# taz.de -- Infoveranstaltung mit Verfassungsschutz: Wie Reichsbürger ticken | |
> Der Bremer Verfassungsschutz-Chef und eine Psychologin informierten über | |
> die „Reichsbürger“. Auch deren Anhänger diskutierten mit. | |
Bild: Waffen im eigenen Besitz sind Reichsbürgern wichtig – mal mit und mal … | |
BREMEN taz | Eng ist es am Dienstagabend im Saal der | |
Konrad-Adenauer-Stiftung geworden. Schnell war die Luft verbraucht, schnell | |
war offensichtlich, dass nicht nur CDU-Mitglieder und Interessierte | |
gekommen waren, um sich über „Reichsbürger“ zu informieren. Auch Anhänger | |
eben jener Strömung nahmen Platz, die sich laut Veranstaltungstitel | |
„zwischen Spinnerei und Rechtsextremismus“ bewegen. | |
Mit Karteikarten mit Rechtsdarlegungen in der Hand oder Ordnern voller | |
Internetausdrucke auf dem Schoß raunten die selbsternannten Reichsbürger | |
ihren Unmut durch den Saal. Unter Kopfschütteln verfolgten sie die Referate | |
des Bremer Verfassungsschutz-Chefs (VS), Dierk Schittkowski und der | |
Psychologin Karoline Roshidu. | |
Mittlerweile 16.500 Anhänger der verschiedenen Reichsideologien zählt der | |
Verfassungsschutz bundesweit. Sie alle eint, dass sie die Bundesrepublik | |
als souveränen Staat ablehnen, als Konstrukt oder Firma betrachten, und das | |
Grundgesetz nicht als Verfassung verstehen wollen. | |
In Bremen seien 116 Reichsbürger bekannt, erklärte Schittkowski, 16 mehr | |
als im Vorjahr. Drei von ihnen hätten einen Kleinen Waffenschein. Diese | |
Zahl sei so gering, weil es in Bremen keine Tradition von Jägern und | |
Schützenvereinen gebe. | |
Dass überhaupt darauf geschaut wird, wie verbreitet die Bewaffnung unter | |
den „Reichsbürgern“ ist, liegt vor allem am 19. Oktober 2016. An dem Tag | |
erschoss der „Reichsbürger“ Wolfgang Plan im bayrischen Georgensmünd einen | |
Polizisten, als ein Spezialkommando ihm seine Waffen abnehmen sollte. | |
Es war erst diese Tat, die dazu führte, dass die Sicherheits- und | |
Verfassungsschutzbehörden die heterogene Bewegung bundesweit ernsthaft | |
beobachten. Das räumte auch Schittkowski ein: „Es musste erst etwas | |
schlimmes passieren, bis sich alle dafür interessieren.“ Er bestätigte | |
damit, was Beratungsstellen von Opfern rechter Gewalt seit langem anmahnen: | |
Dass nur aufgemerkt würde, wenn das Opfer prominent oder die Tat äußerst | |
brutal war. | |
Erst durch die neue Aufmerksamkeit der Behörden wäre die offiziell erfasste | |
Zahl der Anhänger um über 50 Prozent gestiegen, so Schittkowski. Die Szene | |
an der Weser sei nicht groß, „Reichsbürger“ hier in Kleinstgruppen von | |
höchstens zehn Personen organisiert. | |
Einzelne seien auch Rechtsextreme, so Schittkowski. „Wir können das nicht | |
unbedingt einordnen“, diese Personen seien aus „anderen Zusammenhängen“ | |
bekannt. „Wir sprechen von Mischszene“, sagte er und erklärte das: Mal | |
nehme einer an einem Stammtisch der „Reichsbürger“ teil, mal malte er | |
Plakate für die „Identitäre Bewegung“. | |
Ein Indiz dafür, nicht nur „Reichsbürger“ sondern auch rechtsextrem zu | |
sein, sei für den VS der Antisemitismus, erklärte Schittkowski. Was er | |
damit ausblendet: Gerade in Verschwörungstheorien über das Deutsche Reich | |
sind antisemitische Positionen in weiten Teilen der Bewegung immanent. | |
Auch Schittkowski wollte die „Reichsbürger“ aber nicht unterschätzen. Sie | |
seien vielleicht Spinner, aber auf alle Fälle so radikal, dass sie auch in | |
terroristische Aktivitäten abgleiten könnten, so Schittkowski. | |
Als er dann über den „Gelben Schein“ sprach, wurde es laut im Saal. Hatte | |
er doch selbst leicht geschmunzelt, als er darlegte, dass „Reichsbürger“ | |
diesen urkundlichen Staatsbürgerangehörigennachweis begehren, wenn sie | |
ihren Personalausweis zurückgeben wollen. | |
„Worüber lachen sie denn?“, rief es da aus den Zuhörerreihen. Dass der | |
Personalausweis doch schon vom Namen her bestätigen würde, dass wir das | |
Personal einer BRD-Firma seien, meinte ein älterer Mann und bot anschaulich | |
dar, wie „Reichsbürger“ ticken. Auf ein Flugblatt schauend führte er aus, | |
Wolfgang Schäuble hätte zugegeben, dass die Bundesrepublik kein souveräner | |
Staat sei. Er verwies auf Gerichtsbeschlüsse und verteilte seine | |
Flugblätter. | |
Genauso verhielten sich Anhänger der „Reichsbürger“-Szene, erklärte | |
Psychologin Roshidu: als Personen nämlich, die dieser Idee „konsequent | |
verfallen“ seien. Sie würden nur wahrnehmen, was vermeintlich zu ihrer | |
Wahrnehmung passe. Also hoffnungslose Fälle? Bei Mitläufern gäbe es noch | |
die Chance, sie zu erreichen, so Roshidu, wenn Behörden konsequent | |
Bußgelder einforderten. | |
1 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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