| # taz.de -- Journalismus in Mexiko: Berichten unter Lebensgefahr | |
| > Nirgendwo auf der Welt werden so viele Journalisten ermordet wie in | |
| > Mexiko. María Avilés lebt in Guerrerom – und macht trotz Drohungen | |
| > weiter. | |
| Bild: María Aviles bei einem Pressetermin: Trotz Todesangst liebt sie ihre Arb… | |
| Chilpancigo/Amsterdam taz | Ihr Tag beginnt mit einem schnellen Blick auf | |
| die aktuellen Nachrichten. María Avilés nippt an ihren Cappuccino, bestellt | |
| noch etwas Süßes, scrollt auf dem Handy und zeigt auf den Aufmacher ihrer | |
| Zeitung El Sur. „Neun Tote und ein Verletzter nach Angriff in Acapulco“, | |
| titelt das Blatt. Dann sucht sie ihren eigenen Text vom Vortag. „Zwei junge | |
| Männer in Chilpancingo hingerichtet, ein weiterer in Iguala“ steht über dem | |
| Artikel. Ein Foto zeigt Polizisten und Sanitäter, hinter ihnen liegt eine | |
| Leiche. Unter dem Text steht kein Autorinnenname. Sicherheit geht vor. | |
| „Viele von uns haben Morddrohungen erhalten, einige sind geflüchtet“, | |
| erklärt die Journalistin. | |
| Es ist Montagmorgen im Zentrum von Chilpancingo, der Hauptstadt des | |
| mexikanischen Bundesstaates Guerrero. Nichts deutet darauf hin, dass die | |
| Region zu den gewalttätigsten des Landes zählt. Einige Frauen richten ihre | |
| Marktstände her, ein Mann verkauft das Maisgetränk Atole, ein mit bunten | |
| Kugeln geschmückter Baum soll für Weihnachtsstimmung sorgen. Noch hat die | |
| Sonne nicht die angenehme Kühle des Morgens vertrieben. | |
| „Gleich hier um die Ecke wurde am Samstag eine Frau ermordet“, sagt María | |
| Avilés. Darüber musste sie für El Sur, die größte Tageszeitung Guerreros, | |
| berichten. Die Reporterin, 33 Jahre alt, lange dunkle Haare, getönte | |
| Brille, blaue Reporterweste, hat gerade ihren Sohn zur Schule gebracht. Nun | |
| nutzt sie die wenigen freien Minuten für eine Pause im Café. Gleich steht | |
| der erste Termin an. Der Tag dürfte ruhig verlaufen: keine Blockade, keine | |
| Demo, kein Streik. Nur ein Jahrestag an der Autonomen Universität von | |
| Guerrero. | |
| Avilés Schwerpunkt ist Bildung. Doch auch sie muss sich um die nota roja | |
| kümmern, also um verstümmelte Leichen, an Brücken aufgehängte Männer und | |
| wilden Schusswechsel mit entsprechendem „Kollateralschaden“. Eben um die | |
| Angriffe der „Gruppen“, wie alle hier die kriminellen Organisationen | |
| bezeichnen. | |
| Niemand nennt gern deren Namen. Denn wer im falschen Moment das Falsche | |
| schreibt, kann schnell selbst zum Opfer der Guerreros Unidos, Rojos, | |
| Tlacos, Ardillos, Familia Michoacana oder anderer bewaffneter Banden | |
| werden. Erst im August wurde hier der [1][Kollege Fredid Román ermordet] – | |
| einer von fast 160, die seit 2000 in Mexiko eines gewaltsamen Todes | |
| gestorben sind. | |
| María Avilés verfolgt konzentriert die Infos auf ihrem Smartphone. Vom | |
| Krach auf der Straße lässt sie sich nicht ablenken. In der Enge des | |
| Kleinbusses, auf dem Weg zur Unifeier, schreibt sie auf ihrem Handy schnell | |
| eine Meldung. „Sind ja nur drei Absätze für online.“ | |
| Doch der vergangene Samstag steckt ihr noch in den Gliedern. „Wenn du die | |
| nota roja übernehmen musst, bist du immer angespannt. Du musst ständig | |
| schauen, wer dich sieht und ob etwas Auffälliges passiert“, sagt sie. Die | |
| Angst wird zum ständigen Begleiter. „Man fühlt sich immer verfolgt und | |
