| # taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Ein manisch-depressiver Roadtrip | |
| > In „The End of the F***ing World“ hauen die Außenseiter Alyssa und James | |
| > von Zuhause ab. Eine düstere, aber komische Coming-of-Age-Serie. | |
| Bild: James (Alex Lawther) hat nur ein Ziel: Er will Alyssa (Jessica Bardem) t�… | |
| Sind Teenies heute überhaupt noch so? Hassen sie die Welt? Ihre Eltern, | |
| Lehrer, MitschülerInnen? Opponieren sie gegen alles, was sie sehen? Und | |
| denken sie den Rest der Zeit an Sex, den sie sich nicht trauen auszuführen? | |
| Wahrscheinlich schon. Die britische Serie „The End of the F***ing World“, | |
| die bei Netflix zu sehen ist, liefert jedenfalls die Prämisse dazu: James | |
| ist 17, lebt nach dem Tod der Mutter mit seinem Vater zusammen und glaubt | |
| fest, ein Psychopath zu sein, dem nach seinem ersten Mord gelüstet. | |
| Als Opfer hat er sich die siebzehnjährige Alyssa auserkoren, eine | |
| Außenseiterin voller aktiver, aggressiver Energie. Das manisch-depressive | |
| (sie manisch, er depressiv) Hormongespann, das auf den ersten Blick wie das | |
| übliche Pubertätspärchen wirkt, trollt sich auf einem Roadtrip durch das | |
| Land, ohne Ziel, ohne Plan. Nur weit weg von zu Hause soll es sein, wo | |
| Alyssas Mutter ihrer Tochter mit unterdrückter Stimme spitze Bemerkungen | |
| hinzischt und wo James’ Vater mit seinem etwas grellen Humor beim genervten | |
| Sohn auf Stein beißt. | |
| Jonathan Entwistles [1][Coming-of-Age-Serie] versucht Jugendliche mit einer | |
| kurzweiligen Dramaturgie zu kriegen, bei der – trotz ausgestellter Lakonie | |
| der ProtagonistInnen – alle paar Minuten ein Witz einschlägt oder ein | |
| unverhoffter Jumpcut ein Tabuthema anschneidet (Sex, Mord). Das ist etwas | |
| durchsichtig und James und Alyssa sind wahrlich nicht die ersten | |
| fiktionalen Teenager im emotionalen Zwangszustand, die auf Morbidität und | |
| Fummeln abfahren. Aber im Großen und Ganzen klappt es gut – was vor allem | |
| an Alex Lawther als James und Jessica Bardem als Alyssa liegt: Lawthers | |
| extrem passive Figur verliert durch sein genaues Spiel nie die | |
| Verletzlichkeit, die sie interessant macht. Und Bardem gibt die Britbraut, | |
| die ins Auge haut, voller Elan und Überzeugung. | |
| ## Ist das noch zeitgemäß? | |
| Ausgerechnet der Soundtrack ist es allerdings, der mit 50er- und | |
| 60er-Jahre-Hits immer wieder darauf hinweist, wo diese Serie ideologisch am | |
| meisten wütet: im klassischen Juvenile-Rebellion-Drama ebendieser | |
| Jahrzehnte, in dem der Generationenkonflikt das zentrale Thema war. | |
| Das wirkt zuweilen fast ein bisschen brav und führt zur Anfangsfrage | |
| zurück: Haben heutige Teenies mit ihren toleranten und bemühten | |
| Schutzbeauftragten und der großen bunten nutzbaren Warenwelt denn | |
| tatsächlich noch Zeit für den Diskurs mit den Erziehungsberechtigten? | |
| [2][Wo doch Social Media so viel ihrer Zeit und Energie frisst?!] | |
| Wahrscheinlich darum lässt der Serienerfinder Entwistle seine HeldInnen | |
| gleich in der ersten Folge die Smartphones wegwerfen oder erst gar nicht | |
| benutzen – so bleiben die Figuren dem Boden verhaftet, müssen am eigenen | |
| Leib Konfrontationen wie den [3][übergriffigen Pädophilen] oder die | |
| anstrengende Servicekraft ertragen. | |
| Derweil gibt Alyssa Weisheiten von ihrem leiblichen Vater preis, der früh | |
| perdu ging und ihr mit dem Spruch „If it’s a chain, it’s free reign“ die | |
| moralischen Unterschiede zwischen dem Diebstahl bei einem kleinen | |
| unabhängigen oder einem großen Franchise-Unternehmen beibrachte. Seine | |
| Tochter beherzigt das und klaut nur bei Ketten. Direkt stolz könnte er | |
| sein. | |
| 31 Jan 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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