# taz.de -- Klima-Volksentscheid in Berlin: Klima der Veränderung | |
> Berlin hat abgestimmt: Bei der Wahlparty von Klimaneustart Berlin steigt | |
> die Spannung. Erste Zahlen zeigen: Es könnte ein knappes Ergebnis werden. | |
Bild: Die Berliner*innen hatten es in der Hand: Abstimmungslokal für den Klima… | |
BERLIN taz | Im Umspannwerk Kreuzberg soll an diesem Abend Geschichte | |
geschrieben werden. Seit 18 Uhr haben sich hier die Türen zur Wahlparty von | |
Klimaneustart Berlin, den Initiatoren des [1][Klima-Volksentscheids,] | |
geöffnet. Und bereits Stunden vor dem erwarteten Abstimmungsergebnis | |
erscheinen immer mehr Aktivist:innen in den roten Warnwesten der | |
Kampagne. Sie alle hoffen auf ein erlösendes Ja, das die Stadt bereits bis | |
2030 zur Klimaneutralität verpflichten würde. | |
Der Backsteinbau am Paul-Lincke-Ufer ist ein besonderer Ort, um Berlins | |
Zukunft neu zu beschreiben. Noch 2018 musste Google seine Pläne, an dieser | |
Stelle einen Startup-Campus zu errichten, [2][nach langen Protesten | |
aufgeben]. Stattdessen zogen zivilgesellschaftliche Organisationen ein. | |
Statt eines privatisierten und profitorientierten Raums ist Platz für jene | |
entstanden, die Berlin im Sinne der Gemeinschaft neu gestalten wollen. | |
Eine von ihnen ist Jessamine Davis, eine der Sprecherinnen von | |
Klimaneustart. Noch am Wahltag war sie mit einem Fahrradkorso in der Stadt | |
unterwegs, um Menschen zum Abstimmen zu motivieren und um mit ihrer | |
Aufregung umzugehen. Sie sagt: „Es wird extrem knapp.“ Ein Erfolg ihres | |
Volksbegehrens würde, so Davis, „zeigen, dass die Berliner:innen ihrer | |
historischen Verantwortung gerecht werden“. Ein Ja wäre „der größte Erfo… | |
der deutschen Klimabewgeung der vergangenen Jahre“. | |
Sollte eine Mehrheit für den Volksentscheid zustande kommen und mindestens | |
ein Viertel der Berliner:innen – 607.518 Wähler:innen – mit Ja | |
stimmen, stünde die Stadt vor einer Zäsur. Denn anders als etwa beim | |
letzten Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen geht es nicht um | |
einen Appell an die Politik, sondern um eine konkrete, sofort inkraft | |
tretende Gesetzesnovelle. | |
## Umfassender Veränderungsbedarf | |
Die angestrebten Änderungen im erst 2021 verabschiedeten Berliner | |
Klimaschutz- und Energiewendegesetz wirken klein: Es gibt ausgetauschte | |
Jahreszahlen sowie einige zugespitzte Formulierungen, zumeist werden | |
„Ziele“ zu „Verpflichtungen“. Doch die Bedeutung dieser Änderungen ist | |
gewaltig. | |
Berlin müsste bis 2030 seine Kohlendioxidemissionen im Vergleich zu 1990 um | |
mindestens 95 Prozent verringern. Für die kommenden [3][sieben Jahre | |
bedeutet das eine so starke Senkung der CO₂-Emissionen] wie in den | |
vergangenen 30 Jahren. Ein erster Zwischenschritt mit einer Senkung von 70 | |
Prozent soll bereits 2025 erreicht sein. Ob Industrie- oder | |
Verkehrspolitik, Energieerzeugung, Wärmeversorgung oder Gebäudedämmung – | |
überall entstünde immenser Handlungsbedarf. | |
Nachdem Berlins Senat [4][einen gemeinsamen Termin von Wiederholungswahl | |
und Abstimmung sabotiert hatte], gilt vor allem das Quorum von 25 Prozent | |
der Berliner:innen, die zustimmen müssen, als größte Hürde für die | |
Initiative. Laut Landeswahlleiter Stephan Bröchler lag die Beteiligung bis | |
16 Uhr bei 26,4 Prozent. Über 450.000 Berliner:innen hatten | |
Briefwahlunterlagen beantragt, so viele wie bei keinem Volksentscheid | |
zuvor. | |
Für die Kampagne, einem Zusammenschluss aus Dutzenden Organisationen, die | |
ohne Unterstützung der etablierten Parteien ausgekommen ist, lief es | |
zuletzt wie am Schnürchen. Gegen ihre in der ganzen Stadt sichtbare Werbung | |
gab es keine organisierte Gegenmobilisierung. Der Entschluss der SPD, sich | |
in eine Koalition mit der CDU zu begeben, dürfte die Motivation vieler | |
potenzieller Wähler:innen gesteigert haben, dieser als | |
„[5][Rückschrittskoalition]“ wahrgenommenen Regierung eine Aufgabe mit auf | |
den Weg zu geben; auch ließ er Grüne und Linke ihre Begeisterung für das | |
Vorhaben entdecken. | |
Auch Davis sagt: „Schwarz-Rot bedeutet, dass der Volksentscheid noch | |
wichtiger ist.“ Zwar hätte auch der bisherige Senat „nicht schnell genug | |
gehandelt“, aber bei CDU und SPD könnte man angesichts ihrer Wahlprogramme | |
„nicht davon ausgehen, dass sie eine ausreichende Klimapolitik vorhaben“. | |
## Warnung des Weltklimarats | |
Der jüngste Bericht des Weltklimarates war zudem ein unmissverständliches | |
Signal, den Klimaschutz nicht länger aufzuschieben. Zuspruch erhielt die | |
Kampagne aus der Berliner Wirtschaft, von Wissenschaftler:innen und | |
[6][Künstler:innen]. Noch am Samstag feierten einige Tausend Menschen | |
beim Wahlkampfabschluss vor dem Brandenburger Tor zu Musik von den | |
Beatsteaks oder Igor Levit und hörten Reden etwa von der zuletzt | |
Vollzeit-Wahlkämpferin Luisa Neubauer. | |
Dagegen standen die Einschätzungen des designierte Regierenden | |
Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) und seiner Vize Franziska Giffey (SPD): | |
Noch Ende der Woche teilten sie mit, die Ziele des Entscheids seien „mit | |
keinem Geld der Welt zu erreichen“. [7][Auf bis zu zehn Milliarden Euro | |
Sondervermögen] für den klimaneutralen Umbau der Stadt haben sich CDU und | |
SPD aber schon vorab geeinigt. | |
26 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Klima-Volksentscheid/!t5922360 | |
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[3] /Volksentscheid-Berlin-2030-klimaneutral/!5914177 | |
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[6] /Volksentscheid-in-Berlin-am-Sonntag/!5920393 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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