| verletzlich.“ | |
| Außerhalb von Chilpancingo ist die Lage besonders schwierig. Nirgends in | |
| Mexiko wird so viel Schlafmohn für die Opiumproduktion angebaut wie in den | |
| einsamen, ausladenden Bergen von Guerrero. In dieser von Armut geprägten | |
| Region liegt beispielsweise Iguala, jene Stadt, wo die Guerreros Unidos, | |
| Polizisten und Soldaten im September 2014 die [2][43 Studenten des | |
| Ayotzinapa-Internats verschleppten]. | |
| ## „Selbstverteidigungsgruppen“ im Sold der Mafia | |
| In vielen Gemeinden hinterlässt der Krieg seine Spuren: Einschusslöcher am | |
| Rathaus von San Miguel Totolapan erinnern an einen Schusswechsel im | |
| Oktober, bei dem 20 Menschen sterben, in zahlreichen Dörfern patrouillieren | |
| bewaffnete Zivilisten. | |
| Seit Jahren kontrollieren kriminelle Kartelle große Landstriche Guerreros, | |
| bekämpft oder unterstützt von „Selbstverteidigungsgruppen“, die behaupten, | |
| die Bevölkerung zu schützen, aber nicht selten selbst im Sold der Mafia | |
| stehen. 1.357 Menschen sind im vergangenen Jahr dort ermordet worden, | |
| durchschnittlich fast 4 am Tag. | |
| Längst geht es um mehr als Drogen. Wer eine Region dominiert, verdient an | |
| der Schutzgelderpressung, am Menschenhandel oder an der Kontrolle | |
| heimischer Märkte. Manche Banden erheben Zölle auf alles, was die | |
| Bewohnerinnen und Bewohner alltäglich brauchen: Reis, Bohnen, Getränke, | |
| Geschirr, Benzin. Die Preise steigen ins Unermessliche. | |
| Jüngst besetzten deshalb 900 Bewaffnete einer Selbstverteidigungsgruppe die | |
| Kleinstadt Apaxtla. Nicht ohne Stolz erwähnt ihr Anführer, dass seine | |
| Männer über Kalaschnikows und andere Gewehre verfügen. Wer dorthin reist, | |
| muss zahlreiche Kontrollstellen bewaffneter Gruppen passieren, die von | |
| Nationalgardisten oder Polizisten geschützt werden. | |
| „Schon wenn du in einen Landkreis reinfährst, notieren sie, wer du bist, | |
| wohin du gehst, was du machst“, erklärt María Avilés. „Das organisierte | |
| Verbrechen sammelt diese Informationen.“ Die Reporterin spricht von „Zonen | |
| des Schweigens“. Sie muss publizieren, was die Kriminellen vorgeben. „Du | |
| kannst nur über den Vorfall, beispielsweise einen Mord, schreiben, aber du | |
| darfst keine Namen und keine Hintergründe nennen.“ | |
| Als sie einmal mit Kollegen über Covid-Impfungen in einer Gemeinde | |
| berichten will, verbietet ihnen ein Helfer zu fotografieren. Er droht | |
| damit, der „Gruppe“ Bescheid zu geben, denn die Impfung ist von der Mafia | |
| organisiert. Die Reporter suchen das Weite. „Du lernst zu spüren, wann du | |
| wegmusst“, sagt Avilés. Knapp kann es trotzdem werden: Als sie einmal von | |
| Kriminellen mit Waffen bedroht werden und schnell den Rückweg antreten, | |
| wird eine halbe Stunde später auf der Straße ein ermordetes Paar gefunden. | |
| Jede Fahrt von Iguala nach Apaxtla, von San Miguel Totolapan nach Coyuca de | |
| Catalán kann tödlich enden. Sei es, weil die Reporter in ein Feuergefecht | |
| geraten, überfallen und ausgeraubt werden oder das Falsche schreiben. Bei | |
| Recherchen herrschen klare Regeln. Wer eine Stadt verlässt, schickt eine | |
| Nachricht in die WhatsApp-Gruppe, bei der Ankunft in der nächsten Gemeinde | |
| folgt wieder eine. Gibt es keine Rückmeldung, kümmern sich die Kollegen. | |
