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# taz.de -- Kolumne Balkongespräche: Fake News aus der Vorlesung
> Meine Nachbarin glaubt nicht an die BRD. Sie ist damit nicht allein: Ein
> Jahresausblick auf das Bundesland mit 1.300 Reichsbürgern.
Bild: Nazis raus, aber wohin? Mit dem Reichsbürgerpass dürfen sie jedenfalls …
Meine Nachbarin sagt, ihre Professorin habe sich mal verplappert. Ein Staat
gründe sich immer auf einer Verfassung, habe sie damals in der Vorlesung
gelehrt, und auf die Frage meiner damals jungen Nachbarin, ob denn
Deutschland eine Verfassung habe, sei die Antwort gewesen: Nein, hier gebe
es nur das Grundgesetz.
Ein Dialog wie ein Autounfall. Es ist zweifelhaft, dass sich das wirklich
so an der Universität Leipzig abgespielt hat – wo doch der AfD-Sympathisant
Thomas Rauscher dort Jura lehrt und nicht Geschichte, was meine Nachbarin
tatsächlich studiert haben will. Und zwar ganze 13 Semester lang. Aber es
ist auch fast schon wurscht, wie viele Fake News in ihrem Zitat aus jener
Vorlesung stecken, denn ihr Fazit lautet bis heute: „Da hat mir eine
Professorin bestätigt, dass die BRD nicht existiert.“
In Sachsen ist meine Nachbarin mit dieser Ansicht nicht allein: 1.300
Reichsbürger gibt es hierzulande laut Verfassungsschutzbericht, der damit
seine Schätzungen von August um 81 Prozent nach oben korrigiert. Die
Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Daneben
lehnen sie die Autorität von Polizeibehörden und Gerichten ab, wollen keine
Steuern zahlen, GEZ sowieso nicht. Sie haben sogar einen eigenen Pass,
„Deutsches Reich“ steht darauf.
In Urlaub fliegen möchten sie gern wie jeder andere Deutsche, das dürfen
sie mit dem Pass aber nicht. Zum Waffenkaufen hingegen braucht man nicht
immer einen Pass, das wissen auch die Reichsbürger: Etwa fünf Prozent der
sächsischen Mitglieder besitzen welche, schätzen die Verfassungsschützer.
Mit anderen Worten: In Sachsen laufen rund 65 bewaffnete, durchgeknallte
Nazis herum, denen Gerichte und Polizei ziemlich egal sind. In Bayern hat
ein solcher Zeitgenosse im Jahr 2016 einen Polizisten erschossen.
Sachsen muss also fromm hoffen, dass die Reichsbürger sich mit Schüssen auf
die Polizei zurückhalten. Immerhin gibt es das Risiko, einen nicht allzu
weit entfernten Gesinnungsgenossen zu treffen. Zum Beispiel einer von
denen, die jene wunderhübsch eindeutig bestickten Sitzbezüge mit
Frakturschrift für die neuen Panzerfahrzeuge angefordert, nicht verhindert
oder am Ende verteidigt haben.
23 Jan 2018
## AUTOREN
Helke Ellersiek
## TAGS
Reichsbürger
Verfassungsschutz
taz-Serie: Die Reichsbürger
Rechtsextremismus
Reichsbürger
Reichsbürger
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