| # taz.de -- James Baldwin: Einander nicht aufgeben | |
| > Ein US-Theaterkollektiv reinszeniert in Berlin eine legendäre Debatte der | |
| > Bürgerrechtsbewegung: James Baldwins Diskussion mit dem Rechten William | |
| > F. Buckley. | |
| Bild: Können auch Schwarze den amerikanischen Traum leben? Greig Sargeant als … | |
| Es ist eine eindringliche Bitte, die John Collins, künstlerischer Leiter | |
| der US-amerikanischen Theatergruppe Elevator Repair Service, am Ende des | |
| Nachgesprächs zu ihrer Aufführung an das Publikum in der Berliner | |
| Schaubühne richtet: „Bitte geben Sie uns nicht auf“. Mit „uns“, meint … | |
| einen Großteil der US-amerikanischen Künstler*innen und mit „Sie“ die | |
| europäische Kunst- und Kulturszene. | |
| Lange Zeit wäre es überraschend gewesen, eine solche Bitte von einem | |
| Künstler aus den USA zu hören. Dem Land, dessen Kunst und Kultur | |
| jahrzehntelang weltweit prägend und dominant war. Doch wir schreiben das | |
| Jahr 2025. Donald Trump nutzt gerade seine zweite Präsidentschaft, um | |
| demokratische Grundprinzipien grundlegend infrage zu stellen – und damit | |
| auch die der Kunst- und Kulturproduktion in den USA. | |
| Brisanter hätte die Aufführung [1][des Stückes „Baldwin and Buckley at | |
| Cambridge“ von Elevator Repair Service an der Schaubühne] im Rahmen des | |
| FIND-Festivals deshalb kaum sein können. Das Stück ist ein Reenactment | |
| einer legendären Debatte, die 1965, auf dem Höhepunkt der | |
| Bürgerrechtsbewegung in den USA, an der Universität Cambridge stattfand. | |
| Eingeladen waren der weithin verehrte [2][Schriftsteller und Bürgerrechtler | |
| James Baldwin] und der prominente Vordenker der Neuen Rechten in den USA, | |
| William F. Buckley Jr. (dargestellt von Ben Williams). Die Idee dazu hatte | |
| der Schauspieler Greig Sargeant, der auch James Baldwin auf der Bühne | |
| verkörpert. | |
| Damals ging es um die Frage, ob der amerikanische Traum auf Kosten der | |
| Schwarzen Bevölkerung gehe. Baldwin beharrte darauf, dass Amerika auf der | |
| Sklavenarbeit seiner Schwarzen Einwohner*innen aufgebaut wurde. Buckley | |
| entgegnete, wenn die Schwarzen sich nur anstrengen würden, könnten auch sie | |
| den amerikanischen Traum leben. | |
| Es ist eine elegante, auffallend ahistorische Aufführung, die die Debatte | |
| fast wörtlich auf die Bühne bringt. Sargeant und Williams imitieren weder | |
| die Akzente und den Duktus noch den spezifischen Habitus der beiden Männer. | |
| Auch ihre Kostüme sind eher zeitgenössisch als historisch. | |
| Dem Stück gelingt es, einige der Strategien zu entlarven, mit denen Trump | |
| die US-amerikanische Demokratie aushöhlt: die Ignoranz gegenüber Rassismus, | |
| Sexismus und allen anderen Formen der Diskriminierung von Benachteiligten, | |
| Ausgegrenzten oder Minderheiten. | |
| Die Produktion ist damit genau die Art von Kunst, gegen die Trump in den | |
| USA einen radikalen Kulturkampf begonnen hat. Und so wird die Aufführung an | |
| der Schaubühne auch von der bangen Frage überschattet: Wie lange wird es | |
| überhaupt noch möglich sein, solche Stücke in den USA zu produzieren und | |
| aufzuführen? | |
| Als sie 2019 begannen, das Stück zu konzipieren, habe sich das Thema | |
| relevant angefühlt – jetzt fühle es sich dringender an denn je, sagt | |
| Collins im Nachgespräch. Tatsächlich finden sich Buckleys Argumente fast | |
| wörtlich in einigen der berüchtigten „Executive Orders“ wieder, die Donald | |
| Trump seit Beginn seiner Präsidentschaft in großer Zahl erlassen hat. | |
| Darin verbietet er beispielsweise alle Programme, die sich für | |
| [3][Vielfalt, Inklusion und Gerechtigkeit] (Diversity, Inclusion and | |