| „Obwohl wir für verschiedene Medien arbeiten, sind wir untereinander sehr | |
| solidarisch“, betont Avilés. | |
| Die Unifeier verläuft unspektakulär: ein Interview mit dem Rektor, ein | |
| kurzer Blick auf die neu eröffnete Ausstellung im Foyer. Hier kennt sie | |
| sich ohnehin bestens aus. Als sie mit 18 Jahren aus Acapulco hierherkam, | |
| studierte sie an dieser Universität Kommunikationswissenschaften. Ihr Vater | |
| wollte nicht, dass sie weggeht. „Machismo“, sagt sie kurz. | |
| Seit acht Jahren arbeitet die Journalistin nun schon für El Sur. Sechs Tage | |
| die Woche für 10.800 Pesos im Monat, umgerechnet 540 Euro. „Das ist mehr | |
| als das Doppelte von dem, was viele Kollegen verdienen, aber es reicht | |
| hinten und vorne nicht“, sagt Avilés. Sie wohnt deshalb bei der | |
| Schwiegermutter. | |
| Ihr Rückweg führt sie nicht etwa in die Redaktionsräume, denn die gibt es | |
| nicht mehr. Seit der Pandemie wird El Sur nur noch zu Hause oder in den | |
| Privatbüros einzelner Redakteure hergestellt. Avilés fährt deshalb zum Sitz | |
| der Journalistengewerkschaft. Dort stehen den Reporterinnen und Reportern | |
| ein paar Computer zur Verfügung. Sofas, Tische und ein Bücherregal machen | |
| den Raum zu einem angenehmen Treffpunkt, um in der Mittagshitze auf den | |
| nächsten Einsatz zu warten. | |
| Mehr als 9.000 Kilometer entfernt eröffnet der mexikanische Fotojournalist | |
| Félix Márquez eine Ausstellung. In der Amsterdamer Bario-Bar, nahe dem | |
| Zentrum der niederländischen Hauptstadt, zeigt er Fotos | |
| [3][mittelamerikanischer Migrantinnen und Migranten, die durch Mexiko | |
| Richtung USA ziehen], und Bilder aus Ter Aple, einem holländischen | |
| Flüchtlingslager, in dem Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten tagelang | |
| ohne Dach über dem Kopf ihr Dasein fristen. | |
| Márquez, 34 Jahre, schwarzes Outfit, weiße Turnschuhe, ist selbst auf der | |
| Flucht. Zumindest vorübergehend. Mithilfe eines Programms der Organisation | |
| Justice and Peace hält er sich einige Monate in den Niederlanden auf. Er | |
| lächelt und steht doch mit gespaltenen Gefühlen im ockerfarbigen Licht des | |
| kleinen Salons der Bar. Er kann nicht verdrängen, was ihn hierhergebracht | |
| hat: die Drohungen, die Einschüchterung durch die Polizei, die Beerdigungen | |
| einiger Kollegen, die Depressionen, der Psychostress. Vieles verbindet ihn | |
| mit den Menschen, die er für die Ausstellung fotografiert hat: „Ich fühle | |
| mich oft in derselben Hölle, in diesen Räumen, wo du nicht weißt, was die | |
| Zukunft bringt, gefangen in Hoffnungslosigkeit und Angst, und trotzdem | |
| zugleich mit großem Mut.“ | |
| Márquez kommt aus Veracruz, dem gefährlichsten Bundesstaat für Mexikos | |
| Medienschaffende. 37 Journalistinnen und Journalisten sind dort seit 2000 | |
| gewaltsam ums Leben gekommen, die meisten in der Regierungszeit des | |
| Gouverneurs Javier Duarte von 2010 bis 2016. Unter ihnen auch [4][der | |
| Fotograf Rubén Espinosa], ein guter Freund von Márquez. Gemeinsam waren sie | |
| auf den Straßen unterwegs, zusammen kämpften sie dafür, dass der Mord an | |
| ihrer Kollegin Regina Martínez aufgeklärt wird. | |
| Doch dann musste Espinosa selbst flüchten, weil ihn die Regierung Duarte | |
| verfolgte. Im Jahr 2015 wurde er [5][zusammen mit vier Frauen in | |
| Mexiko-Stadt ermordet]. Sicherheitshalber verließ Márquez daraufhin das | |
