen zu lassen, immer wieder ummalt Haindlings | |
| Musik behäbig und überdeutlich die Szenenstimmung – ist es spannend, wird | |
| gefidelt, ist es lustig, tapst die Tuba. Was soll man dazu sagen außer: | |
| „Sakra!“. | |
| 3 Jan 2018 | |
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| [1] https://www.zdf.de/serien/ueber-land | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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