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# taz.de -- Klima-Entscheid in Berlin: Gutes Klima für Veränderung
> Mit einem „Ja“ würde Berlin zu einer der fortschrittlichsten
> Klimaschutz-Metropolen der Welt. Die Chance, dass es klappt, ist groß.
Bild: Extinction Rebellion schreitet vorab zur Tat: Schilder-Demontage zur Scha…
Berlin taz | Für Klimaaktivistin Luisa Neubauer ist dieser Sonntag so
wichtig, dass sie auf eines der bekanntesten Berlin-Zitate zurückgreift:
„Schaut auf diese Stadt! In Berlin passiert diese Tage etwas
Spektakuläres“, schrieb sie [1][Anfang der Woche auf Twitter]. Neubauer
meinte damit den [2][anstehenden Volksentscheid]. Der darin enthaltene
Gesetzentwurf verpflichtet das Land, bis 2030 klimaneutral zu werden.
Bisher will der Senat dieses Ziel bis 2045 erreichen. Ein Erfolg der
Befürworter*innen wäre historisch, so Neubauer: „Bislang gibt es keine
Stadt dieser Größe, die sich so konkret dem Klimaschutz und der
Verbesserung der Lebensqualität verschreibt.“
Berlin hat vor nicht langer Zeit schon einmal mit einem Volksentscheid
Geschichte geschrieben. Im September 2021 stimmte eine klare Mehrheit
angesichts der dramatischen Wohnungsnot in der Stadt [3][für die
Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne]. Seitdem ist der Begriff der
Enteignung kein Tabu mehr in der politischen Debatte. Allerdings ist der
Wille der Berliner*innen noch lange nicht Realität geworden;
Mietaktivist*innen sagen, der rot-grün-rote Senat [4][verschleppe die
Umsetzung].
## Kein bloßer Appell
Beim Klimaentscheid besteht diese Gefahr weniger: Denn anders als 2021
liegt kein bloßer Appell an den Senat vor. Stimmt eine Mehrheit am Sonntag
mit Ja und besteht diese Mehrheit aus mindestens einem Viertel der
wahlberechtigten Berliner*innen, tritt das Gesetz unmittelbar nach dem
Entscheid in Kraft. Es ist also vor Gericht einklagbar – und bisher hat
sich noch keine Berliner Regierung getraut, ein auf diesem Weg zustande
gekommenes Gesetz wieder im Kern zu ändern.
Die Vorgaben, die die Initiative „Klimaneustart Berlin“ dem Land mit dem
Gesetz machen will, sind streng. Bis 2030 müssten die
Kohlendioxidemissionen im Vergleich zu 1990 um „mindestens 95 Prozent“
verringert werden; bis 2025 bereits um 70 Prozent, heißt es in dem Entwurf.
Dass Letzteres umsetzbar ist, sieht man inzwischen selbst bei der
Initiative skeptisch.
Geschuldet ist dieser inzwischen enge Zeitplan dem langen Vorlauf für
direkte Demokratie in Berlin. Damit es zu einem Entscheid kommt, braucht es
zwei Unterschriftensammlungen; zudem wird die Vorlage von der SPD-geführten
Innenverwaltung auf rechtliche Zulässigkeit überprüft, was in der
Vergangenheit schon mal ein Jahr und mehr dauern konnte.
Entsprechend dreht sich die aktuelle Debatte vor allem darum, ob eine
Klimaneutralität bis 2030 überhaupt noch machbar wäre. Denn klar ist: Um
die Vorgaben zu erfüllen, müsste das Land die Anstrengungen in den
Bereichen Verkehr, Wärmeversorgung und Gebäudedämmung immens verstärken.
Und aus der Wirtschaft wird eingewandt, es gäbe angesichts des
Fachkräftemangels gar nicht genug Handwerker*innen für die anstehenden
Arbeiten.
Ähnlich hatte im vergangenen Sommer vor Beginn der zweiten
Unterschriftensammlung der grüne Fraktionschef Werner Graf [5][im
taz-Streitgespräch] mit der Initiative argumentiert. Seine
Schlussfolgerung: Auch die Grünen könnten, obwohl Klimaschutz „zur DNA der
Partei“ gehöre, ein nicht umsetzbares Gesetz nicht befürworten.
## Grüne jetzt doch für Ja
Ein halbes Jahr und eine Abgeordnetenhauswahl später hat sich der Wind
gedreht: Sie werde [6][mit Ja stimmen], kündigt Bettina Jarasch, noch grüne
Umweltsenatorin, an. Es brauche andere Rahmenbedingungen, um in Berlin mehr
Druck für mehr Klimaschutz machen zu können.
Offenbar zeigt dieser Druck schon vor dem Entscheid Wirkung. Zumindest
haben CDU und SPD in ihren laufenden Koalitionsverhandlungen [7][einem
kreditfinanzierten Sondervermögen in Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro]
zugestimmt, das für mehr Klimaschutz verwendet werden kann. Ob das
ausreicht, ist allerdings fraglich: In seiner offiziellen Kostenschätzung
für das Gesetz geht der Senat von Kosten „in hoher zweistelliger
Milliardenhöhe“ aus.
Bislang gibt es dennoch keine nennenswerte Gegenkampagne von CDU und SPD.
Das liegt zum einen daran, dass die Parteien bis 12. Februar mit dem
Wahlkampf zur Wiederholungswahl der Bürgerschaft voll ausgelastet waren;
zum anderen aber auch daran, dass die Taktik der Gegner*innen vor allem
darin besteht, die Beteiligung möglichst gering zu halten, indem man dem
Entscheid nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig zubilligt. So hofft man, dass
weniger als die 609.000 Jastimmen zustande kommen, die es braucht, um das
Quorum von 25 Prozent der Stimmberechtigen zu knacken.
## Erfolg ist greifbar
Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Allein rund 450.000 Menschen haben
eine Abstimmung per Brief beantragt, die meisten dürften wohl dafür
stimmen. Und auch wenn die Initiative warnt, dass es eng wird am Sonntag:
Ein Erfolg ist greifbar.
Dazu tragen aktuelle Nachrichten der Woche bei, etwa der [8][alarmierende
Bericht des Weltklimarats] (IPCC) vom Montag. Danach sei das Ziel, die
Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen,
durch langes Zögern der Regierungen praktisch unmöglich geworden.
Auf einem großen Konzert am Brandenburger Tor wird die Initiative am
Samstag noch einmal für ein Ja werben. Erwartet wird auch Luisa Neubauer.
Sie könnte dann ihr Zitat („Schaut auf diese Stadt!“) fast an gleicher
Stelle wiederholen, an der es Ernst Reuter, der spätere Westberliner
Bürgermeister, [9][in seiner berühmten Rede] gesagt hat.
25 Mar 2023
## LINKS
[1] http://twitter.com/Luisamneubauer/status/1637774377243619328
[2] /Volksentscheid-Berlin-2030-klimaneutral/!5919891
[3] /Enteignung-unter-Schwarz-Rot-in-Berlin/!5919640
[4] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!5840468
[5] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260
[6] /Klimapolitik-im-Berliner-Wahlkampf/!5913623
[7] /Milliarden-fuer-den-Klimaschutz-in-Berlin/!5922511
[8] /Neuer-Klimabericht-des-IPCC/!5920074
[9] https://www.berlin.de/berlin-im-ueberblick/geschichte/artikel.453082.php
## AUTOREN
Bert Schulz
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