# taz.de -- Organisierte Kriminalität in Mexiko: Blutige Demonstrationen von M… | |
> In Mexiko stellen Erpressungen und Morde die Regierung auf die Probe. Ein | |
> Jahr vor den nächsten Wahlen tobt ein Machtkampf. | |
Bild: Wandgemälde, das an die 43 verschwundenen Studenten in der Provinz Guerr… | |
BERLIN taz | Ein Jahr vor den nächsten Wahlen in Mexiko am 2. Juni 2024 | |
sieht sich die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador mit | |
einer der schwersten Sicherheits- und Gewaltkrisen des Landes konfrontiert. | |
Autobomben, Entführungen von Polizisten und Mitgliedern der Nationalgarde, | |
Straßenblockaden durch Zivilbevölkerung, die von der Organisierten | |
Kriminalität gesteuert werden, Schulschließungen und ökonomischer | |
Stillstand in mehreren Städten. | |
Der Bundesstaat Guerrero im Süden Mexikos sticht besonders heraus. Seit | |
über zwei Wochen sind die Hauptstadt Chilpancingo, aber auch die | |
touristischen Hotspots Acapulco und Taxco praktisch unregierbar geworden. | |
Grund ist ein weiteres wachsendes Phänomen: Erpressung. Eine Form davon ist | |
das sogenannte Schutzgeld, das Kleinunternehmern und Händlern abverlangt | |
wird, die Transportleistungen und Dinge des täglichen Bedarfs anbieten. | |
Am vorvergangenen Wochenende gab es eine tödliche Serie von neun Angriffen | |
durch bewaffnete Männer in Tixtla und Chilpancingo, beides zentrale Orte | |
des Bundesstaates. Die Bewaffneten setzten Taxis in Brand, fünf Fahrer | |
wurden ermordet und fünf weitere Menschen verletzt, darunter drei | |
Passagiere. Alles aufgrund nicht geleisteter Schutzgeldzahlungen. | |
Am darauffolgenden Montag und Dienstag blockierten rund 4.000 | |
Einwohner*innen die Autopista del Sol, die wichtigste Autobahn im | |
Süden. Angeführt von der kriminellen Gruppe „Los Ardillos“, forderten sie | |
öffentliche Investitionen in ihre Gemeinden, viele von ihnen indigen | |
geprägt. | |
Sie kaperten einen Polizeiwagen, drangen gewaltsam in Büros der Verwaltung | |
ein, verletzten einige Personen und nahmen für 24 Stunden 13 Mitarbeiter | |
als Geiseln, die erst nach Verhandlungen und der Intervention von | |
Bundesbehörden wieder freigelassen wurden. | |
## Zahl der Ermordeten steigt | |
In seiner morgendlichen Pressekonferenz sagte Präsident López Obrador, | |
diese Machtdemonstration sei durch die Zusammenarbeit zwischen lokalen | |
Behörden mit kriminellen Gruppen möglich geworden. Es handele sich um den | |
Versuch, Lokalregierungen zu destabilisieren, die von seiner MoReNo-Partei | |
geführt werden. Guerrero ist auch einer der Bundesstaaten, in denen schon | |
vor den letzten Wahlen am meisten Kandidaten ermordet wurden. | |
„Wir werden uns von niemandem in Geiselhaft nehmen lassen“, sagte López | |
Obrador in seiner Morgenkonferenz, aber „wir werden die Gewalt nicht mit | |
Gewalt beantworten“. Seine Regierung und auch die der Gouverneurin von | |
Guerrero, Evelyn Salgado, würden „Präsenz, Geduld und Besonnenheit“ walten | |
lassen. | |
Den [1][kriminellen Gruppen gehe es darum,] „eine soziale Unterstützerbasis | |
zu schaffen, und das erreichen sie mithilfe genau jener Behörden früherer | |
Regierungen, die ihnen Güter zum Verteilen überließen“. Seine Regierung | |
habe hingegen Fortschritte dabei gemacht, den Gruppen diese soziale Basis | |
zu entziehen. | |
Guerrero steht an siebter Stelle unter den zehn Bundesstaaten mit den | |
meisten vorsätzlichen Morden, wobei die Zahlen in Chilpancingo, Iguala und | |
Acapulco weiter steigen. An erster Stelle steht nach den verfügbaren Daten | |
der Bundesstaat Guanajuato, der von der Opposition regiert wird. Zwischen | |
Januar und Juni dieses Jahres gab es dort 1.647 Morde. An zweiter Stelle | |
folgt der Bundesstaat Mexiko mit 1.330, Baja California mit 1.157, Jalisco | |
mit 1.095, Chihuahua mit 1.091 und Michoacán mit 909 Morden. | |
## Erpressung allgegenwärtig | |
Für Unternehmer aus Guerrero, die sich öffentlich nur anonym äußern wollen, | |
geht es bei den Erpressungen und Straßenblockaden um [2][eine | |
Machtdemonstration der Organisierten Kriminalität]. 2013, im Jahr der | |
schlimmsten Gewalt in Guerrero, stellte die Bundesregierung 30 Unternehmer | |
unter besonderen Schutz, die erpresst und mit dem Tod bedroht wurden. | |
Damals, berichtet ein Unternehmer, „wurden alle Geschäfte erpresst, selbst | |
die Menschen, die mit einer Holzkarre Früchte verkaufen. Einmal erzählte | |
mir der Besitzer einer Hühnerfarm, dass er jede Woche 15.000 Pesos | |
Schutzgeld zahlte, die Eintreiber kamen pünktlich jeden Samstag. Ich sprach | |
dann mit einem Kontakt, den ich bei den Bundesbehörden hatte, es gab eine | |
Polizeioperation, der Eintreiber wurde verhaftet und schließlich die ganze | |
Zelle geschnappt.“ Auf lokaler Ebene waren sie immer geschützt, agierten in | |
vollkommener Straflosigkeit. | |
Laut der örtlichen Behörden ist 2022 allein in Guerrero die Zahl der | |
Erpressungen um 93 Prozent gestiegen. Die Antwort der Bundesregierung | |
bestand bislang daraus, mehr Nationalgardisten zu schicken. | |
18 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Vania Pigeonutt | |
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