# taz.de -- Präsidentschaftswahl in El Salvador: Weniger Banden, mehr Repressi… | |
> Unter dem amtierenden Präsidenten Nayib Bukele hat sich die | |
> Sicherheitslage stark verbessert. Jedoch zu einem hohen Preis für die | |
> Demokratie. | |
Bild: Anhänger von Präsident Bukele in San Salvador am 31. Januar | |
Fast zwei Jahre Ausnahmezustand und kein Ende: Bereits im März 2022 setzte | |
El Salvadors Präsident Nayib Bukele im Parlament durch, dass mehrere | |
verfassungsmäßig garantierte Rechte außer Kraft gesetzt werden. Sowohl die | |
Versammlungs- als auch die Vereinigungsfreiheit gelten seither nicht mehr. | |
Sicherheitskräfte können Menschen ohne Begründung festnehmen und ohne | |
richterliche Anweisung inhaftieren. Mehr als [1][72.000 mutmaßliche | |
Mitglieder] krimineller Banden, der Maras, wurden seither in dem | |
zentralamerikanischen Land verhaftet, die meisten von ihnen sitzen bis | |
heute unter menschenunwürdigen Bedingungen hinter Gittern. | |
Bisher ging [2][das Kalkül des 42-Jährigen Präsidenten] auf: Vor seinem | |
Amtsantritt 2019 galt El Salvador als eines der gefährlichsten Länder | |
Lateinamerikas. Über hundert Menschen wurden pro 100.000 | |
Einwohner*innen ermordet, im vergangenen Jahr waren es noch rechnerisch | |
2,4. Nur mehr 154 Menschen starben 2023 eines gewaltsamen Todes, 2021 | |
wurden noch 1.140 Morde verzeichnet. Diese Zahlen sorgen dafür, dass Bukele | |
zu den beliebtesten Politikern weltweit zählt. | |
Viele Salvadorianer*innen rechnen es ihm hoch an, dass sie sich | |
wieder sicher in ihren Dörfern und Stadtvierteln bewegen können. Die | |
Weltbank konstatiert El Salvador zwar in den letzten 15 Jahren große | |
Fortschritte in der Armutsbekämpfung, doch das Land ist weiterhin eines der | |
ärmsten Lateinamerikas. 40 Prozent der Menschen leben prekär. | |
Folglich besteht kein Zweifel daran, dass Bukele bei den | |
Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag das Rennen machen wird. | |
Umfragen versprechen ihm zwischen 70 und 80 Prozent der Stimmen. Ebenso | |
viele vertrauen seiner Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen). Am Sonntag wird | |
auch ein neues Parlament gewählt. Die Regierungsallianz dominiert dieses | |
bereits jetzt mit 60 Abgeordneten, während die oppositionellen Parteien nur | |
über 20 Sitze verfügen. | |
Dass die Verfassung eigentlich gar keine Wiederwahl des Präsidenten | |
vorsieht, schadet seiner Popularität nicht. Dank einer Sondergenehmigung | |
des Verfassungsgerichts kann er erneut antreten und musste dafür sein Amt | |
nur ein halbes Jahr vor der Wahl ruhen lassen. Wie andere Behörden hat er | |
das Gericht selbst ernannt. „Bukele hat den Generalstaatsanwalt und mehrere | |
Richter ausgetauscht, im Grunde besteht keine Gewaltenteilung mehr“, | |
erklärt Analystin Valeria Vásquez vom Beratungsunternehmen Control Risks | |
para Centroamérica. | |
200 Maras hinter Gittern | |
Doch während eine Mehrheit der Bevölkerung das Vorgehen Bukeles gutheißt, | |
leiden andere unter den repressiven Maßnahmen. Viele Verhaftungen seien | |
willkürlich und nur wegen der „physischen Erscheinung oder dem sozialen | |
Hintergrund“ vollzogen worden, kritisiert Marta Hurtado, Sprecherin des | |
UN-Menschenrechtskommissariats. Über 200 Maras seien hinter Gittern | |
gestorben. Hurtado weist darauf hin, dass Sicherheitskräfte scharf gegen | |
Menschenrechtsverteidiger*innen und [3][Journalist*innen] | |
vorgehen. Zu den Betroffenen zählt auch das Nachrichtenportal [4][El Faro]. | |
Die Redaktion verlegte vergangenes Jahr ihren Sitz ins Ausland, um sich vor | |
Angriffen zu schützen. | |
Die Journalist*innen hatten aufgedeckt, dass Bukele über Jahre hinweg | |
einen Pakt mit den Maras hatte. Der Deal: Die Gangs verzichten auf Gewalt, | |
im Gegenzug erhalten gefangene Bandenmitglieder Hafterleichterungen und die | |
Anführer der Gangs in Freiheit „Wohltaten“. Nachdem die Kriminellen die | |
Vereinbarungen im März 2022 brachen und an einem Wochenende mindestens 87 | |
Menschen töteten, ließ der Präsident den bis heute andauernden | |
Ausnahmezustand ausrufen und setzt seither auf Konfrontation. Dennoch gibt | |
es El Faro zufolge weiter gezielte Vereinbarungen mit Bandenchefs. | |
Diese Woche veröffentlichten die Medienmacher*innen Informationen, | |
nach denen Bukele mit dem mexikanischen Jalisco-Kartell verhandeln wollte, | |
um einen in Mexiko verhafteten Mara-Anführer aus dem Gefängnis zu | |
entführen. Er solle noch vor der Wahl nach El Salvador verschleppt werden. | |
3 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Megagefaengnis-in-El-Salvador/!5920103 | |
[2] /Kriminalitaetsbekaempfung-in-El-Salvador/!5921998 | |
[3] /Pressefreiheit-in-El-Salvador/!5927239 | |
[4] https://elfaro.net/es/?rf=inicio | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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