| Equity, DIE) einsetzen. Das seien alles Programme, die gute amerikanische | |
| Werte wie „harte Arbeit und individuelle Leistung“ zugunsten eines | |
| „schädlichen, identitätsbasierten Ausbeutungssystems“ verleugnen würden. | |
| Kurz gesagt: Wer in den USA Erfolg hat, hat ihn sich hart erarbeitet. | |
| Struktureller Rassismus, Sexismus oder sonstige Diskriminierungen von | |
| Minderheiten oder Benachteiligten? Die dunklen Seiten der US-amerikanischen | |
| Geschichte? Alles erfunden. Es sind genau die gleichen Argumente, die | |
| Buckley 1965 in Cambridge vertrat. | |
| Trump nutzt seine ganze Macht, um diese Ideologie durchzusetzen. Er hat | |
| sich selbst zum Vorsitzenden des Kennedy-Centers ernannt, dem größten | |
| Kulturzentrum der Hauptstadt Washington von nationaler Bedeutung. Die | |
| Smithsonian Institution, mit 21 Museen und 14 Bildungs- und | |
| Forschungseinrichtungen eine der bedeutendsten Kulturinstitution der USA, | |
| hat er per Dekret angewiesen, sich künftig nach seinen Vorgaben | |
| auszurichten. Die Diversitätsabteilung der Institution wurde daraufhin | |
| bereits geschlossen. | |
| Und: Trump droht allen Institutionen und Einrichtungen, die sich diesen | |
| Ideen widersetzen, die Gelder zu streichen. Das betrifft Universitäten, | |
| öffentliche Radioanstalten, öffentliche Bibliotheken und natürlich auch den | |
| größten staatlichen Fördertopf für Kunst- und Kulturprojekte, das National | |
| Endowment of the Arts (NEA). | |
| Finanziell habe ihnen Trumps Politik bisher keine Probleme bereitet, sagt | |
| John Collins im persönlichen Gespräch. Ihre Finanzierung basiere nur zu | |
| einem minimalen Teil auf staatlicher Förderung, hauptsächlich aber auf | |
| privaten Geldgeber*innen und Stiftungen. | |
| Auf ihr Gastspiel in Berlin hat sich Trumps Politik dennoch bereits | |
| ausgewirkt: Die Produzentin des Stücks ist Kanadierin. Sie lebt zwar mit | |
| einem legalen Arbeitsvisum in New York, aber ihre Anwälte hätten ihr | |
| geraten, die USA nicht zu verlassen. Es bestehe das Risiko, dass sie nicht | |
| wieder einreisen dürfe. Das sei zwar sehr unwahrscheinlich, aber leider | |
| auch nicht ganz auszuschließen. | |
| Ähnlich äußert sich die Schauspielerin April Matthis im Nachgespräch in der | |
| Schaubühne. Sie spielt in einer kurzen Szene am Ende von „Baldwin und | |
| Buckley in Cambridge“ die Dramatikerin und Aktivistin Lorraine Hansberry. | |
| Hier in Berlin würde sie sich sicherer fühlen, ihre Meinung zu sagen. Es | |
| habe zwar Bedenken wegen des Gastspiels gegeben – aber nur im Hinblick auf | |
| die Rückkehr in die USA, die Kontrollen an der Grenze ihres eigenen Landes. | |
| Das sei die neue Realität, in der sie lebten. | |
| Er habe überhaupt keine Angst davor, das Stück jetzt in den USA | |
| aufzuführen, sagt Collins an anderer Stelle des Nachgesprächs. Am liebsten | |
| in einem konservativen Teil der USA, im Mittleren Westen zum Beispiel. Die | |
| Frage sei eher, welche Institutionen sie momentan dazu einladen würden. | |
| Aber Collins ist es auch wichtig, Hoffnung zu verbreiten. Es bestehe die | |
| Gefahr, zu stark zu verallgemeinern, sagt er im persönlichen Gespräch. | |
| Trump sei es zwar gelungen, einige herausragende Institutionen seinem | |
| Willen zu beugen, aber längst nicht alle. | |
| Er wisse nicht, was noch alles unter Trump passieren würde. Aber bei einer | |
| Sache sei er sich ganz sicher: Die meisten US-Amerikaner*innen würden das | |
| so nicht wollen. Das sei die wichtigste Nachricht, die er momentan aus den | |
| USA mitbringen könne. | |
| 17 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Verena Harzer | |
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