# taz.de -- Kriminalitätsbekämpfung in El Salvador: Kein „Smoking“ für G… | |
> Präsident Bukele kämpft per Ausnahmezustand gegen kriminelle Banden. | |
> Menschenrechtler kritisieren die Sicherheitskräfte. | |
Bild: Demütigende Zurschaustellung von Bandenmitgliedern durch den Präsidente… | |
Oaxaca taz | 87 Tote an einem Wochenende, darunter Straßenhändler*innen, | |
Busfahrgäste und weitere Menschen, die durch willkürlich abgefeuerte Kugeln | |
starben. Es waren [1][El Salvadors blutigste Tage seit Langem]. Genau vor | |
einem Jahr zwischen dem 25. und dem 27. März 2022 traten kriminelle Banden | |
des mittelamerikanischen Landes mit diesem Massaker wieder offensiv auf, | |
nachdem zuvor auffällig wenig von ihnen zu hören war. | |
[2][Präsident Nayib Bukele] reagierte schnell und setzte die Zustimmung des | |
Abgeordnetenhauses für den Ausnahmezustand durch. „Wir sind mit Ihnen, | |
zählen Sie auf uns“, erklärte Parlamentspräsident Ernesto Castro. 67 der 84 | |
Abgeordneten stimmten zu. | |
Obwohl zunächst auf 30 Tage befristet, ist der Ausnahmezustand bis heute | |
gültig. Monat für Monat wurde er vom Parlament verlängert, das von Bukeles | |
Partei Nuevas Ideas dominiert wird. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit | |
sowie das Recht auf geschützte Kommunikation sind seither ausgesetzt. | |
Sicherheitskräfte können Menschen ohne Begründung festnehmen und ohne | |
richterliche Anweisung inhaftieren. | |
Über 65.000 Mitglieder der Banden Barrio 18 und Mara Salvatrucha 13 (MS13) | |
wurden seither festgenommen. Etwa 3.000 Gefangene seien wieder freigelassen | |
worden, sagt Bukele. | |
## Allein in den ersten 7 Monaten starben 90 Menschen in Haft | |
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) spricht von | |
„willkürlichen Festnahmen, erzwungenem Verschwindenlassen sowie Folter und | |
Misshandlungen im Gefängnis“. Dabei handele es sich nicht um Einzelfälle. | |
„Sowohl Soldaten als auch Polizisten verübten über Monate hinweg wiederholt | |
ähnliche Übergriffe im ganzen Land“, so HRW. Allein bis November 2022 seien | |
90 Menschen in Haft gestorben. | |
Bukele, der vor allem über Twitter kommuniziert, kratzt die Kritik nicht. | |
Er schüttet vielmehr noch Öl ins Feuer. „Soll die böse Diktatur den | |
Gefangenen einen Smoking geben?“, erklärte er zu Vorwürfen über die | |
Behandlung der Häftlinge. Und: „Jetzt gleich ziehen wir Geld vom Haushalt | |
für Kinderkrankenhäusern ab, um ihnen Schuhe zu kaufen.“ Internationale | |
Kritiker*innen seien „Partner der Banden“. | |
Immer wieder verbreitet er Fotos, auf denen die Demütigung zur Schau | |
gestellt wird: aneinandergedrückte tätowierte Körper in weißen Unterhosen | |
auf dem Boden kniend oder wie Vieh durch vergitterte Gänge getrieben. | |
Auch als Bukele vor zwei Wochen das Hochsicherheitsgefängnis Cecot | |
eröffnete, in dem 40.000 mutmaßliche Maras einsitzen sollen, machten solche | |
Aufnahmen die Runde. Per Twitter verschickte er ein Video, das die | |
erniedrigenden Bilder mit dramatischer Musik inszeniert. „Sie werden das | |
Licht der Sonne nicht mehr sehen“, so Bukele. | |
## Repressiver Präsident inzeniert sich als cooler Typ | |
Das repressive Vorgehen des 41-Jährigen, der sich gerne im lockeren Outfit | |
und mit Basecap als coolen Typen zeigt, kommt an. Zwischen 80 und 90 | |
Prozent der Bevölkerung stehen Umfragen zufolge hinter ihm, 70 Prozent | |
befürworten seine Wiederwahl 2024, obwohl die Verfassung das nicht | |
vorsieht. | |
Dass die Partei Nuevas Ideas durch ihre Zweidrittelmehrheit im Parlament | |
unabhängige Institutionen geschwächt und die Richter der Verfassungskammer | |
des Obersten Gerichts ausgetauscht hat, schadet der Zustimmung nicht. | |
Das ist kaum verwunderlich. Jahrelang haben „Barrio 18“ und „Mara | |
Salvatrucha 13“ die Menschen terrorisiert. Sie mordeten, kassierten | |
Schutzgeld und verkauften Drogen. Nicht wenige Väter flüchteten mit ihren | |
Söhnen Richtung USA, um zu verhindern, dass diese von den Banden rekrutiert | |
oder getötet werden. | |
Bukeles „Politik der harten Hand“ konnte der Macht der Kriminellen Grenzen | |
setzen. Lange Zeit galt das Land als eines der gefährlichsten weltweit. | |
2015 wurden im Jahresschnitt 103 Menschen pro 100.000 Einwohner ermordet. | |
Heute sind es noch 7,8. Zum Vergleich: in Mexiko sind es 12, in Deutschland | |
lag die Zahl 2021 bei 0,3. Immer wieder verkündet Bukele auf Twitter stolz | |
Tage, an denen niemand eines gewaltsamen Todes starb. | |
## Die Mordraten gingen drastisch zurück | |
Bereits 2019, dem ersten Jahr seiner Amtszeit, gingen die Mordraten in dem | |
6,3-Millionen-Einwohner-Land deutlich zurück. Wie das salvadorianische | |
Portal El Faro aufdeckte, beruhte das auf einem Abkommen zwischen Bukele | |
und den Banden: Die „Pandillas“ verzichteten auf Gewalt, dafür wurden | |
Haftbedingungen verbessert, Inhaftierte freigelassen und die Polizeipräsenz | |
in den Barrios verringert. | |
Doch im März 2022 war damit Schluss. Die Banden beklagten, dass Mitglieder | |
wider die Absprachen verhaftet worden seien. Seither setzt Bukele auf | |
„Krieg gegen die Terroristen“. | |
Kritiker*innen bezweifeln einen langfristigen Erfolg der Repression. | |
Denn Gefängnisse seien immer wichtige Rekrutierungsorte für die Gangs | |
gewesen. | |
El Faro sieht in den Banden den ungeschminkten Ausdruck einer zerstörten | |
Gesellschaft, die von fehlender Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit | |
geprägt sei. Daran habe sich unter Bukele nichts geändert. | |
„Die Demokratie war für die arme Bevölkerung El Salvadors über Jahrzehnte | |
hinweg, wenn überhaupt, etwas Abstraktes“, erklärte das Blatt, „die Banden | |
dagegen waren jeden Tag in erdrückender Weise präsent.“ | |
27 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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