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# taz.de -- Musiklegende Sergio Mendes ist tot: Der wandlungsfähige Multiplika…
> Sergio Mendes fusionierte Bossa Nova mit Pop, brachte brasilianische
> Leichtigkeit zum Jazz und förderte Talente. Nachruf auf einen großen
> Vermittler.
Bild: Ein Künstler der Langstrecke: Sergio Mendes hier in einem Foto von 2021
Am erstaunlichsten an seiner Karriere war ihre lange Dauer. Er hatte
tatsächlich Hits in den 1960er, 1970er, 1980er, 1990er, 2000er und 2010er
Jahren. Auch in den 2020er Jahren wäre ihm womöglich noch etwas gelungen,
schließlich war er immer noch aktiv und trat bis zum vergangenen November
regelmäßig live auf. Aber dann starb Sergio Mendes am 5. September in Los
Angeles.
Geboren wurde Sérgio Santos Mendes 1941 im direkt östlich an Rio de Janeiro
angrenzenden Niterói. Er besuchte dort auch das Konservatorium, mit dem
Ziel, klassischer Pianist zu werden. Alsbald wandte er sich jedoch dem Jazz
zu und ließ sich dann von der Wucht der Bossa nova mitreißen, die ab Ende
der 1950er Jahre von Rio de Janeiro aus ihren Siegeszug rund um die Welt
startete.
1961 veröffentlichte er in Brasilien ein erstes Album mit freundlichem
Bossa-Jazz, „Dance moderno“. Im November 1962 gehörte Mendes dann zu
[1][einer Delegation brasilianischer Musiker*innen, die die Bossa nova] in
der New Yorker Carnegie Hall dem US-Publikum zum ersten Mal auf einer
Konzertbühne präsentierte. Und in den USA führte er seine Karriere weiter,
nahm Alben mit US-Jazzern wie Cannonball Adderley und Herbie Mann auf. Dort
gründete er 1964 die Formation Sergio Mendes & Brazil ’65 (später Brazil
’66 und Brazil ’77).
## Englisch singen, brasilianisch arrangieren
Doch erst als er den Rat seines Managers befolgte, die beiden Sängerinnen
seiner Band statt auf Portugiesisch vorwiegend auf Englisch singen zu
lassen und das Repertoire um aktuelle Pophits zu erweitern, warf sich ihm
das US-Publikum bedingungslos zu Füßen: Seine Versionen von Jorge Bens „Mas
que nada“, [2][Burt Bacharachs „The Look of Love“] und des Beatles-Songs
„The Fool on the Hill“ gehörten zu den größten Hits der 1960er und ebnet…
den Weg für Bosse-Nova-basierten Soft-Pop.
Die 1970er entpuppten sich als Mendes’ schwierigstes Jahrzehnt. Denn die
musikalische Konjunktur hatte sich gewandelt und die Nachfrage nach sorglos
sanftem Pop wurde schwächer. Er besann sich seiner Jazz-Neigungen und
machte einige Versuche in Richtung Fusion und Konzeptalben. Seine noch
verbliebenen alten Fans verschreckte er mit Alben wie „Primal Roots“ (1972)
und einer fast 20-minütigen Version von Edu Lobos „Jôgo de roda“ (als „…
Circle Game“) aber eher, während die Anhänger von John McLaughlin, Chick
Corea und Keith Jarrett ihn geflissentlich ignorierten.
Also milderte er seine Ambitionen in Richtung Soft Jazz und Funk und
freundete sich mit Stevie Wonder an, der ihm mit „The Real Thing“ 1977 auch
endlich wieder einen Hit schenkte. Diese Richtungsentscheidung zahlte sich
aber vor allem längerfristig aus, so dass die 1980er Jahre eines seiner
erfolgreichsten Jahrzehnte wurden. 1983 gelang ihm mit der Pop-Jazz-Nummer
„Never Gonna Let You Go“ ein weiterer Top-5-Hit, ein Jahr später durfte er
mit „Olympia“ den Titelsong zur Olympiade in Los Angeles liefern.
## Zarter Kurswechsel
1992 erschien das Album „Brasileiro“, das einen weiteren zarten Kurswechsel
dokumentierte und einen Fokus auf die Songwriterkunst seiner Landsleute
Ivan Lins und Carlinhos Brown legte. Dafür erhielt er einen Grammy. Im
selben Jahrzehnt durfte er sich über eine breite Wiederentdeckung seines
1960er Œuvres im Rahmen einer allgemeinen Neueinordnung des Nicht-Rock-Pop
jener Jahre freuen.
Einer seiner größten Coups gelang Sergio Mendes 2006 mit dem Album
„Timeless“ und Gastauftritten von Stevie Wonder, Justin Timberlake,
[3][Erykah Badu], Jill Scott, John Legend und vor allem den Black Eyed
Peas. Eine neue Version von „Mas que nada“ unter Mitwirkung der Black Eyed
Peas sollte eine seiner erfolgreichsten Aufnahmen überhaupt werden. Das
folgende Jahrzehnt war etwas ruhiger für ihn, als Co-Autor des Songs „Real
in Rio“ aus dem Animationsfilm „Rio“ wurde er jedoch erneut für einen Os…
nominiert.
Was, fragt sich nun jede*r hungrige Pop-Akademie-Absolvent*in, hat Sergio
Mendes all die Jahre richtig gemacht? Außer in seinem Erfolg war er mit
nichts besonders herausragend. Guter, aber unauffälliger Pianist, selten
als Komponist aktiv, keine wirklich identifizierbare musikalische
Handschrift. Sein Talent bestand eher darin, das brasilianische Element –
in unterschiedlichen Momenten und Situationen – stets sinnvoll ins Spiel zu
bringen.
Er castete fleißig aufstrebende Talente, so sie irgend in sein Konzept
passten, und führte so der eigentlich nicht gerade für Neugier oder gar
Experimentierfreude bekannten Chartswelt immer wieder unerwartete,
innovative Ingredienzien zu. Natürlich in milder, gaumenfreundlicher
Dosierung.
8 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Detlef Diederichsen
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