# taz.de -- Jugendangebot von ARD und ZDF: Öffentlich-rechtliche YouTuber | |
> Am Samstag startet „Funk“, das neue Angebot für 14- bis 29-Jährige von | |
> ARD und ZDF, das überall läuft. Nur nicht im Fernsehen. | |
Bild: Alles hip, jung und cool – das zeigt schon der Trailer zu Funk | |
Zum Start funktioniert ausgerechnet der Trailer nicht. „Daran sieht man“, | |
sagt Florian Hager, der Chef von „Funk“. „Wir machen kein Fernsehen. Das | |
können wir gar nicht.“ Ist natürlich ironisch gemeint. Ein bisschen hilflos | |
stehen Hager und seine Stellvertreterin Sophie Burkhardt vor den | |
eingeladenen Journalisten in Berlin-Wedding. Es ist Donnerstag, in zwei | |
Tagen soll Funk offiziell starten und jetzt kann erst mal niemand sehen, | |
was es zu bieten hat. | |
Aber an Hagers Satz ist auch etwas Wahres dran: Das junge Angebot von ARD | |
und ZDF ist nicht Fernsehen oder Radio oder Internet. Es ist ein | |
werbefreies „Content Netzwerk“, so nennen sie das bei ARD und ZDF. Es gibt | |
keinen linearen Sender. Zu sehen ist es ausschließlich im Internet, dort | |
aber auf allen Plattformen, die Jugendliche nutzen: Facebook, YouTube, | |
Snapchat und in der eigenen Smartphone-App. | |
„Eigentlich ist es uns ein bisschen peinlich, hier so ein Presseevent zu | |
veranstalten“, sagt die Sprecherin von Funk. Dafür haben die Veranstalter | |
aber ganz schön aufgefahren: Fabriketagen gemietet, eingerichtet wie eine | |
Wohnung aus dem Berlin-Mitte-Hochglanzjournal, Stühle vom Flohmarkt, Möbel | |
aus Baumarktpaletten, Hirschgeweih an der Wand, natürlich auch alles extrem | |
ironisch und so. Funk soll schließlich Menschen zwischen 14 und 29 Jahren | |
erreichen. | |
Kosten wird es 45 Millionen Euro pro Jahr. Geld, das frei wird, weil | |
gleichzeitig die Sender Einsplus und ZDFkultur eingestellt werden. | |
## Öffentlich-rechtliche Aufklärung gegen Verdummung | |
An diesem Wochenende sind aber nicht nur Hager und Burkhardt im Ziel | |
angekommen, sondern auch Peter Boudgoust. Zumindest fast. Er hatte 2011 die | |
Parole ausgegeben, dass man die junge Generation nicht dem „Trashfernsehen | |
und den Krawallshows der kommerziellen Programmanbieter“ überlassen dürfte. | |
Öffentlich-rechtliche Aufklärung gegen Verdummung. | |
Drunter macht man es wohl nicht, wenn man gerade vor Kraft strotzt: | |
Boudgoust war damals kurz zuvor als Intendant des Südwestdeutschen | |
Rundfunks (SWR) wiedergewählt worden. Nun hatte er weitere fünf Jahre Zeit | |
bekommen, um endlich seinen trimedialen Jugendkanal, gemeinsam bestückt und | |
bezahlt von ARD und ZDF, zum Fliegen zu bringen. Quasi ein Kinderkanal für | |
Nicht-mehr-Kinder-aber-noch-nicht-Erwachsene. „Gemeinsam mit dem ZDF wäre | |
ein Jugendkanal morgen möglich“, sagte Boudgoust damals noch. Morgen. Der | |
Witz war gut. Nur weil Boudgoust kürzlich noch einmal für eine neuerliche | |
Amtszeit wiedergewählt wurde, erlebt er es überhaupt als Intendant – und | |
nicht als Pensionär – mit, wenn an diesem Samstag Funk mit 40 Formaten | |
startet. | |
Es gibt den Drei-Minuten-Sketch, die Mädchentalkshow auf dem Klo, eine | |
Mysteryserie und politische Reportagen, die Flüchtlinge übers Mittelmeer | |
begleiten. Informieren, orientieren, unterhalten, das sind die drei | |
Schlagworte, die die Inhalte in Kategorien einteilen. Als Presenter, | |
Moderatoren und Reporter haben die Öffentlich-Rechtlichen zum Teil Leute | |
eingekauft, die bei anderen Sendern oder im Internet schon einen Namen | |
haben: LeFloid ist dabei, der YouTuber, der vor Kurzem die Kanzlerin | |
interviewt hat, Florentin Will, der Gelegenheits-Sidekick von Jan | |
Böhmermann, Ronja von Rönne, die Autorin, die 2015 beim Bachmannpreis | |
auftrat, und die Datteltäter, die christlich-muslimische Kombo, die bei | |
YouTube Vorurteile, Rassismus und Engstirnigkeit karikieren. Sie alle haben | |
für Funk eigene Formate entwickelt, betreut werden sie jeweils von einer | |
Redaktion der ARD oder des ZDF. | |
## Neues Prinzip: Subjektivität | |
So wird das investigative „Jäger und Sammler“ beispielsweise von | |
