# taz.de -- BDS-Diskussion in Göttingen: „Angebracht und möglich“ | |
> Ist die BDS-Bewegung antisemitisch? Das Deutsche Theater in Göttingen hat | |
> versucht, von Politiker*innen und Zivilgesellschaft eine Antwort zu | |
> bekommen. | |
Bild: Bringt BDS-Diskussionen auf die Bühne: das Deutsche Theater in Göttingen | |
GÖTTINGEN epd | Wo verläuft die Grenze zwischen Antisemitismus und | |
berechtigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik? Klar beantworten | |
ließ sich die in den vergangenen Monaten hitzig debattierte Frage auch am | |
Freitagabend in Göttingen nicht. Dennoch erreichte das Deutsche Theater mit | |
seiner Podiumsdiskussion einen differenzierten Austausch über das | |
kontroverse Thema. Vor voll besetzten Rängen diskutierten Iris Hefets, | |
Vorstandsmitglied des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in | |
Nahost“, und [1][Meron Mendel], Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in | |
Frankfurt, mit drei Bundespolitikern. | |
Die „Jüdische Stimme“ war im vergangenen Jahr mit dem Göttinger | |
Friedenspreis ausgezeichnet worden. Doch der Zentralrat der Juden und | |
andere kritisierten den Verein als antisemitisch, wegen seiner Nähe zur | |
Kampagne [2][„Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS)]. Diese will Israel | |
wegen der Besetzung großer Teile Palästinas politisch, wirtschaftlich und | |
kulturell isolieren. Die Stadt und die Universität Göttingen [3][entzogen | |
der „Jüdische Stimme“ die Unterstützung für die Verleihfeier], die | |
Auszeichnung wurde stattdessen in einer privaten Galerie vergeben. | |
Hefets bekräftigte am Freitag ihre scharfe Kritik an der Politik ihres | |
Heimatlandes. Israel sei der „Besatzer“, unterdrücke die Palästinenser, | |
„Israel ist Täter, ich schäme mich für Israel.“ Gleichzeitig behaupte die | |
israelische Regierung, für alle Juden zu sprechen, Staat und viele Medien | |
arbeiteten an einer „Identität von Israel und Judentum“. Dies sei der | |
„Trick“, um Kritik an der Politik mit Antisemitismus gleichsetzen und so | |
Kritik verbieten zu können. „Es gibt aber nicht den Juden“, betonte Hefets. | |
Mendel widersprach. „Wenn ich höre, Israel ist Täter, kriege ich | |
Bauschschmerzen.“ Dennoch sei Kritik an der israelischen Besatzungspolitik | |
sei sowohl angebracht wie auch möglich. „Israel wird doch permanent an den | |
Pranger gestellt“, sagte Mendel. Kein Land sei so oft in UN-Resolutionen | |
verurteilt worden, auch das diktatorisch regierte Nordkorea nicht, und | |
Deutschland habe auch 2019 solche Resolutionen unterstützt: „Deshalb kann | |
ich dem Opfer-Narrativ nicht zustimmen.“ | |
Der Göttinger Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin machte auf eine | |
Liste des US-amerikanischen Simon-Wiesenthal-Zentrums aufmerksam, die | |
regelmäßig die zehn schlimmsten antisemitischen Vorfälle des Jahres | |
aufführe. Der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen werde wegen seines | |
anti-israelischen Stimmverhaltens auf Platz sieben geführt. Trittin | |
betonte, das widerlege die Aussage Mendels, Israelkritik sei ohne Probleme | |
möglich. | |
Trittin sowie sein Abgeordneten-Kollege Konstantin Kuhle (FDP) kritisierten | |
gleichzeitig die Kampagne „Boykott, Divestment, Sanctions“ (BDS). Durch | |
ihre anti-israelische Rhetorik liefere sie „den Nährboden für | |
Antisemitismus“, sagte Kuhle. | |
Ist scharfe Kritik an Israel, wie BDS und die „Jüdische Stimme“ sie | |
vertreten, also antisemitisch? „Die Eingangsfrage ist nicht zu | |
beantworten“, erklärte Trittin. „Es gibt keine Formel dafür. Allenfalls | |
Einzelbeispiele.“ | |
18 Jan 2020 | |
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