# taz.de -- Arbeitsbedingungen im Journalismus: Prekäre Presse in Mexiko | |
> Beim mexikanischen „Business Insider“ von Axel Springer wehren sich | |
> Journalist:innen gegen Mobbing und miese Bezahlung. Nicht der einzige | |
> Fall. | |
Bild: Protest gegen die vielen Morde an Journalist:innen nach dem Tod von Luis … | |
Alexander Muñoz* ist zufrieden. „Unsere Kampagne zu den | |
Arbeitsrechtsverletzungen bei Business Insider México ist bisher unsere | |
erfolgreichste. Nun wird verhandelt“, so der 28-jährige mexikanische | |
Journalist. Muñoz ist einer von gut dreißig Aktivist:innen der ATQH, | |
der Asamblea Tenemos que hablar, was so viel heißt wie „Versammlung: Wir | |
müssen reden“. Die kleine Organisation engagiert sich für die Arbeitsrechte | |
in Mexikos Mediensektor. [1][Um die steht es schlecht]. | |
Und die mexikanische Ausgabe von Business Insider, Produkt der Axel | |
Springer Gruppe, ist dafür ein Paradebeispiel. „Wir wissen von zwei | |
Mitarbeiter:innen, die aufgrund permanenten Mobbings seitens der | |
Chefetage einen Selbstmordversuch unternommen haben. Mehrere andere haben | |
die Redaktion aufgrund mieser Bezahlung und des negativen Klimas verlassen. | |
Zwei Kolleginnen, die hier bei der ATQH aktiv sind, warten immer noch auf | |
die ihnen zustehende Abfindung“, so Muñoz. | |
Das sind die zentralen Gründe, weshalb die Aktvist:innen von ATQH bei | |
der deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt um einen Gesprächstermin baten und | |
ihn auch bekamen. „Wir glauben, dass der Arbeitskonflikt dadurch auch auf | |
der anderen Seite des Atlantiks bekannt wurde, und hoffen, dass die | |
Verhandlungen mit CAABSA nun endlich vorankommen“, erklärt Alexander Muñoz. | |
Grupo CAABSA heißt der hundertprozentige mexikanische Mischkonzern, der | |
sich aus 30 Unternehmen aus der Bau-, der Immobilien-, der Konzessions- | |
sowie der Dienstleistungsbranche zusammensetzt. Dazu gehört seit Februar | |
2020 auch Business Insider México. | |
Business Insider wird von [2][der Axel Springer Gruppe] als | |
„Nachrichtenportal für die Kommende Generation der globalen Entscheider“ | |
beworben, ist in 17 Ländern präsent und wird zum Teil in Lizenz produziert. | |
Letzteres scheint auch in Mexiko der Fall zu sein. Darauf deutet die | |
Antwort von Julia Sommerfeld, stellvertretende Unternehmenssprecherin bei | |
Axel Springer, auf eine taz-Anfrage hin: „Axel Springer bekennt sich zu | |
verantwortungsvoller Unternehmensführung. Das Gleiche erwarten wir von | |
unseren Lizenznehmern“, heißt es da. Allerdings räumt Sommerfeld in ihrem | |
Antwortschreiben auch ein, dass es sowohl Kontakt zur deutschen Botschaft | |
in Mexiko-Stadt als auch zu Business Insider México gegeben habe. Das | |
Unternehmen Axel Springer werde immer aktiv, wenn begründete Beschwerden | |
vorliegen. | |
## Nur Mindestlohn | |
Bei Business Insider Méxcio ist das der Fall. Mehrere Journalist:innen | |
haben Abfindungsklagen eingereicht, darunter zwei, die bei der ATQH aktiv | |
sind und aufgrund des laufenden Prozesses um Anonymität bitten. Fakt sei, | |
dass bei Business Insider nur mexikanischer Mindestlohn gezahlt werde. Der | |
beläuft sich auf 464,51 mexikanische Peso pro Tag, umgerechnet knapp 25 | |
Euro. Das hat Auswirkungen, so die beiden Frauen. Krankenkassen würden | |
komplizierte Operationen aufschieben, wenn die bei ihnen Versicherten nur | |
Mindestlohn beziehen. | |
Hinzu komme, dass CAABSA die Abfindung, die den beiden im November 2022 | |
entlassenen Frauen zusteht, noch immer nicht komplett ausbezahlt habe. | |
Mobbing innerhalb des Betriebes durch die drei Chefredakteur:innen | |
hätte zudem bei mehreren Redakteur:innen zu psychologischen Problemen | |
geführt. Deshalb befindet sich eine der bei ATQH aktiven | |
Journalist:innen nach wie vor in psychologischer Behandlung. | |
## Kein Einzelfall | |
Die angeprangerten Missstände bei Business Insider México sind allerdings | |
kein Einzelfall in Mexikos Mediensektor. „Genau deshalb haben wir uns mit | |
dem Ziel gegründet, eine unabhängige Branchengewerkschaft zu gründen“, so | |
Alexander Muñoz. Die fehle in Mexiko, wo die Berichterstatter:innen | |
nicht nur [3][mit der zunehmenden Gewalt konfrontiert seien], sondern auch | |
mit der Prekarisierung ihrer Arbeitsbedingungen. Vier Journalisten wurden | |
in diesem Jahr laut Articulo 19, einer Organisation zur Verteidigung der | |
Pressefreiheit, ermordet, darunter der Korrespondent der einflussreichen | |
Tageszeitung La Jornada am 7. Juli. Der Leichnam von Luis Martín Sánchez | |
wurde in der Stadt Tepic, zwei Fahrtstunden nördlich der Metropole | |
Guadalajara, gefunden. | |
„Er gehörte zu den Korrespondenten, die nach Veröffentlichung bezahlt | |
wurden – pro Artikel, ohne Grundlohn. Er arbeitete wie viele andere auch | |
unter prekären Bedingungen. 400 mexikanische Peso, rund 20 US-Dollar, zahlt | |
La Jornada derzeit für einen Beitrag“, erklärt Muñoz, der wie so viele | |
andere auch frei arbeitet und zudem einen Job an der Universität hat – | |
Alltag in Mexiko, wo Journalist:innen immer öfter Nebenjobs annehmen. | |
Das ökonomische Risiko werde auf den oder die Korrespondent:in | |
abgewälzt, kritisiert ATQH, die Gewerkschaft im Aufbau. Deren Gründung ist | |
noch nicht in Sicht, aber Aktionen wie jene zu Business Insider México | |
machen sie in Mexiko bekannter und sorgen für Zulauf. Unstrittig ist, dass | |
faire Arbeitsbedingungen in Mexikos Mediensektor die Ausnahme sind. Das | |
soll sich mit ATQH ändern. | |
* Name zum Schutz geändert | |
20 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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