# taz.de -- Jüdisches Museum Berlin: Opfer gegen Opfer | |
> Nach dem Rücktritt des Museumsdirektors befindet sich das JMB in einem | |
> Schwebezustand. Nun nimmt die Debatte über das Haus erneut Fahrt auf. | |
Bild: Hier gehen laut FAZ Israelfeinde und Antisemiten ein und aus: das Jüdisc… | |
BERLIN taz | Noch hat die neue Direktorin ihren Job nicht angetreten, doch | |
schon flammt die Debatte über das Jüdische Museum in Berlin erneut auf. Die | |
jüngste Entwicklung: Die ehemalige Leiterin der Museumsakademie wirft der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor, mit ihrer Berichterstattung zum Thema | |
einer Kultur des Verdachts Vorschub zu leisten und ein Zerrbild des | |
jüdisch-muslimischen Dialogs am Museum zu zeichnen. | |
„Ich frage mich“, schreibt Yasemin Shooman in einer am Mittwoch | |
veröffentlichten [1][Stellungnahme], „wie ein Artikel, der auf so vielen | |
unbelegten Behauptungen (…) basiert, mit den Qualitätsstandards der FAZ zu | |
vereinbaren ist.“ Zuvor hatte FAZ-Feuilletonredakteur Thomas Thiel in einem | |
[2][Artikel] beschrieben, wie das Jüdische Museum „mutiert“ sei zu einem | |
„Forum für Israel-Kritiker und [3][BDS]-Sympathisanten“ – mit, so der | |
Vorwurf, zahlreichen Querverbindungen zu antisemitischen Islamisten. | |
„Der jüdisch-muslimische Dialog war für mich in den letzten Jahren ein | |
Lebensthema“, schreibt Shooman in ihrer Stellungnahme an FAZ-Mitherausgeber | |
Jürgen Kaube. „Der Artikel in ihrer Zeitung zeichnet davon ein Zerrbild und | |
gipfelt in der ehrenrührigen impliziten Anschuldigung, ich sei Teil einer | |
Bewegung gewesen, die sich (…) ‚gegen die Existenz des Staates Israel und | |
(…) gegen das Lebensrecht der dort lebenden Juden richtet‘.“ Die FAZ | |
reagierte auf eine Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen zunächst nicht. | |
Thiel hatte Shooman in dem bereits kurz vor Weihnachten veröffentlichten | |
Text als prominente Vertreterin eines seiner Ansicht nach problematischen | |
Ansatzes innerhalb der Rassismusforschung dargestellt: der vergleichenden | |
Forschung zu verschiedenen Formen von Diskriminierung und gruppenbezogener | |
Menschenfeindlichkeit. Wer Antisemitimus und Islamophobie miteinander | |
vergleiche, relativiere den Holocaust. | |
## Islamophobie als Kampfbegriff | |
Dem FAZ-Artikel zufolge wird das Thema Islamophobie in Deutschland ohnehin | |
übertrieben. Die Islamophobieforschung von WissenschaftlerInnen wie Shooman | |
oder [4][Farid Hafez] sei eine „Pseudowissenschaft“, Islamophobie ein | |
ideologisierter „Kampfbegriff“. Als Vertreterin dieser „israelfeindlichen | |
bis antisemitischen“ Bewegung habe Shooman – nicht [5][der zurückgetretene | |
Direktor Peter Schäfer] – das Jüdische Museum Schritt für Schritt in ein | |
Forum für Islamophobie-AktivistInnen und AntisemitInnen verwandelt. | |
Die Zeit [6][wertet] den FAZ-Artikel in ihrer aktuellen Ausgabe als | |
persönlichen Angriff auf die ehemalige Leiterin der Museumsakademie. | |
Gefährdet sei hier, so der Autor, Shoomans „soziale Existenz“. Nach dem | |
Abgang Schäfers würden nichtjüdische und jüdische Konservative versuchen, | |
das Selbstverständnis des Museums umzudefinieren und den bisherigen | |
pluralen gesellschaftlichen Austausch in dem Haus zu unterbinden. | |
Auch im Berliner Tagesspiegel [7][stieß die Kritik auf Widerspruch]: | |
„Undifferenzierten Nonsens“ und „krasse Anschuldigungen jenseits der | |
journalistischen oder wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht“ warf Autor Max | |
Czollek, Mitherausgeber der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen | |
Gegenwart, der FAZ vor. Die Berichterstattung überschreite die „Grenze zur | |
Verschwörungstheorie“ und müsse vor allem als eines verstanden werden: als | |
Warnung an die künftige Leitung des Museums. | |
Am 1. April [8][übernimmt die niederländische Kuratorin und | |
Museumsmanagerin Hetty Berg die Leitung des Jüdischen Museums]. Ihr | |
Vorgänger Peter Schäfer war nach heftigen Debatten um die Ausrichtung des | |
Hauses und einer [9][Beschwerde aus israelischen Regierungskreisen] im | |
vergangenen Juni zurückgetreten. Über die Nachfolge Shoomans, die von der | |
Museumsakademie zum Deutschen Zentrum für Integrations- und | |
Migrationsforschung gewechselt ist, soll erst entschieden werden, wenn die | |
neue Chefin übernommen hat. | |
18 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://rat-fuer-migration.de/richtigstellung-yasemin-shooman-faz-artikel/ | |
[2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/zur-lage-des-juedischen-mus… | |
[3] /!t5071445/ | |
[4] /Politikwissenschaftler-ueber-Islamophobie/!5639815 | |
[5] /BDS-Tweet-des-Juedischen-Museums-Berlin/!5600322 | |
[6] https://www.zeit.de/2020/04/juedisches-museum-berlin-antisemitismus-buehne | |
[7] https://www.tagesspiegel.de/kultur/nach-peter-schaefers-abgang-warum-das-ju… | |
[8] /Neue-Direktorin-des-Juedischen-Museums/!5644806 | |
[9] /Schreiben-liegt-der-taz-exklusiv-vor/!5553564 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
## TAGS | |
Jüdisches Museum Berlin | |
FAZ | |
Antisemitismus | |
Islamophobie | |
BDS-Movement | |
Schule | |
taz Plan | |
Jüdisches Museum Berlin | |
Judentum | |
BDS-Movement | |
Jüdisches Museum Berlin | |
Jüdisches Museum Berlin | |
Jüdisches Museum Berlin | |
Jüdisches Museum Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Projektleiterin über Museums-Tournee: „Was wisst ihr über das Judentum?“ | |
Dieser Tage schickt das Jüdische Museum Berlin eine mobile Ausstellung an | |
drei Schulen in Niedersachsen. Warum, erklärt die Historikerin Sarah Hiron. | |
Antifaschismus in Berlin: Gegen den Sturm | |
Wer der Rechtsdrift widerstehen will, muss sich bestimmt und aktiv damit | |
auseinandersetzen. Hier einige Gelegenheiten. | |
Streit ums Jüdische Museum: Solidarität aus falschen Motiven | |
Kritik an der Bewegung BDS ist gut und richtig. Gleichzeitig muss es | |
möglich sein, antimuslimischen Rassismus zu kritisieren. | |
Jüdisches Kindermuseum öffnet im Mai: Esel, Nacktmull und Kakerlake | |
In der Kinderwelt des Jüdischen Museums mit Namen „Anoha“ wird alles zum | |
Anfassen. Geht was kaputt, wird es repariert. Eine Vorbesichtigung. | |
BDS-Diskussion in Göttingen: „Angebracht und möglich“ | |
Ist die BDS-Bewegung antisemitisch? Das Deutsche Theater in Göttingen hat | |
versucht, von Politiker*innen und Zivilgesellschaft eine Antwort zu | |
bekommen. | |
Kommentar Jüdisches Museum: Warum ich als Guide gekündigt habe | |
Dass Museumsdirektor Peter Schäfer zum Rücktritt gezwungen wurde, hat mir | |
gezeigt: Das Jüdische Museum ist nicht mehr unabhängig. | |
Kommentar Kritik am Jüdischen Museum: Es geht nicht um einen Tweet | |
Das Jüdische Museum muss sich ernsthaft fragen, ob es seinem Titel gerecht | |
geworden ist. Ein Ort der Diskussion muss es aber bleiben. | |
Nach Kritik am Jüdischen Museum Berlin: Das Vertrauen vespielt | |
Der Direktor der Stiftung Jüdisches Museum tritt zurück. Das Jüdische müsse | |
mehr Einfluss haben, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden. | |
BDS-Tweet des Jüdischen Museums Berlin: Streit, Macht, Kontrolle | |
Das Museum steht in der Kritik, weil es einen Tweet zum BDS-Beschluss des | |
Bundestags gepostet hat. Leiter Peter Schäfer trat am Freitag zurück. |