# taz.de -- Pressefreiheit in Mexiko: Hoffen auf die neue Präsidentin | |
> Mexiko ist das gefährlichste Land für Journalist:innen außerhalb von | |
> Kriegsregionen. Die neue Präsidentin Claudia Sheinbaum will das ändern. | |
Bild: Die Journalistin Marcela Turati gedenkt vor dem mexikanischen Innenminist… | |
Als Mexikos noch amtierender Präsident Andrés Manuel López Obrador am 1. | |
Dezember 2018 sein Amt antrat, formulierte er ein vollmundiges Versprechen. | |
„Es wird [1][keine weiteren Journalistenmorde] geben“, kündigte er damals | |
an. Der Satz gehört zu den meist zitierten des mexikanischen Präsidenten, | |
denn zwischen dem 1. Dezember 2018 und dem 1. Juni 2024 [2][starben 38 | |
Journalist:innen durch Attentate], weitere 5 sind bis heute spurlos | |
verschwunden und etliche weitere ins Ausland geflohen. Dafür ist nicht nur | |
die organisierte Kriminalität mit den omnipräsenten Drogenkartellen | |
verantwortlich, sondern auch ein Präsident, der auf kritische | |
Medienberichterstattung allergisch reagiert. | |
„Die Medien haben jedoch die Verpflichtung zu informieren, nicht zu | |
applaudieren, wie es AMLO gern hätte“, kritisiert etwa Marta Durán. Die | |
mexikanische Journalistin, die vor allem für einen staatlichen | |
französischen Radiosender arbeitet, hat dank der Tatsache, dass ihre | |
kritischen Beiträge nicht in Mexiko, sondern in Frankreich erscheinen, | |
keine Anrufe aus dem Regierungsapparat erhalten wie viele andere | |
Kolleg:innen. Druck auf unliebsame Journalist:innen auszuüben, sie | |
öffentlich anzugreifen, bloßzustellen, das gehörte zu den morgendlichen | |
Presserunden, manañeras, von Andrés Manuel López Obrador dazu. | |
Vielen Kolleg:innen sind eingeschüchtert. Die bekannte mexikanische | |
Investigativjournalistin Marcela Turati, die öfter an manañeras | |
teilgenommen und unbequeme Fragen gestellt hatte, bekam danach Probleme. | |
„Auf die Fragen hat AMLO auf seine gewohnt polarisierende Art geantwortet“, | |
berichtet Turati. Eine Welle von beleidigenden, teilweise bedrohlichen | |
Botschaften erhielt sie wenig später auf ihren Social-Media-Accounts – | |
jedesmal. Für sie ist der noch bis Oktober regierende Präsident für die | |
Spaltung der Presse in ein „mit uns“ und ein „gegen uns“ verantwortlich. | |
## Schere im Kopf | |
Für den oficialismo, die Berichterstattung aus Perspektive von Präsident | |
und Regierung, steht neben der einflussreichen Tageszeitung La Jornada so | |
mancher Fernseh- und Radiokanal. Allerdings nicht mehr die einst so | |
wichtige staatliche Nachrichtenagentur Notimex. Auch die wurde in der | |
Amtsperiode von López Obrador nach einem Arbeitskonflikt aufgelöst. | |
„Ermordet vom einem linken Präsidenten“, so der Vorwurf von Marta Durán. | |
Unter López Obrador sei die Schere im Kopf größer geworden, kritisiert sie | |
unisono mit Marcela Turati. „In Mexiko braucht es viel Mut, um über | |
Korruption in Regierungskreisen oder bei den unter AMLO immer wichtiger | |
gewordenen Militärs zu recherchieren“, meint Turati. Diese Entwicklung sei | |
für sie genauso alarmierend wie die hohe Zahl an ermordeten | |
Journalist:innen, die für Täter in den meisten Fällen straffrei bleiben. | |
„In Mexiko ist es gefährlicher ein Verbrechen zu untersuchen als es zu | |
begehen“, zitiert sie einen bedrohten Kollegen. Diese Einschätzung teilt | |
auch der Artur Romeu, Direktor des Lateinamerika-Büros von Reporter ohne | |
Grenzen. Die Spirale der Gewalt gegenüber Berichterstatter:innen werde | |
von den staatlichen Institutionen nicht gestoppt. Die Zahl der Regionen, wo | |
nicht mehr kritisch berichtet werde, sei dadurch größer geworden, | |
kritisiert Romeu. | |
## Bekenntnis zum Journalismus | |
Das soll sich unter Claudia Sheinbaum, [3][der ersten Frau im mexikanischen | |
Präsidentenpalast], ändern. Sie tritt für Versöhnung und ein Ende der | |
Polarisierung im Lande ein und hat sich auch zu mehr Schutz für | |
Journalist:innen bekannt. Nicht nur verbal, sondern auch schriftlich. | |
Wenige Tage vor den Wahlen unterzeichnete sie mit Reporter ohne Grenzen | |
einen Kompromiss zur Verteidigung der Pressefreiheit. Demnach soll eine | |
Expertengruppe nach ihrer Vereidigung Anfang Oktober konkrete Maßnahmen zum | |
Schutz der Pressefreiheit ausarbeiten, die Agenda öffentlich vorstellen und | |
sie dann auch implementieren. Es gelte eine Kultur des Respekts gegenüber | |
der Presse zu etablieren und sie auch strafrechtlich durchzusetzen, so | |
steht es im Übereinkommen. Dazu gehört auch die strafrechtliche Verfolgung | |
der Diffamierung und Stigmatisierung der Berichterstatter:innen. | |
Denn die ist Alltag in Bundesstaaten wie Chihuahua, Puebla, Veracruz oder | |
Guerrero, die als besonders riskant gelten und wo immer wieder staatliche | |
Institutionen oder Mandatsträger die Pressefreiheit angreifen. Positiv ist, | |
dass sich die künftige Präsidentin Mexikos dazu verpflichtet hat, das zu | |
ändern. Allerdings bleibt abzuwarten, ob Sheinbaum die Agenda nach ihrer | |
Vereidigung am 1. Oktober auch zügig umsetzen kann. Denn für die Umsetzung | |
auf allen Ebenen braucht es zusätzliches Personal in der Justiz und bei den | |
Sicherheitsbehörden. Dass es dagegen Widerstände geben wird, ist klar. | |
17 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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