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# taz.de -- Neues Megagefängnis in El Salvador: Bilder absoluter Erniedrigung
> El Salvadors Präsident Nayib Bukele lässt Bilder von Bandenhäftlingen
> verbreiten, die schockieren. Er verfolgt ein bestimmtes Ziel damit.
Bild: Offizielles Bild der Regierung von Banden-Gefangenen in El Salvador
Es gab eine Zeit, in der Fotoaufnahmen brutaler Situationen aufrütteln
sollten. Bilder von hungernden Kindern oder Opfern von Kriegsverbrechen
sollten Bewusstsein schaffen und für eine gerechtere Welt mobilisieren. Das
ist schon lange nicht mehr so.
Fotos wie das überfüllte Flüchtlingsschiff, mit dem einst Benetton für
Kleider und Hemden warb, oder ermordeter Frauen auf mexikanischen
Yellow-Press-Titeln bestätigen, dass solche Bilder oft jegliche
aufklärerische Funktion verloren haben. Geblieben ist das Ziel der
Vermarktung, gelegentlich gepaart mit Machtinteressen.
Keine schöne Entwicklung, demonstriert sie doch die unaufhaltsame
warenförmige Durchdringung jedes menschlichen Seins. Zugleich antizipiert
die Verbreitung solcher Fotos unterschwellig gefährliche Visionen, die weit
über das Dargestellte hinausgehen.
## Demütigung und Verfügungsgewalt
El Salvadors Präsident Nayib Bukele weiß diese Dynamik zu nutzen. Jüngst
veröffentlichte seine Regierung Bilder, die junge Männer unter elendigen
Bedingungen zeigen. Hunderte von Menschen, meist mit gesenkten, kahl
geschorenen Köpfen, tätowierten freien Oberkörpern, einheitlich in weiße
Unterhosen gekleidet, werden von Sicherheitsbeamten in hoch ausgerüsteter
schwarzen Kampfmontur durch kahle Säle und vergitterte Gänge gejagt.
Andere sitzen auf dem Boden, geknickt, in Reih und Glied eng aneinander
gedrückt. Es gibt kaum eine schlimmere Form, Demütigung und absolute
Verfügungsgewalt zur Schau zu stellen.
Bukele brachte die Fotos in Umlauf, nachdem er im Februar das
Hochsicherheitsgefängnis „Cecot“ außerhalb der Hauptstadt San Salvador
eröffnet hat. 4.000 Maras, wie die [1][Mitglieder der Banden] genannt
werden, wurden mittlerweile im Morgengrauen in das
„Terrorismus-Abriegelungszentrum“ gebracht. Getrieben wie Vieh. Insgesamt
will Bukele auf dem 23 Hektar großen Gelände 40.000 Kriminelle
inhaftierten.
[2][Auf Twitter, seinem wichtigsten Kommunikationsmedium], veröffentlichte
er ein Video, das das grausame Spektakel, einem Orwell’schen
Science-Fiction ähnlich, mit dramatischer Musik zeigt. „Das wird für
Jahrzehnte ihr neues Zuhause sein, ohne dass sie der Bevölkerung weiteren
Schaden zufügen können“, schrieb er.
## Das beste Gefängnis
Im Gegensatz zu den gewaltsam disziplinierten Maras, die nur noch als
kollektiver Abschaum in Erscheinung treten, inszenieren Werbefilme das
„beste Gefängnis Amerikas“ (Bukele) wie eine riesige beleuchtete Platine in
dunkler Landschaft. Jeder Ablauf ist kontrolliert, jede Bewegung
programmiert. Wasser und Strom in den Zellen können als Strafmaßnahme von
außen abgedreht werden. „Sie werden das Licht der Sonne nicht mehr sehen“,
so der Staatschef zu den Maras.
Dass mindestens 3.000 der insgesamt 63.000 festgenommenen Männer unschuldig
hinter Gitter saßen, Menschenrechtsverteidiger*innen schwere
Vorwürfe wegen Folter und Morden in Justizgewahrsam erheben, stört Bukele
nicht. Seit er vor einem Jahr seine Offensive gegen die Maras startete, hat
die Zahl der Morde in dem bis dato extrem gefährlichen Land stark
abgenommen.
Und nur das zählt, denn fast jede Familie hat unter dem Mara-Terror
gelitten. Umfragen zufolge stehen bis zu 90 Prozent der Bevölkerung hinter
dem Präsidenten, der sich mit Basecap, lockerer Kleidung und Bitcoin-Deals
gerne als cooler Typ gibt.
Während die Fotos einige schockieren, kommen sie bei den meisten in El
Salvador gut an. Und nicht nur dort. Das kolumbianische Wochenmagazin La
Semana setzte das „Wunder Bukele“ auf die Titelseite, nachdem der linke
Präsident Gustavo Petro seinen salvadorianischen Kollegen kritisierte. Naiv
zu glauben, dass die menschenunwürdige Behandlung der Maras nicht auch in
anderen Regionen des von Gewalt geprägten Lateinamerika auf Zustimmung
stößt – und damit auch die autoritären Visionen, die die Bilder weit über
den furchterregenden Knast hinaus transportieren.
20 Mar 2023
## LINKS
[1] /Gewalt-in-El-Salvador/!5855849
[2] https://twitter.com/nayibbukele?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctw…
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Kolumne Latin Affairs
El Salvador
Kriminalität
Gefängnis
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Sinaloa-Kartell
Schwerpunkt Pressefreiheit
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