Redakteuren der ZDF-Investigativ-Sendung „Frontal 21“ begleitet, setzt sich | |
aber in der Machart deutliche davon ab. Die Informationsformate von Funk | |
verbindet ihre persönliche und subjektive Ansprache: viel Meinung, viele | |
Ich-Bezüge, viel direktes Miterleben dessen, was die Reporter gerade | |
denken. „Objektivität im Journalismus ist eine Farce. Das versuchen wir | |
durch unsere subjektive Herangehensweise transparent zu machen“, sagt Ronja | |
von Rönne, Presenterin von „Jäger und Sammler“. | |
Das entspricht der Herangehensweise vieler neuer Jugendformate: Von Bento | |
über Zett bis zu Vice – alle liefern zu ihren Geschichten meist ihre | |
Meinung gleich mit. Haltung sei netzinhärent, sagt auch Friedemann Karig, | |
der bei Funk das politische Format „Y-Kollektiv“ macht, nur so sei man | |
glaubwürdig. | |
Karigs Format wird bei YouTube zu sehen sein, Rönnes „Jäger und Sammler“ | |
bei Facebook. Am Ende jeder Folge wird „Funk“ stehen – mehr Hinweis darau… | |
dass die jeweilige Formate Produktionen der Öffentlich-Rechtlichen sind, | |
wird es nicht geben. „Wir wollen mit der Marke nicht die Inhalte | |
überdecken“, sagt Sophie Burkhardt. „Wir wollen Lust auf | |
Öffentlich-Rechtliches machen.“ Die Frage ist nur, wer überhaupt verstehen | |
wird, dass all diese Formate öffentlich-rechtlich sind. Das sei für den | |
Zuschauer nicht wichtig, sagt Burkhardt. | |
Nur: Es ist wichtig für die Öffentlich-Rechtlichen selbst. Seit Jahren | |
müssen sie sich die Kritik gefallen lassen, dass ihr Publikum zu alt sei, | |
dass sie die Jugend zu wenig mitnähmen. Und jetzt, da sie die Jugend | |
abholen wollen, verstecken sie sich. | |
## Internet only | |
Es hat einige Überzeugungskraft gebraucht, den ARD-Intendanten zu | |
vermitteln, dass nicht auf jedem Video groß Funk stehen wird – wie | |
eigentlich fast alles, wofür Funk jetzt steht. Den Auftrag, die Jugend mit | |
einem extra Angebot zu versorgen, hatten zu Beginn alle zugejubelt. Doch | |
dann bremsten die MinisterpräsidentInnen: ein Angebot aus Radio- und | |
Fernsehsender sowie Website wird es nicht geben, entschieden die | |
Länderchefinnen und -chefs 2014. Trimdial könne man auch im Netz senden. | |
So wurde aus dem Jugendkanal ein Netzkanal. Malu Dreyer, | |
rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der | |
Rundfunkkommission, machte klar, was sich die Länder wünschten: Ein | |
„jugendgemäßes Angebot“, das aus der „Online- und nicht aus der | |
Fernsehperspektive“ gedacht würde. Etwas wirklich Neues, eben kein | |
Kinderkanal für 14- bis 29-Jährige. Damit waren die MinisterpräsidentInnen | |
auch den privaten Rundfunkveranstaltern entgegen gekommen. Doch ob das | |
reicht ist zweifelhaft. | |
Denn um jugendgemäß zu sein und von der Onlineperspektive her zu denken, | |
sinken für das Jugendangebot auch die Hürden: keine Sieben-Tage-Frist mehr | |
für Inhalte im Netz, kein Drei-Stufen-Test, Verbreitung der Inhalte | |
ausschließlich über Drittplattformen wie YouTube, Instagram und Facebook | |
ausdrücklich erlaubt. So steht es im neuen Rundfunkstaatsvertrag. Paragraf | |
11g. | |
Die im VPRT zusammengeschlossenen Privatfernsehsender hatten und haben | |
Angst vor einem Dammbruch: Fallen über den Umweg Jugendangebot die | |
Schranken? Ist es die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten YouTube | |
und Co. mit Inhalten zu füttern (die ja in erster Linie in Konkurrenz zu | |
den Privaten stehen)? Als im September 2015 Sachsen-Anhalt zu einer offenen | |
Konsultation über das geplante junge Angebot lud, schickten Privatsender | |
und Verleger eine 14 Seiten starke Stellungnahme, was sie alles stört. | |
Ausgang noch offen. Sie dürften die neuen Inhalte und deren | |
Verbreitungswege genau beobachten. | |
Immerhin sind den Videos von Funk so schon mal ein paar Zuschauer zum Start | |
sicher. | |
30 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Jürn Kruse | |
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