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# taz.de -- Gefahr für Presse in Mexiko: Todesrisiko Journalismus
> Journalisten in Mexiko leben gefährlich, wenn sie über Korruption und
> Kriminalität berichten. Bedrohungen und Morde bleiben ungesühnt.
Bild: Journalisten protestieren in Mexico City gegen die zahlreichen Morde an i…
Berlin taz | Es war Mitte April, als in die Wohnung von Yener de los Santos
Matías eingebrochen wurde. Der Reporter einer Nachrichtenagentur im
südmexikanischen Bundesstaat Guerrero zeigte bei der Polizei den Raub von
drei Fotoapparaten, einer Videokamera und eines Computers an. Es war nur
seine Arbeitsausrüstung, die die Diebe mitnahmen. Für ihn und seine
Kolleg*innen war damit klar, dass es sich um eine Warnung handelte, eine
Drohung, die auf seine journalistische Tätigkeit abzielte.
Ein Jahr vor dem Ende der Amtszeit des Präsidenten [1][Andrés Manuel López
Obrador] sind die Angriffe auf Medienschaffende um 85 Prozent gegenüber der
Amtszeit seines Vorgängers, Enrique Peña, gestiegen. Es ist abzusehen, dass
es die Amtszeit mit mehr [2][Journalistenmorden] sein wird denn je: Schon
jetzt sind es 37 seit dem Amtsantritt des Präsidenten im Jahr 2018,
verglichen mit 47 in der gesamten Amtszeit von Felipe Calderón.
Vor allem Lokaljournalismus ist schwierig geworden. Es gibt sogenannte
Schweigezonen, wo aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht mehr über
kriminelle Aktivitäten und die Verbindungen zur politischen Klasse
berichtet wird.
Die Journalisten sind nicht nur dem Risiko physischer Angriffe ausgesetzt,
etwa in einem Gebiet, in dem verschiedene kriminelle Organisationen um die
Vorherrschaft streiten. Die Korruption beherrscht die Politik, und fast 100
Prozent der Verbrechen bleiben unaufgeklärt, einschließlich jener, die sich
gegen die Pressefreiheit richten.
## Journalist sein: Hohes Risiko für 400 Euro im Monat
In den vergangenen fünf Monaten sind allein in Chilpancingo, der Hauptstadt
des Bundesstaates Guerrero, drei Reportern bei dem Einbruch in ihre Wohnung
ihre Arbeitsutensilien gestohlen worden – und auch nur diese, obwohl es
andere Wertsachen gegeben hätte. Wenige Tage vor dem Einbruch hatte de los
Santos über den Wahlprozess an der Autonomen Universität von Guerrero
berichtet, die sich mehreren Vorwürfen der Korruption und sexueller
Übergriffe durch Lehrkräfte ausgesetzt sieht.
Monate zuvor, am 22. August 2022, wurde der Journalist Fredid Román, Leiter
des unabhängigen Mediums La Realidad, in der Nähe seiner Wohnung
erschossen. Er berichtete vor allem über lokale Politik. Tage vor dem Mord
an ihm war sein Sohn in El Ocotito ermordet worden, in einer ländlichen
Zone von Chilpancingo. Die Morde bleiben unaufgeklärt.
In Mexiko Journalist zu sein ist mit hohen Risiken verbunden. Im
Jahresbericht von Reporter ohne Grenzen belegt Mexiko zum vierten Mal in
Folge den ersten Platz bei der Todesrate von Medienschaffenden. Allein
2022, dem tödlichsten Jahr seit 2000, wurden 17 Morde an Journalisten
registriert.
Im Durchschnitt verdient ein Journalist umgerechnet 400 Euro im Monat. Es
gibt kein Medienhaus, das sich an Kranken-, Reise- oder Lebensversicherung
beteiligen oder auch nur einen festen Arbeitsvertrag unterschreiben würde.
Die Verbrechen gegen die Pressefreiheit stehen im direkten Verhältnis zu
den prekären Arbeitsverhältnissen.
## Wie ein Medium zum Schweigen gebracht wird
Bei seiner allmorgendlichen Pressekonferenz hat Präsident López Obrador, so
berichten es verschiedene Presserechtsorganisationen, nicht nur Kollegen
kriminalisiert, die versuchen, aus den Regionen zu berichten, er hat auch
die politischen Kosten der Angriffe auf die Presse gesenkt. Wer in Mexiko
einen Journalisten umbringt, braucht Ermittlungen nicht zu fürchten.
Für Paula Saucedo von dem Programm für den Schutz und die Verteidigung des
Artikels 19 – der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die
Meinungs- und Pressefreiheit garantiert – untersuchen die mexikanischen
Behörden diese Verbrechen einfach nicht umfassend. Sie schauen nicht auf
den Zusammenhang zwischen den kriminellen Organisationen und der
journalistischen Tätigkeit, und das macht Journalisten noch verwundbarer.
Als Beispiel führt sie Tamaulipas an, einen Bundesstaat im Norden, der an
die USA angrenzt, wo in den vergangenen zwölf Jahren nicht einmal
Menschenrechtsorganisationen über Verbrechen berichten können – geschweige
denn über jene gegen die Pressefreiheit.
Sie erwähnt auch den Fall des Nachrichtenportals Monitor Michoacán. Im Jahr
2022 wurden zwei Journalisten des Mediums ermordet: Roberto Toledo am 31.
Januar und Armando Linares am 15. März in Zitácuaro, einem Bundesstaat im
Westen Mexikos, der an Guerrero angrenzt und die größte Konzentration
bewaffneter Zivilisten aufweist. Beide Morde sind ungesühnt. „Sie bringen
zwei Journalisten dieses Mediums um, und das Medium macht zu. Es ist zum
Schweigen gebracht worden, und die Bedrohungen, die den Morden
vorausgingen, werden überhaupt nicht registriert“, sagt Saucedo.
Dabei hatte der Vizechef von Monitor, Joel Vera, noch zwei Monate vor der
Ermordung Roberto Toldeos gegenüber der Sonderstaatsanwaltschaft für
Verbrechen gegen die Pressefreiheit die Todesdrohungen angezeigt, die er
wie auch der Chefredakteur Armando Linares vonseiten des ehemaligen
Gouverneurs, Silvano Aureoles, erhalten hatten. Niemand half ihnen.
Vania Pigeonutt, Jahrgang 1988, ist mexikanische Journalistin. Nach
zahlreichen Bedrohungen lebt sie seit Mai 2022 mit einem Stipendium der taz
Panter Stiftung und von Reporter ohne Grenzen in Berlin.
Aus dem Spanischen von Bernd Pickert
Dieser Artikel ist am 3. Mai 2023 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage
der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der
Pressefreiheit erschienen.
3 May 2023
## LINKS
[1] /Kriminalitaet-der-Drogenkartelle/!5873578
[2] /Journalismus-in-Mexiko/!5905021
## AUTOREN
Vania Pigeonutt
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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