| # taz.de -- Streit um Göttinger Friedenspreis: Empathie für die Feinde Israels | |
| > Auch ohne Antisemitismus-Vorwurf kann man die Vergabe des Preises an die | |
| > „Jüdische Stimme“ ablehnen. Eine Antwort auf Micha Brumlik. | |
| Bild: Vertreten für die „Jüdische Stimme“ „moderate Forderungen“: Kas… | |
| Muss man der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ | |
| [1][Antisemitismus vorwerfen, weil sie sich für einen Israel-Boykott | |
| engagiert?] Die Gruppe aus jüdischen Frauen und Männern in Deutschland soll | |
| den Göttinger Friedenspreis erhalten, doch der Oberbürgermeister und die | |
| Universitätsleitung der Stadt haben ihre Unterstützung zurückgezogen. | |
| Da von Auszeichnungen wie dem Göttinger Friedenspreis politische Signale | |
| ausgehen sollen, ist es völlig legitim, Preisträger auch schlicht politisch | |
| abzulehnen. In diesem Fall wäre es ein gutes Signal: Dass es genug Leute | |
| gibt, die eine Feindschaft gegenüber Israel nicht für akzeptabel halten. | |
| Denn an der Politik der „Jüdischen Stimme“ lässt sich vieles ablehnen –… | |
| zwar keineswegs nur, weil so etwas wie eine „Kontaktschuld“ bestünde, wegen | |
| der die Gruppe zu Unrecht verhaftet würde, [2][wie Micha Brumlik in der taz | |
| argumentiert]e. Er verweist darauf, dass die „Jüdische Stimme“ zwar die | |
| Bewegung „BDS“ unterstützt, die UnternehmerInnen, KünstlerInnen und | |
| WissenschaftlerInnen aus Israel boykottieren will, dass sie aber Israels | |
| Existenzrecht nie anzweifele. | |
| Nun: Mir persönlich reicht es schon, wenn Juden, weil sie aus Israel | |
| kommen, an Musikfestivals in Berlin nicht mehr teilnehmen sollen. | |
| ## Forderungen der Hamas zu eigen gemacht | |
| Wirklich getötet werden sollen Israelis und Juden allerdings, wenn die | |
| Hamas wieder zu Selbstmordattentaten aufruft. Der „Jüdischen Stimme“ | |
| scheint das nicht Grund genug zu sein, um Distanz zu der | |
| radikalislamistischen Organisation zu halten. In einer Mitteilung vom Juli | |
| 2014 macht sich die [3][„Jüdische Stimme“] die „zehn Bedingungen der | |
| Vernunft“ der Hamas für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg zu eigen und fordert | |
| deren „sofortige Annahme“. | |
| Teil der Bedingungen der Hamas war das Ende der Einmischung der | |
| „Besatzung“, obwohl die Israelis zumindest den Gaza-Streifen ja bereits | |
| 2005 geräumt haben und seitdem die Hamas dort die Menschen terrorisiert | |
| In [4][einem Flugblatt der „Jüdischen Stimme“] dazu heißt es, die | |
| Forderungen seien „durchaus moderat“ und „vernünftig“ und „keine | |
| Forderungen von ‚fanatischen Terroristen‘“. Kein Wort zu den Gewalttaten | |
| der Hamas gegen die eigene Bevölkerung, kein Wort zu den Raketen, die auf | |
| Israel abgefeuert wurden und die ja nun auch nicht unbedingt für einen | |
| „gerechten Frieden“ stehen. | |
| Das ist eben eines der politischen Probleme: Die „Jüdische Stimme“ gehört | |
| zu einer Fraktion [5][innerhalb der gesellschaftlichen Linken], die sich | |
| der reaktionären Hamas anscheinend näher sieht als der Demokratie zwischen | |
| Tel Aviv und Jerusalem, deren Regierung – so rechts sie aktuell sein mag – | |
| ihre Kritiker eben nicht [6][routinemäßig foltert, wie es „Human Rights | |
| Watch“ im Herbst 2018 der Hamas vorwarf]. | |
| Für die Menschenrechte von PalästinenserInnen einzustehen ist richtig. | |
| Gruppen wie der „Jüdischen Stimme“ fehlt dabei aber der Maßstab: Sie | |
| interessieren sich nur für Missetaten, wenn sie von Israelis begangen | |
| wurden. | |
| Iris Hefets, Mitbegründerin und im Vorstand der „Jüdischen Stimme“, | |
| erklärte im Februar 2017 [7][den Islamisten der Website „muslim-markt.de“ | |
| in einem Interview,] die Angst der Israelis „vor der Rache der von ihnen | |
| unterdrückten Menschen“ sei verständlich: „Wenn man Unterdrückung, | |
| Demütigung und Zerstörung sät, erntet man Destruktion, Attentate und | |
| gewaltsame Angriffe.“ | |
| Hefets verharmlost die realen Bedrohungen gegenüber dem jüdischen Staat, | |
| etwa durch das islamistische Regime im Iran. Machtsüchtig seien die | |
| Israelis, die sie mit Drogensüchtigen vergleicht. Hefets meint zu wissen: | |