| Land und ging eine Zeit lang nach Chile. Schon zwei Jahre zuvor war er | |
| vorübergehend gegangen, weil ihn Duartes Sicherheitschef Arturo Bermúdez | |
| bedrohte, nachdem er Fotos von regierungsnahen paramilitärischen Gruppen | |
| veröffentlicht hatte. | |
| Und nun seit einer Weile also in Europa, da das letzte Jahr wieder mit | |
| gefährlichen Vorfällen begonnen hatte. Als Márquez Anfang 2022 einen | |
| Lastzug fotografieren will, in dem sich 300 Migrantinnen und Migranten | |
| befinden und der in der Nähe eines Polizeireviers gefunden wird, bedrängen | |
| Beamte ihn und seine Kollegen. „30 Polizisten haben uns umstellt.“ Die | |
| Uniformierten nehmen ihre Personalien auf. Später werden die Journalisten | |
| in ihrem Privatleben verfolgt, ihre Häuser überwacht und sie selbst ohne | |
| Grund kontrolliert. Dann kommen die Morddrohungen. | |
| „Gleichzeitig ist ständig ein Fahrzeug am Haus meiner Familie | |
| vorbeigefahren“, berichtet Márquez. Es sind oft dezente Hinweise, mit denen | |
| die Verfolger deutlich machen, dass sie missliebige Reporter im Blick | |
| haben: Auffällig unauffällige Autos, die regelmäßig im privaten Umfeld | |
| auftauchen, oder verschwundene Haushaltsgegenstände, während Journalisten | |
| nicht zu Hause sind. Die Botschaft: Wir können jederzeit in dein Haus | |
| eindringen. | |
| Márquez bringt diese täglichen Bedrohungen, die schwierige Arbeit auf | |
| lokaler Ebene und die prekären Arbeitsbedingungen mit einem weiteren | |
| Projekt zum Ausdruck. In der Ausstellung „Vestigios“ – übersetzt: Relikt… | |
| im Rathaus von Den Haag und im Berliner Salon am Moritzplatz zeigt er im | |
| November billige Kameras, Presseausweise, Notizbücher und andere | |
| Arbeitsgegenstände von sieben Kolleginnen und Kollegen, die im vergangenen | |
| Jahrzehnt in Veracruz ermordet wurden. Eingerahmt von Fotos von | |
| Beerdigungen, Demonstrationen und anderen Motiven sollen sie ein Zeichen | |
| gegen das Vergessen, für die Erinnerung und den Kampf gegen die | |
| Straflosigkeit setzen. | |
| Obwohl er für internationale Medien arbeitet, muss Marquéz zu Hause ständig | |
| ums Überleben kämpfen. In Amsterdam nutzt er die Ruhe, um Abstand zu | |
| bekommen. „Vor allem aber möchte ich mental gesunden“, sagt er. Zu Beginn | |
| des Programms wird er medizinisch untersucht, und das Ergebnis lässt keine | |
| Zweifel: Störungen aufgrund posttraumatischen Stresses in fortgeschrittenem | |
| Stadium. | |
| Nun ist er in psychotherapeutischer Behandlung gegen Traumafolgestörungen | |
| und in einer weiteren Therapie zur Überwindung seiner Ängste. „Ich habe | |
| viele Methoden kennengelernt, um mich emotional und körperlich zu schützen | |
| und um persönlich zu reflektieren“, erklärt er. | |
| Auch im Gewerkschaftshaus in Chilpancingo ist die tägliche Belastung immer | |
| wieder ein Thema. Bevor María Avilés ihren Text schreibt, trifft die | |
| Reporterin ihre Kollegen im Kiosk nebenan. Dort gibt es das Notwendigste: | |
| Kaffee, kaltes Wasser und Bier, Kekse, Mittagessen. Hier sitzen auch Eric | |
| Chavela, Bernardo Torres und weitere Kollegen. | |
| Avilés erzählt von den anstrengenden Schaulustigen vom Samstag: Von der | |
| Frau, die die Journalisten bittet, zur Seite zu gehen, damit ihr Kind die | |
| Leiche sehen kann. Und von den Angehörigen, die zusammenbrechen, wenn sie | |
