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# taz.de -- US-Produzent Quincy Jones gestorben: Soul und Ehrlichkeit
> Mit unermüdlichem Tatendrang konterte er Diskriminierung. Nun ist der
> Komponist und Produzent Quincy Jones im Alter von 91 Jahren gestorben.
Bild: Quincy Jones in seinem Studio 1974
Allzu viele Künstler:Innen gibt es nicht, die zugleich in den
Enzyklopädien von Jazz, R&B und Pop Erwähnung finden. Quincy Jones bleibt
die Ausnahme. Der Arrangeur, Produzent und Komponist konnte auf eine
75-jährige Karriere zurückblicken. Sie brachte ihn, den 1933 in Chicago
geborenen Trompeter, schon als Teenager in die besten Bands.
Als 15-Jähriger spielte er an der Seite von Ray Charles, [1][ab 1951 mit
dem Vibrafonisten Lionel Hampton zusammen]. In jener Zeit wuchs sein
Selbstbewusstsein, er brachte sich das Klavierspielen bei und führte das
Prinzip in den Jazz ein, Akkordfolgen am Piano in Vierteln aufzubauen,
bevor dies zum Feature im Bebop wurde.
Früh setzte Jones auf den E-Bass, der 1953 von Leo Fender eingeführt wurde.
Bei seinem Engagement als „musikalischer Direktor“ in der Bigband von Dizzy
Gillespie machte sich Quincy Jones 1955 unentbehrlich. Damals wandte sich
die Bürgerrechtsbewegung gegen die Segregation der Schwarzen
US-Bevölkerung. Quincy Jones konterte die Diskriminierung mit unermüdlichem
Tatendrang.
Für sein Soloalbum „This Is How I Feel About Jazz“ notierte Jones 1956
eigene Linernotes: „Unsere Ziele beim Musikmachen bleiben Soul, Groove und
Ehrlichkeit“. Das mag von heute aus kokett klingen, aber Jones trat nie auf
der Stelle. Er machte für sich und andere möglich, was in der Generation
zuvor undenkbar war. Er schrieb Songs für Count Basie und studierte am
Berklee-Konservatorium in Boston, wo er Größen [2][wie Miles Davis] und
Thelonious Monk kennenlernte. Anders als diese Visionäre war er kein
Bilderstürmer.
1957 siedelte er nach Paris über und wurde Manager der Plattenfirma
Barclay. Doch in Europa stieß Jones an Grenzen: Er musste eine Bigband
wegen Schulden auflösen. Ernüchtert kehrte er 1959 in die USA zurück. Sein
Netzwerk rettete ihn, als erster Schwarzer gelangte Quincy Jones in einem
Majorlabel bis zur Leitungsebene, bei Mercury brachte er es bis zum
Vizepräsidenten. Dann begann seine Tätigkeit als Produzent, er verhalf der
Sängerin Leslie Gore mit „It’s My Party“ zu Starruhm.
## Soundtracks für mehr als 60 Filme
Ab den 1960ern schuf Quincy Jones zudem Soundtracks für mehr als 60 Filme:
zum Beispiel für den fiebrig-orchestralen Score von „The Deadly Affair“
(Regie: Sidney Lumet), mit lakonischen Titeln wie „Don’t Fly If It’s Fogg…
oder „Body on Elevator“.
Man kann nicht mit einem Arsch auf zwei Bänken sitzen, außer man ist Quincy
Jones. Er ergattert immer wieder Plattenverträge und bleibt neugierig. Als
die afroamerikanische Bevölkerung in den mittleren 1970er Jahren infolge
einer Wirtschaftskrise zurückfiel, wirkte der Aufstieg von Quincy Jones als
Antithese: [3][1979 produzierte er das Album „Off the Wall“ von Michael
Jackson], es wurde mit neun Millionen Exemplaren seinerzeit zum
meistverkauften Album eines Schwarzen.
Mit dem Crossover-Welterfolg – Jones blieb auch für Jacksons Alben
„Thriller“ und „Bad“ Produzent – kamen Negativschlagzeilen. „Es ent…
sich ein schreckliches Friss-oder-stirb-Syndrom“, formulierte US-Kritiker
Nelson George über den Erfolgshunger des Gespanns. Der britische NME
haderte mit den „zehn Geboten der Pseudosoulmusik“ im angeblich
verwässerten Sound von Quincy Jones.
Doch dieser hat ein erfülltes Musikerleben vorzuweisen, nur ein
Lebensprojekt blieb unvollendet: Er plante ein Gesamtkunstwerk, eine Oper,
die die Entwicklung der afroamerikanischen Musik vom Zeitalter der
Sklaverei bis zur Gegenwart nachzeichnen sollte.
Zählt man alle Werke zusammen, ergibt sich bei Quincy Jones das
Gesamtkunstwerk auch so. Am Sonntag ist er im Alter von 91 Jahren in Los
Angeles gestorben.
4 Nov 2024
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## AUTOREN
Julian Weber
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