| „Auch in Israel selbst hat das Gesetz keinen hohen Wert.“ | |
| Schuld ist in dieser Argumentation immer Israel. Ähnlich funktioniert die | |
| Idee, hinter liberalen und offenen Bewegungen innerhalb der israelischen | |
| Gesellschaft nur Vorwände zu wittern – etwa durch den | |
| „Pinkwashing“-Vorwurf, bei dem erklärt wird, mit einer LGBT-freundlichen | |
| Politik verschleiere Israel nur seine Bösartigkeiten. So argumentierte die | |
| Gruppe „Berlin against Pinkwashing“ etwa bei einer Aktion 2016, an der sich | |
| auch ein Vorstandmitglied der „Jüdischen Stimme“ beteiligte. | |
| Indem man annimmt, dass Israel alles falsch macht, verliert jeder Hinweis | |
| auf einen israelbezogenen Antisemitismus die Berechtigung. Zwar schreibt | |
| [8][die „Jüdische Stimme“], sie habe „immer wieder Stellung gegen Rassis… | |
| und Antisemitismus bezogen, auch in Fällen, wo sich diese als Kritik | |
| Israels tarnten“, in einem Flugblatt von August 2014 hört sich das | |
| allerdings anders an: [9][Statt eine Debatte über den Nahost-Konflikt zu | |
| führen, „sollen wir durch eine überflüssige Antisemitismus-Debatte | |
| abgelenkt werden]“. Antizionismus sei kein Antisemitismus und Zionismus | |
| „eine rassistische, kolonialistische und militaristische Ideologie“ – | |
| anders anscheinend als alle anderen nationalen Bestrebungen, insbesondere | |
| die der Palästinenser selbst. | |
| ## „Verständliche Wut auf Israel“ | |
| Auch in einem anderen Flugblatt der „Jüdischen Stimme“ vom September 2014 | |
| zeigt die Gruppe viel Empathie für Israels Feinde, wenn sie schreibt: | |
| „Diese verständliche Wut auf Israel wird man eben nicht durch | |
| ‚Antisemitismus‘-Rufe zum Verschwinden bringen.“ Die Ursache der Wut sind | |
| dabei wieder nur Taten der Israelis: „Enteignung, Vertreibung, Besatzung, | |
| Diskriminierung.“ | |
| Wie kann diese Ursache des Antisemitismus aber „behoben“ werden? Man sei | |
| gegen einen jüdischen Staat in Palästina, erklärt regelmäßig Omar | |
| Barghouti, der Mitbegründer der Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen | |
| und Sanktionen), zu der sich die „Jüdische Stimme“ ja zählt, obwohl sie d… | |
| Existenzrecht Israels nicht infrage stellen will. | |
| Barghouti sind die sprachlichen Unterschiede, die eine Kritik an Israelis | |
| von dem Hass auf Juden unterscheiden sollen, indes nicht allzu wichtig, | |
| wenn er von einer „[10][israelisch-zionistisch-jüdischen Lobby“] redet, die | |
| den [11][US-Kongress gekauft habe], und davon, dass [12][man „stolz“ auf | |
| den „bewaffneten Widerstand“] der Palästinenser sei. | |
| Nein, man muss nicht erneut darüber streiten, in welchen Facetten ein | |
| Boykott Israels antisemitisch ist. Man kann diese Positionen schlicht | |
| politisch ablehnen. | |
| Hinweis: An zwei Stellen haben wir den Text korrigiert. An einer Stelle | |
| wurde aus Forderungen der Hamas zitiert, für deren Annahme die „Jüdische | |
| Stimme“ sich einsetzte. Darin war von der „Besatzung“, nicht von | |
| „Besatzer(n)“ die Rede. An einer weiteren Stelle wurde ein Satz aus einem | |
| Interview des Vorstandsmitglieds der „Jüdischen Stimme“, Iris Hefets, mit | |
| der islamistischen Website „muslim-markt.de“ versehentlich in einem | |
| falschen Zusammenhang zitiert. | |
| 28 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5563098/ | |
| [2] /!5575309/ | |
| [3] https://www.juedische-stimme.de/2014/07/21/judische-stimme-js-fordert/ | |
| [4] https://www.juedische-stimme.de/2014/08/23/flugblatt-auf-der-mahnwache-in-f… | |
| [5] /!5572949/ | |
| [6] https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/foltervorwuerfe-gegen-hamas-und… | |
| [7] http://www.muslim-markt.de/interview/2017/hefets.htm | |
| [8] https://www.juedische-stimme.de/2019/01/13/die-juedische-stimme-braucht-kei… | |
| [9] https://www.juedische-stimme.de/2014/08/31/antizionismus-ist-nicht-antisemi… | |
| [10] https://www.audiatur-online.ch/2018/06/20/bds-die-moderne-form-des-antisem… | |
| [11] https://www.youtube.com/watch?v=icOxKAG8quA&feature=youtu.be&t=460 | |
| [12] https://www.youtube.com/watch?v=8QODAPfPAaw&feature=youtu.be&t=143 | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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