| ihren toten Sohn sehen. „Als Mutter hältst du das kaum aus“, sagt sie. | |
| Alle hier haben diese Sorgen. „Seit 2005 die ersten Köpfe in Acapulco | |
| gefunden wurden, ist es immer schwieriger geworden“, sagt Chavela, der sich | |
| in der Enge des Kiosks mit einer Mundmaske schützt. „Die Hingerichteten und | |
| Zerstückelten, das ist alles sehr stressig.“ Dann erzählt er von Leichen, | |
| die die „Gruppen“ hinterlassen, von den „Zonen des Schweigens und der | |
| Selbstzensur, vom Verschwinden von Kollegen. Wer das ständig ertragen muss, | |
| brauche psychologische Unterstützung. | |
| Aber niemand bezahle das. Weder die Redaktion noch ein Verband. Wer mit | |
| 4.000 Pesos (200 Euro) im Monat auskommen muss, könne das nicht | |
| finanzieren. Allein die Medikamente kosteten monatlich Tausende von Pesos, | |
| sagt Chavela. Der Mittfünfziger ist aufgewühlt, das Thema lässt ihn nicht | |
| in Ruhe. Wie sein Kollege Márquez spricht er von posttraumatischem Stress, | |
| von Schlafproblemen. „Das geht auch auf die Gesundheit.“ | |
| Als er einmal über das staatliche Krankensystem Hilfe sucht, rät man ihm, | |
| sich scheiden zu lassen. Er habe wohl Eheprobleme, heißt es. Trotzdem | |
| findet er Wege, sich von einem Psychologen beraten zu lassen. „Aber von | |
| rund hundert Reporterinnen und Reportern in Chilpancingo machen das | |
| höchstens zehn“, betont Chavela, der früher das Gewerkschaftsbüro leitete. | |
| „Nach außen tun viele so, als würden sie das irgendwie ertragen, aber | |
| niemand weiß, was passiert, wenn die Haustür erst einmal geschlossen ist. | |
| Das alles macht dich seelisch fertig.“ | |
| Die Angst, die Schmerzen, die Selbstzensur – Clemencia Correa beschäftigt | |
| sich täglich mit diesen Problemen. Vier Autostunden von Chilpancingo | |
| entfernt, in Mexiko-Stadt, bietet die Psychologin mit ihrer Organisation | |
| Aluna psychosoziale Begleitung für Menschenrechtsverteidiger und | |
| Journalisten an. Ihr 19-köpfiges Team richtet Workshops aus, um den | |
| Betroffenen zu helfen, mit diesen Herausforderungen umzugehen. | |
| „Um mit der Gewalt umzugehen, müssen wir verstehen, welche | |
| Machtverhältnisse und Ziele ihr zugrunde liegen“, betont sie. Ausgehend | |
| davon, also von der Rolle der organisierten Kriminalität oder staatlicher | |
| Akteure, gelte es, die Folgen anzugehen: die Zerstörung familiärer | |
| Zusammenhänge, die Angriffe auf soziale Organisationen und natürlich die | |
| persönlichen Ängste, Schuldgefühle und Schmerzen. | |
| Unter diesem Aspekt betrachtet sie auch die Bedeutung der Zonen des | |
| Schweigens: „Die Angst wird zum Mechanismus sozialer Kontrolle.“ All das | |
| habe gravierende persönliche Konsequenzen, erklärt Correa. „Wenn jemand | |
| selbstverständliche Lebensgrundlagen verliert, bei Journalisten ist das | |
| beispielsweise die Pressefreiheit, hat das schwerwiegende emotionale und | |
| auch intellektuelle Folgen.“ | |
| Félix Márquez weiß das genau. Auch deshalb macht ihm die Rückkehr Angst. In | |
| Amsterdam streift er unbeschwert durch die Viertel, umarmt Menschen und | |
| genießt es, heiße Schokolade mit Rum zu trinken und leckere Pancakes mit | |
| roten Früchten zu essen. „Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wie es | |
| weitergehen soll, nachdem ich diese Lebensqualität hier erlebt habe – eine | |
| Qualität, die alle Mexikaner verdient hätten“, sagt er. „Zu Hause werde i… | |
