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# taz.de -- 3sat-Dokureihe „Ab 18!“: Von Liebe, Tod und Arbeit
> Die Dokureihe „Ab 18!“ begleitet Heranwachsende und zeigt ihre
> unterschiedlichen Realitäten. Der Wunsch nach Selbstbestimmung eint sie
> alle
Bild: Die erste Folge begleitet die Leiharbeiterin Seda
Das Durchschnittsalter der Zuschauer der öffentlich-rechtlichen
Fernsehsender liegt hierzulande inzwischen bei über 60 Jahren. Es besteht
also Handlungsbedarf, [1][wenn man die „jüngere Zielgruppe“ doch noch
irgendwie erreichen will]. Beim ZDF hatten sie dafür 2015 die
mitternächtliche Nachrichtensendung „heute+“ erfunden – und in diesem
Sommer auch schon wieder eingestellt. Der Sendeplatz um die Geisterstunde
(im Sommerloch) herum ist den hauseigenen Förderprogrammen für
Nachwuchsfilmer – ob „FilmDebüt im Ersten“ oder „Shooting Stars“ im …
– vorbehalten. Meistens handelt es sich um Abschlussfilme von
Filmstudenten: ihre erste und vielleicht auch letzte Gelegenheit, einen
ambitionierten Autorenfilm zu drehen, bevor sie bald nur noch
Krimi-Massenware für die Primetime herstellen.
Die Nachwuchsreihe des kleinen Bruders 3sat ist da niederschwelliger
angelegt: „Wir suchen Dokumentarfilmprojekte, die in die Erlebnis- und
Gefühlswelt von 18- bis 28-Jährigen eintauchen und spannende Geschichten
von Erwachsenwerden heute […] erzählen“, heißt es in der Ausschreibung f�…
„Ab 18!“. Das formale Kriterium, die „Länge von 30 Minuten“, scheinen …
3sat-Filmredakteure, wie die Altersangabe von 18 Jahren, eher als
Mindestgröße zu verstehen. Inhaltlich zeugen die sechs in diesem Jahr
geförderten Projekte von durchaus unterschiedlichen „Erlebnis- und
Gefühlswelten“:
„Seda baut Autos“, manchmal. Manchmal wird sie von ihrer Leiharbeitsfirma
an einen Zulieferer ausgeliehen. Manchmal arbeitet sie auch an einer
Tankstelle. Oder gar nicht. Ein Staplerschein als Chance:
„Gabelstaplerfahrer oder Gabelstaplerfahrerin – welche Zukunftschancen
sehen Sie für den Beruf?“, fragt der altgediente Ausbilder rhetorisch. Die
Filmbilder (von Jonas Heldt) zeigen einen selbstfahrenden Stapler in einer
menschenleeren Werkshalle. Kein Wunder, wenn sich Seda die Sinnfrage
stellt: „Arbeit ist auch voll das verspulte System. Du machst irgendwas und
bekommst dafür Geld. Die ganze Zeit. Bis zur Rente, dann bist du eh schon
60.“
In „Ich habe dich geliebt“ (Rosa Hannah Ziegler) merkt man schnell, dass es
mit der Liebe Katharinas zu Ben vorbei ist. Spätestens wenn man sich seine
endlosen Vorwürfen ein Weile lang angehört hat. Aber irgendwann hält man
inne. Was hat der da gerade gesagt: „Und was ist mit unserem Sohn? […] Ich
geh jedes Mal alleine hin. Jedes Mal sag ich ihm, nächstes Mal kommst du
vielleicht mit. […] Aber das Einzige ist, dass ich alleine da bin und die
Erinnerung an ihn in ’nem Karton verscharrt. Warum kommst du nicht mit?“
Der Tod ist auch auf den Reisen der Kriegsberichterstatter Dennis und
Patrick Weinert allgegenwärtig. [2][Die Erzählung eines Rohingya-Mädchens]
von der Ermordung von Onkel, Vater und Mutter vor ihren Augen treibt auch
den abgehärteten Profis die Tränen in die Augen. Die Kamera ist ihr Mittel,
um die Welt „Hinter unserem Horizont“ zu entdecken. In der
Zentralafrikanischen Republik kommen sie selbst nur knapp mit dem Leben
davon: „Aber warum suchen wir nach immer extremeren Situationen?“ Die
philosophischen Reflexionen aus dem Off klingen manchmal ein bisschen
schlauer, als sie sind: „Ich glaube, wenn wir aufhören zu suchen, verstehen
wir letztendlich, dass die Antworten oft direkt vor uns liegen.“
Es zeichnet sich dann doch ein gemeinsames Zentrum der Filme ab. Alle
kreisen irgendwie, irgendwo um das Thema Selbstbestimmung: Sei es die einer
trans Person in einem binären Geschlechtersystem („Being Sascha“ von Manuel
Gübeli) – sei es die der „stärksten Frau Österreichs“ in einem
männerdominierten Umfeld („Die Gewichtheberin“ von Constantin Hatz und
Annelie Boros).
Sei es die von [3][Luisa Neubauer] (von Regisseurin Romy Steyer), die sie
das deutsche Gesicht von Fridays for Future nennen. Rastlos eilt „Luisa“
von Streik zu Demo, von Macron zu Merkel, von Talkshow zu
(Grünen-)Parteitag. Und dann will auch noch der Kreisvorsitzende in
Osterholz etwas von ihr, und der besorgte Vater einer Mitstreiterin muss am
Telefon beruhigt werden.
Das ist anstrengend, klar, aber klar wird auch, dass Luisa Neubauer die
enorme Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird, sehr genießt. Eine
selbstbestimmte junge Frau hat ihre Bestimmung gefunden.
26 Oct 2020
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## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Doku
Öffentlich-Rechtliche
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Dokumentarfilm
Schwerpunkt Coronavirus
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