# taz.de -- Pro & Contra Göttinger Friedenspreis: Was ist antisemitisch? | |
> Sollte die „Jüdische Stimme“ den Göttinger Friedenspreis bekommen? Unse… | |
> Gastautoren erklären ihre Position zur Debatte. | |
Bild: Eine Friedenstaube an einer Wand in Bethlehem | |
Für den Göttinger Friedenspreis 2019 wurde die „Jüdische Stimme“ nominie… | |
Die Stadt, die Uni und die Sparkasse [1][zogen sich aus der Unterstützung | |
für die Preisverleihung zurück], da Antisemitismus-Vorwürfe gegen den | |
Preisträger laut wurden. Haben Kritiker*innen recht? Oder sollte die | |
„Jüdische Stimme“ den Preis bekommen? | |
## Ja, die „Jüdische Stimme“ sollte den Preis bekommen! | |
Die Frage klingt grotesk: Sind der Bürgermeister von Göttingen und die | |
Präsidentin der Georg-August Universität Göttingen nicht selbst | |
Antisemiten, wenn sie sich aus der Preisverleihung an eine jüdische | |
Organisation Namens „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ | |
zurückziehen? Die groteske Frage aber hat ein umso groteskeres Vorspiel, | |
das den bekannten Vorwurf „Antisemitismus“ auf den Kopf stellte: Die | |
Stiftung Dr. Roland Röhl entschied sich, den Friedenspreis 2019 an die | |
„Jüdische Stimme“ zu verleihen. Das empfanden „Israelfreunde“ als | |
israelfeindlich, weil die „Jüdische Stimme“ laut ihrer Satzung die | |
BDS-Organisation unterstützt, die – angeblich per definitionem – | |
antisemitisch sei. Sie bewirkten die Aussetzung der Preisverleihung. Das | |
Groteske: Einem jüdischen Verein, der sich für die Zweistaatenlösung | |
einsetzt, wird Antisemitismus vorgeworfen! | |
Die Göttinger „Israelfreunde“, die zur „Antisemitismuskeule“ gegen | |
andersdenkende Juden greifen, sind kein Einzelfall. Es reicht, jemand den | |
Vorwurf zu machen, mit BDS kooperieren zu wollen, um ihn zu delegitimieren. | |
Nach der Parole BDS = Antisemitismus ist man schnell mundtot. Hinter dieser | |
Strategie steht die israelische Regierung, die so jede Kritik an ihrer | |
Politik im Keim ersticken möchte, egal ob es um die Besatzungspolitik oder | |
um das gesetzliche Vorgehen gegen israelische Araber geht. Die Geiseln der | |
israelischen Politik, die Diasporajuden, machen meist mit, und deutsche | |
Politiker kollaborieren. | |
Das Ganze ist kein Einzelfall: Einer anderen deutschen Stiftung reichte ein | |
anonymer Brief, um einen Friedenspreis auszusetzen, der an die | |
amerikanische Women’s March vergeben werden sollte; auch dort ging es um | |
diese Kombination: Kritik/BDS/Antisemitismus. Dauert dieser Kampf gegen den | |
vermeintlichen Antisemitismus an, leidet am Ende der Kampf gegen den wahren | |
Antisemitismus! Moshe Zimmermann | |
## Nein, der Preis sollte nicht an die Initiative gehen! | |
Sieht man sich die Liste von Friedenspreisen an, die in Deutschland jedes | |
Jahr vergeben werden, bekommt man einen Eindruck davon, wie wichtig es | |
staatlichen und privaten Institutionen hierzulande ist, das Engagement von | |
Persönlichkeiten oder Organisationen zu würdigen, die sich – gemäß den | |
Statuten des Göttinger Friedenspreises – um „einen herausragenden | |
praktischen Einsatz für den Frieden“ verdient gemacht haben. Durch die | |
Vergabe derartiger Preise sollen der gesellschaftliche Zusammenhalt | |
gestärkt und weitere Akteure ermuntert werden, in dem von den Stiftern | |
formulierten Sinne weiterzuwirken. | |
Im Falle des Göttinger Friedenspreises 2019 wurden diese Ziele deutlich | |
verfehlt. Die Vergabe an die umstrittene Organisation „Jüdische Stimme für | |
gerechten Frieden in Nahost“ hat vielmehr eine politische Kontroverse | |
ausgelöst, deren Ende noch nicht absehbar ist, und zur gesellschaftlichen | |
Spaltung in unserem Land beigetragen. Dies zeigt der heftige Protest des | |
Zentralrats der Juden in Deutschland sowie vieler weiterer Stimmen in | |
Göttingen und darüber hinaus. | |
Auch ich halte diese Preisvergabe für ein falsches und fatales politisches | |
Signal. Mir ist keine Aktion bekannt, durch die die „Jüdische Stimme“ in | |
konstruktiver Weise zu einer wirklichen Verständigung der Konfliktparteien | |
im Nahen Osten beigetragen oder ausgleichend auf sie eingewirkt hätte. | |
Vielmehr erweist sie durch die Unterstützung der antisemitischen | |
BDS-Bewegung, die Israel systematisch delegitimiert, dämonisiert und zu | |
isolieren versucht, den berechtigten Anliegen der Palästinenser einen | |
Bärendienst und behindert die Suche nach einer Lösung im | |
israelisch-palästinensischen Streit. | |
Die Jury, die die Entscheidung über die Vergabe des Göttinger | |
Friedenspreises 2019 zu verantworten hat, sollte die Größe haben, die | |
Kritik an dieser Entscheidung anzunehmen, und von einer Verleihung des | |
Preises absehen. Felix Klein | |
1 Mar 2019 | |
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[1] /Antisemitismus-Vorwuerfe-gegen-Preistraeger/!5575027 | |
## AUTOREN | |
Moshe Zimmermann | |
Felix Klein | |
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