| unter denselben Bedingungen leben, aus denen ich gegangen bin. Das ist sehr | |
| schwierig und schmerzhaft zugleich.“ | |
| „Manchmal musst du einfach weinen. Nicht vor Ort, aber wenn du vor dem | |
| Bildschirm sitzt“, erzählt María Avilés. In diesen Momenten stellt sie sich | |
| die grundlegende Frage: „Willst du wirklich weitermachen? Lohnt sich das?“ | |
| Aber sie hängt zu sehr an ihrer Arbeit, um aufzuhören. „Es ist sehr schön, | |
| Leuten zuzuhören und aufzuschreiben, was passiert. Auch wenn es nicht mehr | |
| so ist wie früher, als man die ganze Wahrheit veröffentlichen konnte“, sagt | |
| die Reporterin. Dann muss sie los, um ihr Kind von der Schule abzuholen. | |
| Später schreibt sie zu Hause weiter. Ihr Arbeitstag dauert noch lange. Bis | |
| die Printausgabe gegen Mitternacht in Druck geht. | |
| 11 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Journalistenmorde-in-Mexiko/!5899581 | |
| [2] /Verschwundene-Studenten-von-Iguala/!5030372 | |
| [3] /Gefluechtete-aus-Haiti/!5804527 | |
| [4] /Journalist-in-Mexiko-ermordet/!5217258 | |
| [5] /Kommentar-Journalistenmord-in-Mexiko/!5217288 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
| Vania Pigeonutt | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| Mexiko | |
| Repression | |
| Organisierte Kriminalität | |
| Journalismus | |
| GNS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Recherchefonds Ausland | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| Schwerpunkt Korruption | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| Kolumne Latin Affairs | |
| Kolumne Latin Affairs | |
| Countdown Lützerath | |
| Mexiko | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Arbeitsbedingungen im Journalismus: Prekäre Presse in Mexiko | |
| Beim mexikanischen „Business Insider“ von Axel Springer wehren sich | |
| Journalist:innen gegen Mobbing und miese Bezahlung. Nicht der einzige | |
| Fall. | |
| Organisierte Kriminalität in Mexiko: Blutige Demonstrationen von Macht | |
| In Mexiko stellen Erpressungen und Morde die Regierung auf die Probe. Ein | |
| Jahr vor den nächsten Wahlen tobt ein Machtkampf. | |
| Gefahr für Presse in Mexiko: Todesrisiko Journalismus | |
| Journalisten in Mexiko leben gefährlich, wenn sie über Korruption und | |
| Kriminalität berichten. Bedrohungen und Morde bleiben ungesühnt. | |
| Neues Megagefängnis in El Salvador: Bilder absoluter Erniedrigung | |
| El Salvadors Präsident Nayib Bukele lässt Bilder von Bandenhäftlingen | |
| verbreiten, die schockieren. Er verfolgt ein bestimmtes Ziel damit. | |
| Reporter in Mexikos Drogenkrieg: Win-win-Situation mit Opfern | |
| Der Kampf gegen die „Narcos“ wird in Mexiko zu einem medialen Spektakel. | |
| Diejenigen, die kritisch berichten, werden weiterhin verschleppt und | |
| bedroht. | |
| Tagebuch aus Lützerath (9): Pressefreiheit nur von 8 bis 17 Uhr | |
| Journalistische Arbeit ist laut RWE im Ort Lützerath nur „zeitlich und | |
| räumlich begrenzt“ gestattet. Wie sollen Journalist*innen so berichten? | |
| Oberstes Gericht in Mexiko: Die Vorreiterin | |
| Erstmals wird eine Frau Vorsitzende des Obersten Gerichts in Mexiko. Norma | |
| Lucía Piña gilt als Gegenspielerin von Präsident López Obrador. | |
| Reporter ohne Grenzen: 533 Journalist*innen in Haft | |
| Noch nie saßen so viele Medienschaffende weltweit in Haft. 57 Personen | |
| wurden wegen oder während ihrer Arbeit getötet. |